Deutschland

PCK-Mitarbeiter schreiben Brandbrief an Habeck, Brandenburg hofft auf Einschreiten des Bundeskanzlers

Ohne Not hat das grüne Wirtschaftsministerium eine der wichtigsten deutschen Raffinerien in die Krise gestürzt. Jetzt spitzt sich die Lage zu. Habeck kann oder will dem Unternehmen keinen belastbaren Zukunftsplan bieten.
23.02.2023 17:00
Lesezeit: 4 min
PCK-Mitarbeiter schreiben Brandbrief an Habeck, Brandenburg hofft auf Einschreiten des Bundeskanzlers
Wirtschaftsminister Habeck. Die Krise um die PCK-Raffinerie in Schwedt spitzt sich zu. (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Die Mitarbeiter der Raffinerie PCK in Schwedt sind nach dem freiwillig gestoppten Bezug von russischem Öl in Sorge. In einem Brief forderten sie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zur Unterstützung auf und forderten den Bau einer zweiten Pipeline von Rostock.

„Mit Erstaunen und Befremden haben die Beschäftigten der PCK Raffinerie die Nachricht aufgenommen, dass die Bundesregierung sich gegen einen Neubau einer zweiten Pipeline von Rostock nach Schwedt entschieden hat und dass Polen weiterhin über die Druschba mit russischem Öl versorgt wird“, schrieben die Beschäftigten in dem Brief vom 17. Februar, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuvor hatte die Märkische Oderzeitung darüber berichtet.

„Die PCK-Raffinerie war über viele Jahrzehnte ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen, das in dieser Region maßgeblich zu einer guten Entwicklung beigetragen hat. Wir lassen uns diese Erfolge nicht wegnehmen und fordern Sie deshalb auf, Ihre Entscheidung zu korrigieren.“

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten hatten bereits im Mai 2022 berichtet, dass Habecks angebliche Lösungsansätze für die Raffinerie nicht funktionieren werden.

Lesen Sie dazu: Gefährlicher Blindflug: Habeck hat keinen Plan, wie es nach einem Öl-Embargo weitergehen soll

Die Bundesregierung verzichtet freiwillig auf russische Ölimporte über die Pipeline Druschba nach Schwedt und nach Leuna, weshalb beide Raffinerien – besonders aber PCK in Schwedt – in enorme Schieflage geraten sind und nun von Lieferungen russischen Öls aus Polen abhängig sind. Die Abhängigkeit von Polen ist riskant, weil die dortige Regierung inzwischen eine offen konfrontative Politik gegenüber der Bundesregierung verfolgt und ihre Öl-Lieferungen von Gefälligkeiten abhängig macht.

Die Bundesregierung hat übrigens auch den Bezug von russischem Gas freiwillig gestoppt, obwohl andere europäische Länder dieses weiter beziehen.

Hilferuf an Scholz?

Die Brandenburger Landesregierung will bei ausbleibenden Fortschritten der Auslastung der PCK-Raffinerie in Schwedt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einschalten. „Es wird einen Zeitpunkt geben (...), dass man sagt, diese Task Force an der Stelle ist nicht der ausreichende Hebel“, sagte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) am Donnerstag im Landtag in Potsdam. Dann werde sich Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hoffentlich direkt an den Bundeskanzler wenden und um Hilfe bitten diesbezüglich.

Eine Arbeitsgruppe der Landesregierung tauscht sich über die Zukunft der Raffinerie aus, nachdem die Bundesregierung den Bezug von russischem Öl über die Druschba-Pipeline nach Schwedt und Leuna ausgesetzt hat. Daran nimmt für den Bund Habecks Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne) teil. Woidke hatte sich unzufrieden gezeigt, weil die vom Bund geplante Auslastung der Raffinerie von 70 Prozent bisher nicht erreicht ist.

Kellner wies Kritik zurück und verwies auf volle Lager und eine anstehende Revision der Raffinerie PCK. Bund und Land sehen aber sowohl die Beschäftigung als auch die Versorgung mit Treibstoff für die Verbraucher als gesichert an. Die Auslastung von PCK liegt derzeit nach Angaben des Unternehmens bei rund 60 Prozent, die von Leuna laut Brandenburger Landesregierung bei 75 Prozent. Es liegen derzeit keine verbindlichen Abkommen vor, die die Auslastung erhöhen würden.

