Weltwirtschaft

Handelsabkommen zwischen EU und Südamerika weiterhin blockiert

Lesezeit: 3 min
05.04.2023 06:55  Aktualisiert: 05.04.2023 06:55
Ein bereits fertiges Handelsabkommen zwischen EU und vier südamerikanischen Staaten steckt seit Jahren fest. Welche Probleme behindern das Unterfangen?
Handelsabkommen zwischen EU und Südamerika weiterhin blockiert
Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD) wird von Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, in dessen Amtssitz empfangen. (Foto: dpa)
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Als Brasiliens neuer Präsident Luiz Inacio Lula da Silva sein Amt antrat, war die Vorfreude in Europa groß. Endlich gibt es in Brasilia wieder einen Gesprächspartner, mit dem die EU Vereinbarungen zu Klimaschutz und Handel treffen kann, hieß es in Brüssel und Berlin.

Kanzler Olaf Scholz drängte sofort auf einen Abschluss des schon 2019 ausgehandelten, aber dann in der Ratifizierung auch in Deutschland stecken gebliebenen EU-Freihandelsabkommen mit den vier Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. „Der Plan ist tatsächlich, Nachverhandlungen bis Sommer politisch abzuschließen“, sagt nun ein hoher Kommissionsbeamter.

Allerdings formieren sich bereits wieder Gegner und Kritiker - es geht erneut um die Sorge vor Rindfleisch-Importen und den Schutz des Amazonas-Regenwaldes.

Nach Einschätzung der deutschen Wirtschaft und der Kommission liegen die Vorteile eines Abkommens auf der Hand: Es könnten jährlich Zölle in Höhe von vier Milliarden Euro abgebaut werden - nicht nur bei der Landwirtschaft, sondern auch bei Autos, Maschinen oder Pharmaprodukten, erklären EU-Kommission und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) übereinstimmend.

Der BDI spricht von einem gemeinsamen Markt von mehr als 717 Millionen Menschen, die für rund neun Prozent der Weltbevölkerung und fast 20 Prozent der Weltwirtschaft steht. „Die international eng vernetzte deutsche Wirtschaft hofft auf einen raschen Abschluss der EU-Verhandlungen mit dem Mercosur bis zum EU-Lateinamerika-Gipfel im Juli“, sagt DIHK-Außenwirtschaftsexperte Klemens Kober zu Reuters.

„Außerdem wäre das Abkommen auch für die Verbesserung der Versorgungssicherheit bei Ernährung und Rohstoffen wichtig“, heißt es in der Kommission angesichts der Rohstoffe und Nahrungsmittelproduktion in Lateinamerika. In der Bundesregierung wird gemahnt, dass sich die EU wegen der neuen geopolitischen Lage den Wünschen der Partner auf der Südhalbkugel „ein bisschen anpassen muss.“ „Was die Bedeutung der Handelsbeziehungen angeht, sind wir uns alle einig, dass sie auch für die künftige Rolle der EU in der Welt entscheidend sind“, heißt es aus der Bundesregierung.

Stolperstein Landwirtschaft

Doch einige EU-Länder wie zum Beispiel Frankreich bleiben skeptisch. Geopolitik hin oder her - dort fürchtet man zusätzliche Importe von südamerikanischem Rindfleisch. Die Kommission argumentiert zwar, dass die festgelegten Import-Mengen zu vernachlässigen seien. „Aber die Franzosen sagen uns, dass sie angesichts der heiklen innenpolitischen Lage wenig Spielraum haben“, klagt ein EU-Diplomat.

Widerstände gegen das Mercosur-Abkommen gibt es aber auch in Deutschland, den Niederlanden und Österreich. Die Ampel-Koalition etwa pocht bisher auf einen Sanktionsmechanismus zum Regenwaldschutz. „Das ist vor allem einigen in der Grünen-Bundestagsfraktion wichtig“, heißt es in der Kommission. Dabei betonen Kommission und Regierungsvertreter, dass Brasilien gar kein Aufschnüren des Abkommens zulassen werde.

„Es gibt doch mittlerweile die Entwaldungs-Richtlinie der EU, die keine Zertifizierung für Produkte zulässt, die aus gerodeten Gebieten stammen“, heißt es in Brüssel. „Entscheidend wird am Ende die Zustimmung Deutschlands sein“, wird in Brüssel gewarnt. Doch ob sich die Grünen angesichts der schlechten Stimmung in der Ampel-Regierung an diesem Punkt versteifen werden, könne noch niemand sagen.

„Das EU-Mercosur-Abkommen in seiner derzeitigen Form läuft Gefahr, die Entwaldung in der Mercosur-Region wegen steigender Agrarexporte noch weiter anzuheizen“, sagt etwa die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini zu Reuters. „Ohne durchsetzbaren Mechanismus gegen Entwaldung, sowie dem damit zusammenhängenden Schutz der indigenen Bevölkerung, kann das EU-Mercosur-Abkommen nicht ratifiziert werden.“

Die Wirtschaft pocht dagegen auf eine schnelle Lösung. Nachhaltigkeitsaspekte seien zentral, meint auch DIHK-Experte Kober. „Aber EU-Abkommen sollten nicht mit handelsfremden Themen überfrachtet werden, die die Abschlussfähigkeit schwächen.“

Der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Bernd Lange, dringt auf eine Einigung bis zum EU-Lateinamerika-Gipfel am 27. Juli. Er verweist auf eine weitgehende Einigung zwischen EU-Kommission und den vier Mercosur-Staaten vor zwei Wochen.

Kernbestandteil war, dass das Abkommen nicht neu aufgeschnürt wird, sondern wie im Falle Chile ein Zusatzabkommen abgeschlossen wird. Das soll dann zusätzliche Sicherheiten für den Klimaschutz innerhalb eines Jahres festschreiben. „Die EU kann den Staaten etwa mit Satellitenüberwachung helfen“, sagt Lange. Derzeit wird über einen Reuters vorliegenden Entwurf der Kommission über dieses Zusatzabkommen verhandelt.


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