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Schweden erlaubt Stationierung von NATO-Truppen

Lesezeit: 5 min
10.06.2023 19:55  Aktualisiert: 10.06.2023 19:55
Schweden will die Stationierung von NATO-Truppen erlauben. Zwar ist das Land kein Mitglied der Militärallianz. Doch die Integration verläuft dennoch reibungslos. Denn sie wird seit 30 Jahren vorbereitet.
Schweden erlaubt Stationierung von NATO-Truppen
Ein schwedischer Panzer während des NATO-Manövers "Northern Forest 23" Ende Mai in Finnland, an dem Truppen aus den USA, Großbritannien, Norwegen und Schweden teilnahmen. (Foto: dpa)
Foto: Jouni Porsanger

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"Angesichts der ernsten Lage in unserer Nachbarschaft hat die Regierung beschlossen, dass die Streitkräfte gemeinsam mit der NATO und mit NATO-Mitgliedsländern Vorbereitungen treffen können, um künftige gemeinsame Operationen zu ermöglichen. Diese Vorbereitungen können in der vorübergehenden Stationierung von Ausrüstung und Personal anderer Länder auf schwedischem Gebiet bestehen", sagen Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson und sein Verteidigungsminister Pål Jonson in einem Gastbeitrag für die schwedische Zeitung Dagens Nyheter, der am Freitag veröffentlicht wurde.

In der aktuellen Situation sei die Zusammenarbeit mit der NATO und den NATO-Ländern von zentraler Bedeutung "für unsere Verteidigung, sowohl vor als auch nach dem Beitritt Schwedens", so die Politiker. Das heißt, obwohl die Türkei den Beitritt Schwedens zur NATO weiterhin blockiert, agiert das Bündnis gerade so, als wäre Schweden bereits beigetreten. "Die NATO arbeitet derzeit an der Entwicklung neuer regionaler Pläne, die die Grundlage für eine gemeinsame Verteidigungsplanung bilden und Schweden einbeziehen werden, wenn wir Mitglied werden."

Die Politiker schreiben: "Seit 2015 hat sich die Verteidigungsfähigkeit Schwedens erhöht, und im Vorfeld der schwedischen NATO-Mitgliedschaft ergreifen wir nun Maßnahmen, um die Verteidigung Schwedens weiter zu schützen und zu sichern und unsere gemeinsame Fähigkeit zu erhöhen. Wir hoffen nicht nur auf das Beste, sondern planen auch für den schlimmsten Fall. Im Falle einer Krise oder eines Krieges müssen wir in der Lage sein, die militärischen Ressourcen anderer Nationen schnell auf unser Territorium zu bringen, was Planung, Vorbereitung und Übungen erfordert."

NATO-Stationierung ist Signal an Russland

Und weiter: "Die Tatsache, dass die schwedischen Streitkräfte nun die Möglichkeit erhalten, sich darauf vorzubereiten, und auch die Möglichkeit, ausländische Ausrüstung und ausländisches Personal vorübergehend in Schweden zu stationieren, erhöht unsere Glaubwürdigkeit. Es ist auch ein klares Signal an Russland, dass wir in der Lage sind, militärische Hilfe zu leisten und zu empfangen." Die neuen Möglichkeiten der vorübergehenden Stationierung von NATO-Truppen würden sowohl Schweden als auch die Nachbarschaft sicherer machen.

Am Donnerstag berichtete das Wall Street Journal, dass sich Schweden und Finnland derzeit "reibungslos in die Militärallianz einfügen". Das nordische Duo hatte jahrzehntelang darauf beharrt, dass eine NATO-Mitgliedschaft ihre nationale Sicherheit gefährden würde, weil sie dann Russland zum Feind haben. Doch im vergangenen Jahr nach Russlands Angriff auf die Ukraine vollzogen sie eine abrupte Kehrtwende. Finnland ist dem Bündnis im April beigetreten. Für Schweden hingegen steht die Ratifizierung noch aus.

Dennoch vollziehen beide Staaten derzeit "eine ungewöhnlich schnelle und reibungslose Integration in die NATO-Operationen", so das Wall Street Journal. Möglich wurde dies, weil Beamte bereits seit den 1990er Jahren versucht hatten, ihre Länder so nah an das Bündnis heranzuführen, wie es die öffentliche Meinung zuließ. Die beiden russischen Nachbarstaaten investieren relativ zu ihrer Größe erheblich in ihr Militär. Zudem nehmen das schwedische und das finnische Militär bereits seit 30 Jahren an gemeinsamen Missionen auf NATO-Standard teil.

