Unternehmen

Handwerk: „Die Bürokratie erwürgt uns inzwischen“

Das Handwerk steuert auf schwere Zeiten zu, Wirtschaftsminister Habeck verbreitet Durchhalteparolen.
08.03.2023 17:00
Lesezeit: 2 min

Handwerkspräsident Jörg Dittrich hat die Politik vor zusätzlichen Belastungen der Wirtschaft in der Krise gewarnt. „Wir brauchen eine Entlastung von Steuern und Abgaben und vor allem von Bürokratielasten“, sagte Dittrich am Mittwoch zum Auftakt der Internationalen Handwerksmesse in München: „Die Bürokratie erwürgt uns inzwischen.“ Das Handwerk könne mit Krisen umgehen. Aber die Politik dürfe „nicht nur schnell verbieten, wir müssen auch schnell ermöglichen.“ Sonst seien auch die Ziele der Energiewende nicht umsetzbar.

Habeck „glaubt“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, das Handwerk werde „zur tragenden Kraft der Transformation in Deutschland“ werden: „Ich weiß, viele Betriebe ächzen und stöhnen unter den hohen Preisen“, aber „ich glaube, dass das Handwerk zu einem Konjunkturmotor wird.“

„Glauben“ ist aber keine belastbare Strategie. So „glaubte“ Habeck im vergangenen Sommer auch, dass die Sanktionen gegen Russland ein „großer Erfolg“ würden und das Land bald ruiniert sei. Nun stehen beträchtliche Teile der deutschen Wirtschaft vor dem Abgrund.

Lesen Sie dazu: Wirtschaft: Deutschland droht zum Entwicklungsland zu werden

Am Rande sei bemerkt: Sowohl die überbordende Bürokratie als auch die hohen Energiepreise sind zu einem großen Teil eine direkte Folge der sogenannten Energiewende, mit der die Bundesregierung das Weltklima vor einer angeblichen Überhitzung „retten“ will.

Lesen Sie dazu: CO2-Sondersteuer wird auf neue Branche ausgeweitet

Das geplante Verbot neuer Gas- und Ölheizungen ab 2024 verteidigte Habeck. Die Bundesregierung plane, nächstes Jahr 2024 auf 500.000 Wärmepumpen zu kommen – mithilfe von Milliardensubventionen, bezahlt aus Steuergeldern. Die Probleme müssten angegangen werden: „Zu der alten Bequemlichkeit zurückzukehren, das kann sich Deutschland nicht leisten.“ Wer die Kosten der Umstellung nicht stemmen könne, für den werde es Förderprogramme geben.

Viktoria Krastel, Gewinnerin des Hessischen Gründerpreises in der Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolge“ wies darauf hin, dass sowohl Material als auch Fachkräfte knapp seien. „Und wer bezahlt das letztendlich?“ Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte mehr pragmatische Lösungen. Die Bundesnetzagentur befürchte bereits eine Rationierung von Strom. Von den rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland heizt die Hälfte mit Erdgas, ein Viertel mit Heizöl. Im vergangenen Jahr sind 600.000 neue Öl- und Gasheizungen eingebaut worden.

Die teure Energie und die Inflation machen dem Handwerk nach Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform enorm zu schaffen. Zwei Drittel der Betriebe beurteilten ihre Geschäftslage im Moment noch als positiv. Aber die Ertragserwartungen seien eingebrochen, die Investitionsbereitschaft sei am Boden. „In Verbindung mit rückläufigen Auftragseingängen und der Zinswende stehen die Zeichen im Handwerk auf Abschwung“, sagte der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch.

Creditreform hatte im Januar und Februar mehr als 1.300 Handwerksbetriebe in Deutschland befragt. Niedrige Eigenkapitalquoten und schmelzende Rücklagen hätten bereits Spuren hinterlassen. Die Zahl der Insolvenzen im Handwerk sei im vergangenen Jahr um 12 Prozent auf 3270 gestiegen. „Die deutlich verschlechterten Geschäftsaussichten zeigen sich besonders in den Ertragserwartungen, die im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen sind“, sagte Hantzsch. Maximal rechneten die Betriebe mit einer stabilen Ertragslage, fast jeder vierte Befragte erwarte sinkende Gewinne.

Nur noch 47 Prozent der Betriebe wollten in naher Zukunft investieren. Steigende Finanzierungskosten und die schwache Auftragsentwicklung führten dazu, dass selbst auf dringend notwendige Ersatzinvestitionen zum Teil verzichtet werde.

Zudem hätten 83 Prozent der befragten Betriebe Schwierigkeiten, Arbeitskräfte und Azubis zu finden. „Der Fachkräftemangel im Handwerk ist fatal“, sagte Hantzsch. Zum deutschen Handwerk zählen eine Million Betriebe mit fast 5,6 Millionen Selbstständigen und Beschäftigten sowie 360.000 Lehrlingen. Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks fehlen heute schon 250.000 Handwerker, 19.000 Lehrstellen blieben unbesetzt.

Am Freitag wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum „Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft“ mit den großen Wirtschaftsverbänden BDI, BDA, DIHK und ZDH auf der Handwerksmesse erwartet.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Föderale Modernisierungsagenda: 200-Punkte-Programm für Bürokratieabbau – ist das der große Wurf?
28.12.2025

Bund und Länder haben ein Paket beschlossen, das den Staat schlanker und schneller machen soll. Über 200 Maßnahmen zielen auf Bürger,...

DWN
Politik
Politik Steuern, Deutschlandticket, Musterung – die Änderungen 2026 im Überblick
27.12.2025

2026 bringt spürbare Änderungen bei Lohn, Rente, Steuern und Alltag. Manche Neuerungen entlasten, andere verteuern Mobilität oder...

DWN
Panorama
Panorama Keine Monster, keine Aliens: Prophezeiungen für 2025 erneut widerlegt
27.12.2025

Düstere Visionen und spektakuläre Vorhersagen sorgen jedes Jahr für Schlagzeilen – doch mit der Realität haben sie meist wenig zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Mail-Betrug im Mittelstand: Die unterschätzte Gefahr im Posteingang – und welche Maßnahmen schützen
27.12.2025

E-Mail-Betrug verursacht im Mittelstand mehr Schäden als Ransomware. Stoïk, ein auf Cybersecurity spezialisiertes Unternehmen, zeigt,...

DWN
Technologie
Technologie China überholt Europa: Wie europäische Energieprojekte den Aufstieg befeuerten
27.12.2025

Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zum Aufbau der chinesischen Industrie beigetragen, ohne die langfristigen Folgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hoffnung auf den Aufschwung: Kann 2026 die Wirtschaftswende bringen?
27.12.2025

Nach mehreren Jahren der Stagnation und anhaltend schlechter Stimmung in vielen Branchen richtet sich der Blick der deutschen Wirtschaft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelspolitik ist von Unsicherheit geprägt: Experten erwarten weniger Investitionen
27.12.2025

Die Unsicherheiten in der Handelspolitik lassen die Investitionen schrumpfen und führen zu Wachstumsverlusten. Zölle schaden der...

DWN
Finanzen
Finanzen KI-Blase: Warum der Hype um die Nvidia und Co. gefährlich werden könnte
27.12.2025

Die weltweite Euphorie rund um künstliche Intelligenz treibt Aktien wie Nvidia und Microsoft in immer neue Höhen und heizt die Diskussion...