Offene Immobilienfonds sind sehr beliebt. Insgesamt haben die Deutschen 132 Milliarden Euro in den Fonds geparkt. Das entspricht einem Zehntel aller in offenen Publikumsfonds investierten Gelder und knapp 2 Prozent des gesamten Geldvermögens der Privathaushalte (einschließlich Wertpapiere, Bankguthaben und Versicherungsansprüche).
Aktuell befinden sich die Fonds aber in unruhigem Fahrwasser: Denn sie investieren zu einem überwiegenden Teil in gewerblich genutzte Immobilien in Westeuropa wie Einkaufscenter, Hotels oder Büros. Bloß 4,3 Prozent der angelegten Gelder stecken laut dem Fondsverband BVI in Wohnimmobilien. Die Preise von Gewerbeimmobilien sind aber in Deutschland und anderswo aufgrund der steigenden Leitzinsen deutlich gefallen. Außerdem gibt es weniger Nachfrage nach Büros aufgrund des Trends zum Homeoffice.
Die Preise, zu denen die Kapitalverwaltungsgesellschaften die Anteile zurücknehmen, spiegeln den Abschwung an den Immobilienmärkten aber noch nicht wider. Sie sind zuletzt sogar weiter gestiegen. Grund ist, dass zwei voneinander unabhängige Gutachter das Immobilienvermögen vierteljährlich bewerten und keine Marktpreisfindung stattfindet – im Gegensatz zu etwa Aktienfonds.
Schon einmal gab es eine Vertrauenskrise
Die Gefahr: Wenn sehr viele Anleger das Vertrauen verlieren und ihre Anteile zurückgeben, wären die offenen Immobilienfonds womöglich gezwungen, Immobilien zu relativ geringen Preisen zu verkaufen. Das passierte etwa im Anschluss an die Finanzkrise 2008, als viele der Fonds die Anteilsrücknahme aussetzen mussten und nach jahrelanger Schließung schließlich mit teils herben Verlusten für die Anleger abgewickelt wurden.
Der Anlegerschützer Daniel Bauer befürchtet gleichwohl ein Szenario wie nach der Finanzkrise 2008 aktuell nicht. „Die Anteilsinhaber können heute nicht mehr wie damals die Anteile sämtlich sofort zur Rückgabe einreichen, sondern es gibt Wartezeiten und Rückgabebeschränkungen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger gegenüber DWN. Daher dürfte eine Illiquidität heute nicht mehr drohen.
„Kursverluste sind aber nicht auszuschließen“, fährt der Münchner fort. Denn geringe Nachfrage nach Büroimmobilien, Sanierungskosten und steigende Zinsen dürften am Wert der Immobilien „nicht spurlos“ vorbeigehen.
Aktuell werden Anteile an der Börse mit Abschlägen von rund 10 Prozent gehandelt. Etwa liegt der Rücknahmepreis beim größten entsprechenden Fond aus Deutschland, Deka Immobilien Europa, bei 47,81 Euro. An der Börse erhalten Anleger aber nur 42,76 Euro (-10,6 Prozent). Ähnlich hoch sind die Abschläge bei den Fonds Hausinvest (-12,5 Prozent) und Uniimmo Deutschland (-11,5 Prozent), die jeweils ein Fondsvermögen über 15 Milliarden Euro aufweisen.
Der Portfoliomanager Andreas Beck von Index Consulting beobachtet für seine Kunden die Immobilienmärkte. Er lässt gegenüber DWN die Frage offen, ob sich ein Szenario wie 2008 wiederholen könnte. „Zu hohe Bewertungen der Immobilien in den Fonds schlagen als Risiko erst zu, wenn die offenen Immobilienfonds aufgrund von Mittelabflüssen zu Immobilienverkäufen gezwungen werden“, schreibt er. Investoren könnten allerdings nicht mehr so rasch Geld aus den Fonds abziehen, denn die Regeln wurden nach der Finanzkrise geändert. „Alles passiert jetzt in Zeitlupe.“
Kritik an der Reform von 2013
Der Gesetzgeber hat im Jahr 2013 eine Mindesthaltedauer und Rückgabefristen eingeführt. Wer seither Anteile kauft, muss diese mindestens zwei Jahre halten und eine Rückgabe bereits ein Jahr vorher bei der Kapitalverwaltungsgesellschaft unwiderruflich anmelden. Dann erhält er allerdings nicht den aktuellen Rücknahmepreis, sondern den in einem Jahr gültigen Rücknahmepreis.
Die Fristen sollen eine Schließungswelle wie nach der Finanzkrise 2008 verhindern. Kritiker sprechen hingegen von einem „Mini-Reförmchen“ und sehen weiter die grundsätzliche Möglichkeit, dass sich ein Szenario wie 2008 wiederholen könnte.
