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Insekten in Lebensmitteln: In und außerhalb der EU formiert sich Widerstand

Lesezeit: 3 min
12.02.2023 00:11  Aktualisiert: 12.02.2023 00:11
Die EU erlaubt künftig den Verkauf von mit Insekten angereicherten Lebensmitteln. Immer mehr Länder wehren sich gegen den neumodischen Ernährungstrend – mit teils sehr unterschiedlichen Beweggründen.
Insekten in Lebensmitteln: In und außerhalb der EU formiert sich Widerstand
Die EU hat jüngst die Beimischung von „Acheta domesticus“ (Hausgrille, Heimchen) in Lebensmitteln legalisiert. (Foto: iStock/0802290022)
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Die Europäische Union erlaubt in Zukunft die Beimischung von Larven des Mehlwurms sowie eine aus Hausgrillen gewonnene Substanz in der Lebensmittelproduktion. Die vieldiskutierte Entscheidung der Europäischen Kommission bedeutet, dass es nun vier Insektenarten gibt, die in der EU kommerziell als Lebensmittel und Lebensmittelzutaten verkauft werden können. Doch der neueste Trend in der Ernährungsindustrie dürfte nicht alle (EU-)Länder erfassen. Es regt sich schon jetzt Widerstand.

Ungarn: Spezielle Etikettierung und getrennte Regale

Das als sehr konservativ bekannte Ungarn wehrt sich vehement gegen die EU-Verordnung. Das hiesige Landwirtschaftsministerium wird die Vorschriften zur Kennzeichnung von Lebensmitteln anpassen, um sicherzustellen, dass für den Verbraucher Produkte mit Insektenproteinen deutlich von denen ohne unterscheidbar sind. Bei betroffenen Produkten muss es als Zutat an einer gut sichtbaren Stelle auf der Verpackung stehen. Zudem soll Insektenhaltige Nahrung nur in separaten Verkaufsregalen platziert werden dürfen.

Dass man unwissentlich Insekten isst, kann - stand jetzt - auch im Rest Europas nicht passieren, sofern man aufmerksam die Verpackungsangaben liest. Wenn in einem Produkten Insektenbestandteile enthalten sind, muss das gekennzeichnet sein. Den EU-Verordnungen (hier und hier) zufolge muss in der Zutatenliste mindestens eine der folgenden Angaben stehen:

  • «Acheta domesticus (Hausgrille, Heimchen), gefroren»

  • «Acheta domesticus (Hausgrille, Heimchen), getrocknet/pulverförmig»

  • «Gefrorene Larven/Paste aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)» oder

  • «Getrocknete Larven/Pulver aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)»

Ungarns Landwirtschaftsminister István Nagy verweist auf Meinungsumfragen, die glasklar zeigen würden, dass die Ungarn keine Insekten essen wollen. Weniger als 5 Prozent der Verbraucher können sich den Verzehr von Insekten beziehungsweise von Produkten, die Insektenbestandteile enthalten, vorstellen. Mehr als 70 Prozent lehnen diese Möglichkeit strikt ab.

„Dank des Fleißes und der Beharrlichkeit der ungarischen Landwirte verfügen wir über eine Fülle hochwertiger Rohstoffe, frischer, gesunder und qualitativ hochwertiger Lebensmittel, so dass wir keine Abfälle essen müssen“, betont Nagy. „Es ist wichtig, dass wir unsere gastronomischen Traditionen bewahren und nicht zulassen, dass unsere Essgewohnheiten verändert werden“, fügte der Minister hinzu.

Katar verbietet Insekten in Nahrungsmitteln

Während in der EU die Beimischung von Insekten in Lebensmitteln zunehmend legalisiert wird, hat es Katar nun offiziell verboten. Der Grund: Produkte mit Insektenbestandteilen seien nicht als halal anzusehen. Die Halal-Zertifizierung bedeutet, dass der Verzehr solcher Lebensmitteln für Muslime gemäß den religiösen Vorschriften zulässig ist.

