Jean Paul Prates, der CEO des staatlichen brasilianischen Ölkonzerns Petrobras, lässt sich von der weltweiten Energiewende nicht beeindrucken. Seiner Ansicht nach wird Petrobras die Produktion fossiler Brennstoffe in den kommenden Jahrzehnten weiter steigern. "Wir werden Marktanteile gewinnen", sagte er in einem Interview in Rio de Janeiro. "Wir werden vielleicht die letzten sein, die auf der Welt Öl fördern", zitiert ihn Bloomberg.
Brasilien hat sich in den letzten 20 Jahren im Gegensatz zu vielen anderen lateinamerikanischen Ländern zu einem wichtigen Ölproduzenten entwickelt. Bohrer haben riesige Offshore-Ölfelder ausgebeutet, die als Pre-Salt bekannt sind, weil das Rohöl unter einer geologischen Salzschicht eingeschlossen ist. Petrobras betreibt die meisten dieser Felder, wobei internationale Unternehmen wie Shell Minderheitsbeteiligungen halten.
Brasiliens Politik hängt am Öl
CEO Prates, der von Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva Anfang des Jahres ernannt wurde, hat erklärt, dass die Ölförderung weiterhin oberste Priorität haben wird. Investitionen in Windkraft und andere erneuerbare Technologien bei Petroleo Brasileiro, wie das Unternehmen offiziell heißt, werden im Vergleich dazu bescheiden ausfallen.
Präsident Lula hat sich zwar für den Kampf gegen den Klimawandel ausgesprochen und versprochen, die Abholzung im Amazonasgebiet zu verlangsamen, aber er ist auch ein Befürworter der brasilianischen Ölindustrie. Der Produktionsboom sorgte in den ersten beiden Amtszeiten Lulas für steigende Steuereinnahmen und trug dazu bei, seine ehrgeizigen Sozialausgaben zu finanzieren. In seiner jetzigen dritten Amtszeit will er nun daran anknüpfen.
Die brasilianische Ölproduktion wird in diesem Jahr einen Rekordwert von 3,4 Millionen Barrel pro Tag erreichen und bis 2030 weiter wachsen. Danach wird das Land neue Entdeckungen benötigen, um die Produktion aufrechtzuerhalten und zu steigern. "Wir sind sehr spät als großer Produzent auf den Plan getreten, aber wir müssen am Ball bleiben", sagte Prates, der vor seiner Ernennung Senator für Lulas Arbeiterpartei war.
Prates sagte, die Priorität liege in der Ausbeutung der vorhandenen Funde in den Vorsalzgebieten und der Entdeckung neuer Funde, während man gleichzeitig nach neuen Becken in anderen Teilen Brasiliens suche, einschließlich des so genannten äquatorialen Randes im äußersten Norden des Landes. Diese Region weist eine ähnliche Geologie auf wie die Gebiete vor dem nahe gelegenen Guyana, wo die Exxon Mobil Milliarden von Barrel gefunden hat.
Energiewende zum Trotz: Petrobras setzt auf Öl
Petrobras ist bereit, mit Explorationsbohrungen in der Region zu beginnen, wartet aber noch auf die Genehmigung der Aufsichtsbehörden. Die Nähe zur Mündung des Amazonas hat die Region zu einem umstrittenen Standort für Bohrungen gemacht und die brasilianische Umweltministerin Marina Silva auf den Plan gerufen.
Wenn Petrobras grünes Licht erhält, könnte bereits im April mit einer Explorationsbohrung begonnen werden, sagte Prates.
Petrobras wird Investitionen in Offshore-Windkraftanlagen in Erwägung ziehen, da das Unternehmen Erfahrung mit der Durchführung großer Projekte im brasilianischen Atlantik hat. Petrobras prüft Partnerschaften mit europäischen Ölkonzernen, darunter die norwegische Equinor. "Dies ist ein Umfeld, das wir bereits kennen, und wir haben in Brasilien zweifellos das beste Umfeld für Investitionen in Offshore-Windkraftanlagen weltweit, weil das Klima günstig ist", sagte er.
Der Rest des bescheidenen Vorstoßes von Petrobras in die Energiewende wird zwei Bereiche betreffen, in denen das Unternehmen bereits über Fachwissen verfügt: Kohlenstoffabscheidung und Biokraftstoffe.
Petrobras zahlte im vergangenen Jahr aufgrund höherer Ölpreise und eines weitreichenden Veräußerungsprogramms eine Rekorddividende. Prates sagt, dass sein Unternhemen ein besseres Gleichgewicht zwischen der Ausschüttung an Aktionäre, darunter der brasilianische Staat, und Investitionen finden sollte. "Wir sollten eine ausgewogenere Sichtweise haben, ohne die große Attraktivität hoher Dividenden zu vernachlässigen", sagte er.