"Der größte Teil der Sicherheitselite befürwortete den schwedischen NATO-Beitritt, von wenigen Ausnahmen abgesehen", sagt Carl Bildt, ehemaliger schwedischer Ministerpräsident und Außenminister. Im Gegensatz zu Finnland, wo der Widerstand gegen die NATO-Mitgliedschaft auf Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit beruhte, lehnte das schwedische politische Establishment, das jahrzehntelang von den Mitte-Links-Sozialdemokraten dominiert wurde, die NATO-Mitgliedschaft aus ideologischen, kriegsfeindlichen Gründen ab.

Peter Hultqvist, ein ranghoher Sozialdemokrat, der als Verteidigungsminister der Regierung angehörte, die im vergangenen Jahr die schwedische NATO-Bewerbung einreichte - fünf Monate nachdem er im nationalen Fernsehen darauf bestanden hatte, dass das Land niemals der NATO beitreten würde, solange er Minister sei -, bestritt damals, dass seine Partei zu einem NATO-Beitritt gedrängt worden sei. "Als Russland den Krieg gegen die Ukraine begann, sahen wir uns mit einem neuen Sicherheitsumfeld konfrontiert, und wir mussten reagieren", sagte er. "Wir treffen unsere eigenen Entscheidungen."

Die NATO-Bewerbung Stockholms wird seit letztem Jahr von der Türkei aufgehalten, die behauptet, Schweden müsse stärker gegen mutmaßliche kurdische Terroristen im Lande vorgehen. Finnland trat der NATO bei, nachdem es seinen Antrag von dem Schwedens abgekoppelt hatte. Die schwedische Mitgliedschaft war ein zentrales Diskussionsthema auf dem Gipfel der 31 NATO-Außenminister letzte Woche in Oslo. Die Verbündeten üben Druck auf die Türkei aus, damit sie den Beitritt Schwedens noch vor dem nächsten Gipfeltreffen des Bündnisses genehmigt, das am 11. Juli in Litauen beginnt.

Schweden und Finnland: NATO-Beitritt 30 Jahre vorbereitet

Zusammen mit Finnland trat Schweden 1994 der Partnerschaft für den Frieden bei, einem Programm zur Zusammenarbeit zwischen der NATO und Nichtmitgliedsstaaten. Im darauf folgenden Jahr entsandten Schweden und Finnland jeweils ein Bataillon Soldaten zur Unterstützung der ersten größeren Militäroperation der NATO in Bosnien und Herzegowina. Seither haben beide Länder an weiteren NATO-Missionen teilgenommen, unter anderem im Kosovo, in Afghanistan, Irak und Libyen.

Während sich der schwedische Sicherheitsapparat seinen NATO-Kollegen immer mehr annäherte, war die öffentliche und politische Unterstützung im eigenen Land immer noch fest auf die Blockfreiheit ausgerichtet. Als immer wieder Krisen aufflammten, änderte sich diese Ansicht langsam. Nach der russischen Invasion in Georgien im Jahr 2008 machte die schwedische Regierung die Kürzungen beim Militär wieder rückgängig, die einige Jahre zuvor beschlossen worden waren. Im Jahr 2011 schickte sie Kampfflugzeuge zur Unterstützung der NATO-Mission nach Libyen.

"Zu Beginn gab es große Probleme. Wir waren überhaupt nicht interoperabel", sagte Anna Wieslander, Direktorin für Nordeuropa beim Atlantic Council in Stockholm und ehemalige Sekretärin des schwedischen Verteidigungsausschusses. Schweden straffte daraufhin seine Luftwaffe, stellte die Terminologie in allen Dienstgraden von Schwedisch auf Englisch um und änderte die Höhenmaße vom metrischen zum imperialen System. Bereits 2013 verfügten Schweden und Finnland über ständige Einheiten des Heeres, der Luftwaffe und der Marine, die im Rahmen der NATO-Reaktionskräfte einsatzbereit waren.