„Unter Bezugnahme auf die kursierenden Berichte über die Entscheidung einiger Länder, die Verwendung von Insekten in der Lebensmittelproduktion zu genehmigen, betont das Ministerium für öffentliche Gesundheit, dass es Lebensmittelprodukte, die Insekten enthalten, auf den Märkten verbietet, da sie die Anforderungen der technischen Halal-Vorschriften für Lebensmittel nicht erfüllen“, so das katarische Gesundheitsministerium.

Regularien des Golf-Kooperationsrats, in dem Katar Mitglied ist, „und die religiöse Meinung der zuständigen Autoritäten“ verbieten den Verzehr von Insekten oder daraus gewonnenen Zutaten, heißt es in der Erklärung weiter.

Die Einhaltung der Halal-Anforderungen soll „durch vom Ministerium akkreditierte islamische Einrichtungen und durch seine international akkreditierten Laboratorien“ überprüft werden, „um die Quelle der in Lebensmitteln enthaltenen Proteine genau zu bestimmen.“ Das Verbot wird in naher Zukunft wahrscheinlich noch dahingehend erweitert, dass auch die Einfuhr solcher Produkte illegal wird.

Katar ist eines der ersten Länder aus der islamischen Region, das auf die jüngsten Genehmigungen der EU reagierte. Weitere Golfstaaten haben bereits ähnliche Maßnahmen beschlossen. Die Vereinigten Arabischen Emirate stufen sämtliche Nahrungsmittel, die Insekten oder Würmer enthalten, als nicht halal ein – Ausnahmen gelten für Heuschrecken und Bestandteile von Bienen, die unbeabsichtigt in Honig enthalten sein könnten. Im Oman haben die zuständigen Behörden klargestellt, dass das Handeln von Insektenhaltigen Produkten auf den lokalen Marktplätzen nicht erlaubt ist. Ähnliches wird auch aus Kuwait berichtet.

Aber nicht alle islamischen Länder haben solche Verbote erlassen. Entscheidend ist hier, ob man die islamischen Ernährungsvorschriften genauso interpretiert wie im Emirat, in dem noch vor wenigen Wochen die Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen wurde. In akademischen Kreisen gibt es durchaus verschiedene Ansichten dazu, ob im Islam die Beimischung von Insekten in der Nahrung erlaubt sind oder nicht. Heuschrecken gelten meist als halal, weil sie im Koran erwähnt werden. Viele islamische Gelehrte lehnen aber die Verwendung anderer Insekten in Lebensmitteln ab.

Zu Saudi Arabien etwa lassen sich im Internet keinerlei Berichte zu solchen Verboten oder offiziellen Verlautbarungen finden. Interessant ist, dass im größten der Golfstaaten vor einigen Jahren eine erste große Insektenfarm ins Leben gerufen wurde. Genauer gesagt handelt es sich um eine Fliegenfarm zur Massenproduktion von Tierfutter – als Alternative zum weit verbreiteten Fischmehl. Betrieben wird sie von „AgriProtein“, einem der weltweit führenden Insektenproduzenten, in Kooperation mit dem saudischen Technologiezentrum „Sajt“.

Bei der Bekanntgabe der Vereinbarung erklärte der Vizepräsident von Sajt damals: „Das Königreich ist derzeit vollständig von importierten Futtermitteln für die aufstrebende Aquakultur- und Geflügelindustrie abhängig. Die weltweit führende Technologie von AgriProtein wird uns helfen, mehrere Ziele der Vision 2030 zu erreichen und die Ziele des Landwirtschaftsministeriums im Bereich der Ernährungssicherheit zu unterstützen.“

Noch ist Insekten-basierte Ernährung nur ein kleiner Nischenmarkt

In Europa gibt es derweil schon Insektenfarmen, die primär auf den Absatzmarkt der menschlichen Ernährung abzielen, wie etwa die der deutschen Startups „Sens“ und „Entosus“. Bisher handelt es sich hier noch um einen sehr überschaubaren Nischenmarkt. Sollte das Essen von Insekten aber zum (politischen) Trend werden und in der Bevölkerung Fuß fassen, dürften auch Großkonzerne in das neuartige Geschäft einsteigen und noch gewaltige Summen in diesen Bereich fließen.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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