Es herrscht Dauerkrisenmodus beim deutschen Mittelstand, dem vielgepriesenen Innovationsmotor des Landes, denn es hakt an vielen Stellen; Bürokratiewahn, veraltete Digitalisierung, Nachfolgeprobleme, Fachkräftemangel und Finanzierungsschwierigkeiten, um nur einige zu nennen. 2022 ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Land deutlich angestiegen.
Ein aktuelles Beispiel: Der Heizungsbauer Viessmann gehört zum Marktführer unter den Mittelständlern in Deutschland und dennoch erfolgte jüngst der Verkauf der Klimasparte für über 11 Milliarden Euro an den US-Player Carrier. „Ein mittelfristiger Wegfall hiesiger Wertschöpfung könnte in der Tat zum Problem werden. Wir sehen ähnliche Tendenzen auch in anderen Industrien, wie etwa im Bereich Automotive“, beobachten Experten wie Boris Storck, Managing Partner bei marktlink Düsseldorf und Fachmann für M&A Beratung im Mittelstand.
Wie sehr die Probleme drängen, zeigt auch die aktuelle Kampagne „Fachkräfte fallen nicht vom Himmel – ohne Ausbildung keine Zukunft“, der Gewerkschaft IG BCE. Angesprochen werden die Betriebsräte. Sie sollen in den Unternehmen möglichst viele Betriebsvereinbarungen für mehr Lehrstellen schließen, denn mittlerweile bildet nicht mal mehr jeder fünfte Betrieb aus. Lehrstellenmangel sind das eine Problem, das andere sind die Sicherung der kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Aller Anfang braucht Beratung
Um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nicht weiter zu gefährden, sind Maßnahmen notwendig. Nur mit den richtigen Voraussetzungen können es KMU schaffen, Innovationsprojekte erfolgreich zu stemmen. Das fängt bereits bei qualifizierter Beratung an. Unterstützung hierbei gibt es vom Staat. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) stellt hierfür Innovationsgutscheine (go-inno und go-digital) bereit.
Mit dem Gutschein kann auf autorisierte Beratungsunternehmen zugegriffen werden. Das Unternehmen trägt den Eigenanteil, bis zu 50 Prozent der Ausgaben können über den Gutschein eingelöst werden. Ein Antragsverfahren ist nicht erforderlich. Die Abrechnung des Innovationsvorhabens beim Projektträger übernimmt das Beratungsunternehmen.
Ähnlich funktioniert es bei go-digital. Die staatliche Förderung möchte bei den Prozessen der Digitalisierung unterstützen. Die Förderung kann für Vorhaben aus folgenden Modulen erfolgen: „Digitalisierungsstrategie“, „IT-Sicherheit”, „Digitalisierte Geschäftsprozesse”, „Datenkompetenz“ und „Digitale Markterschließung”. Gefördert werden KMU, die unter 100 Beschäftigte haben, einen Vorjahresumsatz von höchstens 20 Millionen Euro, über eine Betriebsstätte oder Niederlassung in Deutschland verfügen und förderfähig nach der De-minimis-Verordnung sind.
Zuschüsse für Unternehmen
Mit dem Programm „Förderung von Unternehmensberatung für KMU“ durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und den Europäischen Sozialfond Plus, steht seit Anfang des Jahres den Unternehmen eine weitere Option zur Verfügung. Die Förderrichtlinie gilt bis Ende 2026. Die maximale Zahl der möglichen Beratungen pro Jahr beträgt zwei. Bezuschusst wird in den westlichen Bundesländern mit 50 Prozent (max. 1750 Euro) pro Beratung.
In den ostdeutschen Bundesländern erhalten Betriebe einen Zuschuss von 80 Prozent, maximal jedoch 2.800 Euro pro Beratung. Auch hier wiederum müssen die Berater beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) registriert sein. Mit INVEST wird bereits seit 2013 jungen innovativen Unternehmen der Zugang zu privatem Wagniskapital erleichtert, seit Februar 2023 wurden allerdings die Richtlinien angepasst. So wurde die Mindestinvestitionssumme von 25.000 Euro auf 10.000 Euro herabgesetzt und der Erwerbszuschuss bei direktem Anteilserwerb von 20 auf 25 Prozent erhöht. Im aktuellen Förderkompass der BAFA sind alle Förderprogramme für das Jahr 2023, die sich nicht nur an KMU, sondern auch an private Haushalte richten, aufgelistet.