Laut der Ratingagentur Scope lässt sich noch nicht beziffern, wie sehr rückläufige Immobilienpreise die Performance der Fonds belasten werden. „Die Transaktionen an den Gewerbeimmobilienmärkten sind nahezu zum Erliegen gekommen“, heißt es in einer aktuellen Mitteilung. Die Preisfindung sei daher noch nicht abgeschlossen und mögliche Entwicklungen seien noch nicht in den Immobilienfonds eingepreist.
Gleichwohl erwartet die Ratingagentur in der Summe keine Vermögensabflüsse. „Für 2023 erwartet Scope weiter zurückgehende Mittelzuflüsse, rechnet aber aktuell über alle Fonds noch mit einem insgesamt positiven oder zumindest ausgeglichenem Netto-Mittelaufkommen. Einige Produkte werden jedoch Abflüsse verkraften müssen.“
Für die Fonds spreche die relativ hohe Vermietungsquote (durchschnittlich 94,1 Prozent zum Jahresende 2022) und die relativ hohe Liquiditätsquote (durchschnittlich 14,6 Prozent zum Jahresende 2022). Viele Fonds hätten einen Liquiditätspuffer, um etwaige Anteilsrückgaben zu bedienen.
Außerdem bestünden die Portfolios zu drei Vierteln aus Objekten, die vor der Höchstpreisphase in den Jahren 2019 bis 2022 erworben wurden. „Diese Objekte sind überwiegend konservativer bewertet.“ Die durchschnittliche Fremdkapitalquote sei relativ gering (15,3 Prozent zum Jahresende 2022) und liege deutlich unter der erlaubten Höchstgrenze von 30 Prozent. „Das bietet Spielraum für weitere Finanzierungen, sollte zusätzlich Liquidität benötigt werden“, schreibt Scope.
Sollte man Anteile verkaufen?
Andreas Beck sieht gleichwohl alle Warnzeichen als gegeben an, aufgrund derer Anleger einen Verkauf von Anteilen zumindest erwägen sollten. „Immobilienaktien sind 60 Prozent eingebrochen, die Refinanzierungskosten haben sich vervierfacht, der Markt steht mitten in einer Neubewertung – nur offene Immobilienfonds sind weiter im Wert gestiegen, als wäre nichts gewesen.“
Gleichwohl könne man keine allgemeine Empfehlung geben, sagte er kürzlich in einem Interview. Es würden auch Gründe für das Halten von Anteilen sprechen, etwa die hohen Vermietungsquoten und die gesunkene Verschuldung vieler Fonds. Außerdem könnte der Druck auf die Immobilienpreise sinken, falls die Notenbanken die Zinsen bald wieder senken sollten. „Die Zentralbanken sehen das natürlich auch“, sagte er über den Abschwung an den Immobilienmärkten und die generellen Folgen davon.
Laut dem Honorar-Finanzanlagenberater Klaus Porwoll von Pecuniars ist es für Privatanleger nicht einfach zu beurteilen, wie solide ein offener Immobilienfonds aufgestellt ist. „So bestehen Liquiditätsrisiken oder das Risiko, dass einzelne Objekte zu teuer gekauft wurden“, erklärt der Berliner gegenüber DWN. Anleger sollten prüfen, wie breit gestreut ein entsprechender Fonds über Regionen, verschiedene Objekte und Nutzungsarten investiere.
Bei offenen Immobilienfonds mit Schwerpunkt Gewerbeimmobilien müsse man aktuell „sicherlich vorsichtiger“ sein. Die Gewerbeimmobilienpreise würden nicht bloß aufgrund der gestiegenen Bauzinsen sinken, sondern es gäbe auch strukturelle Probleme wie den Trend zum Homeoffice und zum Onlineshopping. „Möglicherweise ist hier ein Verkauf die bessere Entscheidung“, erklärt Porwoll. Eine allgemeine Aussage sei aber schwierig.
Langfristig würden offene Immobilienfonds zwar recht stabile, aber sehr geringe Renditen abwerfen. „Hier kann es sich lohnen, über Alternativen wie Immobilienaktien oder REITs nachzudenken.“ Letztendlich sei aber auch immer die Risikobereitschaft des Anlegers entscheidend.
Laut den Berechnungen eines Vermögensberaters rentierten die drei größten offenen Immobilienfonds aus Deutschland deutlich schlechter als ein Immobilienaktien-ETF. Demnach lag die jährliche Nominalrendite zwischen 2,2 bis 2,7 Prozent für den Zeitraum von 2004 bis 2021. Ein Immobilienaktien-ETF mit ähnlicher regionaler Streuung stieg im gleichen Zeitraum um 8,8 Prozent pro Jahr.