Derzeit kommt Öl über Rostock und Danzig, auch aus Kasachstan sind Lieferungen geplant, die aber nicht konkret gesichert sind. Laut Steinbach sollen 20 000 Tonnen aus Kasachstan in „Planung“ sein. „Das wird eine gewisse Nagelprobe sein“, sagte er mit Blick auf Polen und die Durchleitung – Aussagen, die alles andere als seriös klingen.

Deutschland verzichtet – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern – seit diesem Jahr freiwillig auf russische Ölimporte über die Pipeline Druschba nach Schwedt und nach Leuna in Sachsen-Anhalt. 90 Prozent der Versorgung mit Benzin, Kerosin, Diesel und Heizöl in Berlin und Brandenburg werden nach Angaben der PCK von der Raffinerie sichergestellt. Die Bundesregierung hatte zwei Töchter des russischen Ölkonzerns Rosneft, die die Mehrheit von PCK halten, unter staatliche Kontrolle gestellt.

Proteste gegen früheren Kohleausstieg

Unter dem Eindruck der Debatte um einen vorgezogenen Kohleausstieg und mit Bundesmitteln für Wasserstofftechnologie hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Lausitz besucht. Habeck besuchte auch das Kraftwerk Schwarze Pumpe.

Nach bisheriger Gesetzeslage sind die letzten Stilllegungen von Kohlekraftwerksblöcken in Deutschland 2038 in der Lausitz geplant. Wenn es nach Habeck geht, soll aber schon 2030 Schluss sein, wie im Rheinischen Revier. In der Lausitz formiert sich längst der Widerstand. Vor dem Kraftwerk demonstrierten Auszubildende und Mitarbeiter. Sie forderten, dass der gesamtgesellschaftliche Konsens zum Kohleausstieg nicht in Frage gestellt werde.

Nach einem Gespräch mit Habeck machte auch Leag-Vorstand Thorsten Kramer klar: das Energieunternehmen hält am gesetzlich festgelegten Kohleausstieg 2038 fest, will aber gleichzeitig verstärkt in den Ausbau Erneuerbarer Energien investieren. Der Slogan laute: „Erst Ausbau, dann Ausstieg. Dazu stehen wir“, sagte Kramer. Das gemeinsame Ziel sei der Umbau hin zu erneuerbaren Energien bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit. Die Politik sei in der Pflicht, ihre Zusagen einzuhalten und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zeigte sich unter bestimmten Bedingungen offen für Gespräche über einen früheren Kohleausstieg. Die Energieversorgung müsse verlässlich und bezahlbar sein, es gehe aber auch um Unabhängigkeit in der Energieversorgung, um Wertschöpfung im Land zu lassen, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch Welt TV und der Deutschen Presse-Agentur. „Ich glaube, dass der Bundeswirtschaftsminister das auch mit im Fokus haben muss.“

Wirtschaftsminister Steinbach machte klar: Für die Festlegung auf ein neues Ausstiegsjahr brauche es verlässliche Aussagen dazu, wie sich ein möglicherweise früherer Ausstieg aus der Braunkohle auf die Rekultivierung, die Wiedernutzbarmachung und die Bergbauplanung auswirkt. Dazu gäbe es aber noch keine aktualisierten Angaben, sagt der Minister Richtung Bund. Und verweist auf veränderte Rahmenbedingungen durch Ukraine-Krieg, Energiekrise und Wassermangel.

Habeck lobte den „atemberaubenden Wandel“ der Leag und deren Umbau. Verhandlungen über einen vorgezogenen Kohleausstieg aber würden an anderer Stelle geführt. Kritik kam unter anderem vom Umweltnetzwerk Grüne Liga. Sprecher René Schuster wies darauf hin, dass ein früherer Kohleausstieg notwendig sei und keine Zustimmung der Leag brauche.

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