Einen Schritt vorher setzt bereits KMU-innovativ an. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) will damit die Beantragung und Bewilligung von Fördermitteln für KMU vereinfachen. Angeboten wird ein Lotsendienst, zudem verspricht das Programm ein schnelles Verfahren bei der Prüfung der Fördermöglichkeiten. Gefördert wird in zehn unterschiedlichen Technologiefeldern; Bioökonomie, Biomedizin, Elektronik und autonomes Fahren/Supercomputing, Forschung für die zivile Sicherheit, Medizintechnik, Informations- und Kommunikationstechnologien, Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität, Materialforschung, Photonik und Quantentechnologien, Ressourceneffizienz und Klimaschutz.
Die Innovationskraft strukturschwacher Regionen Deutschlands soll mittels dem Förderprogramm Innovationskompetenz INNO-KOM unterstützt werden. Darüber hinaus hilft es beim Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Unternehmen durch Beratung und Förderung von Projekten.
Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) hingegen, ist ein bundesweites, technologie- und branchenoffenes Förderprogramm, welches Kooperationen in den Mittelpunkt der Förderung stellt. Zuschüsse werden für anspruchsvolle Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die zu neuen Produkten, technischen Dienstleistungen oder besseren Produktionsverfahren führen, gegeben. Es unterstützt KMUs bei der Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und anderen Unternehmen.
Eine allgemeine Übersicht zum Thema Förderung und Finanzierung gibt es bei der Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Durch Eingabe des Themas oder Fachgebiets erhält man alle Fördermöglichkeiten in der Region auf einen Blick.
Netzwerke und strategische Bündnisse
Kooperationen können vor allem für kleinere Unternehmen interessant sein, indem die Sichtbarkeit und Wahrnehmung des Einzelnen im Verbund erhöht wird. In dem Programm go-cluster des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sind Innovationscluster nach Technologienfeldern aus allen Regionen Deutschlands verzeichnet. Um die Aufnahme in das Exzellenzprogramm kann sich jedes Innovationscluster aus Deutschland bewerben. Die Aufnahme hängt von der Erfüllung der Qualitätskriterien ab.
Die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) zielt darauf ab, gemeinsame Probleme durch gemeinsame Forschungsaktivitäten zu lösen. Gedacht wird dabei an vorgelagerte Forschung zur Produktentwicklung, die oft an der Finanzierung scheitert. Ziel ist es, die Zusammenarbeit von Unternehmen in dieser Phase zu stärken. Projektideen werden von einer Fachjury danach bewertet, ob der Antrag Innovationspotential für die gesamte Branche enthält. Wird ein Projekt bewilligt und erhält Fördergelder, so muss die antragsstellende Forschungsvereinigung die Forschungsergebnisse der Projekte für alle Unternehmen gleichermaßen zugänglich machen. Förderfähig sind wissenschaftlich-technische Forschungsvorhaben, die unternehmensübergreifend ausgerichtet sind.
Zu den bekanntesten Einrichtungen gehört die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie fördert die Grundlagenforschung an Universitäten und Forschungseinrichtungen in Deutschland. KMUs können von der Zusammenarbeit mit diesen Einrichtungen profitieren und in Forschungsprojekte eingebunden werden. Allein im Jahr 2021 förderte die DFG gut 31 600 Projekte mit einer jahresbezogenen Bewilligungssumme von 3,6 Milliarden Euro. Doch trotz aller Förderungsmaßnahmen sieht Storck die Zuwendungen als nicht ausreichend. „Förderprogramme helfen nur punktuell weiter, dienen oft nur der Symptombekämpfung. Ein sinnvoller Ansatz bestünde auch darin, die strukturellen Schwächen gezielt anzugehen. Da ist die Politik an einigen Stellen in der Pflicht“.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
„Horizon Europe“ ist das Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation. Es fördert die Zusammenarbeit von KMUs mit anderen Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Europa. Ziel ist es, Innovationen zu fördern, die neue Märkte schaffen. Mit dem überarbeiteten Programm (vormals Horizont 2020) wurde erstmals ein „Strategischer Planungsprozess“ und „Missionen“ eingeführt. Ersterer ist schwerpunktmäßig auf einen ökologischen und digitalen Wandel ausgerichtet. Das EU-Büro des BMBF führt die Seminarreihe "RPStart" durch, in die grundlegenden Kenntnisse zum Rahmenprogramm Horizont Europa vermittelt werden.
Storck hält den Deutschen Mittelstand allen Unkenrufen zum Trotz weiterhin für sehr stark positioniert und macht Hoffnung: „Nach Möglichkeit müssen hiesige Player immer innovativer sein als die anderen. Hier gibt es gerade in Deutschland viele positive Beispiele. Es gilt, für die Forschung und Entwicklung entsprechende Budgets bereitzustellen, entsprechend auch in die eigenen Mitarbeiter zu investieren – nicht nur monetär, sondern auch emotional. Ferner gilt es, die eigenen Entscheidungen stets selbstkritisch zu hinterfragen. Letztendlich wirken sich all diese Punkte positiv auf den Unternehmenswert aus.“