Nach Ansicht von Generalleutnant a.D. Anders Silwer, einem ehemaligen schwedischen Chef für gemeinsame Operationen, hat die schwedische Öffentlichkeit wahrscheinlich nicht die ganze Tiefe der Beziehungen ihres Landes zur NATO verstanden. Etwa die Hälfte der schwedischen Offiziere und Unteroffiziere habe bei NATO-Operationen gedient, sagte er. Ehemalige finnische Beamte sagten, es sei ein bewusster Plan gewesen, die Streitkräfte des Landes so interoperabel wie möglich mit den US- und NATO-Systemen zu machen, damit sie sich leicht integrieren lassen, wenn die Mitgliedschaft eines Tages Realität wird.

"Als die Entscheidung für einen Beitrittsantrag getroffen wurde, waren die Öffentlichkeit und auch die politische Führung überrascht, dass Finnland so weit war", zitiert das Wall Street Journal den ehemaligen finnischen Verteidigungsminister Jarmo Lindberg. Und der ehemalige finnische Ministerpräsident Alexander Stubb sagte: "Es war ein langer Weg bis zur NATO-Mitgliedschaft, und irgendwann während dieses langen Weges haben Leute wie ich, die für die NATO-Mitgliedschaft eingetreten waren, die Hoffnung verloren, dass es dazu kommen würde."

Als der internationale Kampfeinsatz in Afghanistan 2014 auslief, gingen Schweden und Finnland neue NATO-Partnerschaften ein. Im Jahr 2014 wurden sie neben Australien, Georgien und Jordanien so genannte Enhanced Opportunities Partners, die ihre Streitkräfte mit NATO-Systemen interoperabel machen sollen. Die Ukraine trat hier 2020 bei. Im Jahr 2017 traten sie der von Großbritannien geführten Joint Expeditionary Force bei und waren damit die einzigen beiden Mitglieder der zehn Staaten umfassenden Truppe, die nicht der NATO angehörten.

Was Finnland von Schweden unterscheidet

"Die NATO wurde offener und inklusiver gegenüber Partnern, die Truppen zur Verfügung stellen", sagte Veronika Wand-Danielsson, die von 2007 bis 2014 schwedische NATO-Botschafterin war und sich engagiert für eine Mitgliedschaft ihres Landes in dem Militärbündnis einsetzte. Während ihrer Amtszeit verstärkte Schweden im Jahr 2008 seine Präsenz in Brüssel mit einer vollwertigen NATO-Delegation - "ein klares Signal der konservativen schwedischen Regierung, dass den Beziehungen zur NATO eine höhere Priorität eingeräumt werden sollte", sagte sie.

Auch Carl Bildt, von 2006 bis 2014 schwedischer Außenminister, strebte eine NATO-Mitgliedschaft seines Landes an, auch weil schwedische Soldaten unter dem Kommando der NATO in Kriegsgebieten dienten und starben, während Schweden keinen Anteil an den Entscheidungen des Bündnisses hatte. Nach und nach wurden die schwedischen NATO-Botschafter lauter. Zwar war es amtierenden Botschaftern nicht gestattet, sich direkt für die NATO-Mitgliedschaft einzusetzen, aber einige von ihnen taten dies, nachdem sie in den Ruhestand getreten waren. "Dies war Teil der intellektuellen Vorbereitung" auf den Beitritt, so Bildt.

In Finnland hingegen bewegten sich die Menschen schneller als die Politiker. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine ließ die Unterstützung der finnischen Öffentlichkeit von etwa 20 Prozent vor dem Krieg auf 82 Prozent ansteigen, als das Land offiziell den Antrag stellte. "Es war nicht die politische Elite, die Finnland in die NATO geführt hat. Es war die Öffentlichkeit, die die Elite zu einem Meinungsumschwung gedrängt hat", sagte Stubb, der ehemalige finnische Ministerpräsident.

In Schweden stieg die Unterstützung für einen NATO-Beitritt im gleichen Zeitraum von 37 Prozent auf 58 Prozent, also in weitaus geringerem Maße als in Finnland. Im schwedischen Parlament stimmten 269 Abgeordnete für den Gesetzesentwurf zum schwedischen NATO-Beitritt, nur 37 stimmten dagegen. Seitdem ist die öffentliche Unterstützung seitdem auf 67 Prozent gestiegen. "Die politische Führung hat die Bevölkerung mehr oder weniger hinter sich hergezogen", sagte Silwer, der frühere schwedische Chef für gemeinsame Operationen.


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