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Intel-Chipfabrik: Auf Irrwegen

Und jetzt klopfen sich alle auf die Schulter und versichern sich ihrer Großartigkeit: ein internationaler Konzern kommt nach Magdeburg, schafft dort ein Werk für Halbleiter. Alles wunderbar? Eben nicht.
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20.06.2023 15:04
Aktualisiert: 20.06.2023 15:04
Lesezeit: 3 min
Intel-Chipfabrik: Auf Irrwegen
Bagger an der zukünftigen Baustelle für das Intel-Werk in Magdeburg. (Foto: dpa)

Tatsächlich zeigen die Begleitumstände um die Ansiedlung von Intel vor den Toren der Landeshauptstadt Magdeburg eher, woran es Deutschland gegenwärtig fehlt. Zuerst fehlt es an Bewusstsein und gedanklicher Klarheit darüber, was Marktwirtschaft eigentlich ist.

Sowohl der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Kellner, aber auch andere Verantwortliche, haben den Einsatz der Subventionen in der beinahe astronomischen Höhe von zehn Milliarden Euro damit zu rechtfertigen versucht, dass der Förderung von Intel eine „strategische Bedeutung“ zukomme. Damit beweisen sie nur höchst eindrucksvoll, dass sie Ludwig Erhard entweder nicht gelesen oder nicht verstanden haben.

Die Lehren der Ordnungspolitik

Die Gedanken Erhards gehen zurück auf das, was in der Ökonomie die „Freiburger Schule“ oder die „Ordnungspolitik“ genannt wird. Zentral dabei ist bei den Gedanken der Vertreter dieser Schule, dass dem Staat die Rolle zukommt, den ordnungspolitischen Rahmen für den Markt zu setzen. Dabei komme, so Ludwig Erhard, dem Staat ähnlich wie bei einem Fußballspiel die Rolle eines Schiedsrichters zu, nicht die eines Torschützen. Doch genau diese Rolle nimmt ein Staat ein, wenn er beschließt, welche Industrie oder welches Unternehmen gar eine „strategische Bedeutung“ habe.

Nichts anders aber geschieht jetzt in Magdeburg. Einem Unternehmen, das die Schaffung von gerade 3.000 Arbeitsplätzen verspricht, werden knapp zehn Milliarden Euro an Subvention versprochen, auf dass es nach Deutschland kommt. Diese zehn Milliarden aber beschreiben präzise auf Cent und Euro genau die gegenwärtige Attraktivitätslücke Deutschlands für Investoren.

Ziel einer ordnungspolitisch fundierten Politik muss es im Gegenteil sein, die allgemeinen Investitionsbedingungen für alle Unternehmen so zu gestalten, dass Deutschland für Investoren attraktiv ist. Nur: Genau daran fehlt es. Die Bildung – eine einzige Misere; Züge, die kaum fahren; Brücken vor dem Einsturz; eine nicht selten dysfunktionale Verwaltung; eine rudimentäre Digitalisierung. Aber dafür leisten wir uns hohe Steuern und Abgaben und satte Energiepriese. Noch Fragen?

Kaum eine Sonntagsrede in Deutschland, in der Politiker nicht die Bedeutung des Mittelstands für den heimischen Standort lobpreisen. Doch das werktägliche Handeln sieht anders aus. Seit Jahren klagt der Mittelstand, dass sich die Bedingungen verschlechtern, dass Unternehmer mit immer mehr bürokratischen Hemmnissen malträtiert werden. Doch es geschieht – nichts. Dass inzwischen ein erheblicher Teil der bürokratischen Marterwerkzeuge, mit denen unsere Unternehmer geschunden werden, ihren Ursprung in Brüssel haben, macht die Sache nicht besser.

Negativ-Ergebnisse der Industrielenkung

Die Ergebnisse staatlicher Industrielenkung mithilfe von Subventionen lassen sich genau studieren – und sie sind fast durchweg negativ. Über Jahrzehnte hinweg und mit Milliardensummen haben Nordrhein-Westfalen und das Saarland versucht, ihren Bergbau zu erhalten. Ergebnis: Millionen wurden verbrannt, der überfällige Strukturwandel verzögert – und dem Bergbau nicht geholfen. Über Jahre hinweg haben die Küstenländer versucht, ihren Schiffbau zu erhalten. Ergebnis: Milliarden wurden verbrannt, der Strukturwandel verzögert, dem Schiffbau nicht geholfen. Und so geht es weiter. Sachsen-Anhalt hatte schon einmal versucht, Solarindustrie in seinem Bundesland anzusiedeln. Natürlich mit erheblichen Subventionen, natürlich mit bekanntem Ergebnis.

Dabei sollte uns ein europäischer Vergleich zu denken geben. Unser Nachbar Frankreich versucht seit Jahr und Tag, durch staatliche Industrielenkung seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Das Ergebnis ist deutlich: Gerade eben hat die Ratingagentur Fitch Frankreichs Rating herabgestuft. Angesichts einer massiven Staatsverschuldung von 110 Prozent des Bruttoinlandprodukts wachsen die Zweifel, ob Frankreich seine Schulden in den Griff bekommt. Tatsächlich hat zwar Frankreich durchaus einige international bedeutende Großkonzerne, doch ein nennenswerter Mittelstand fehlt. Ergebnis: Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Gesamt-Wirtschaftsleistung liegt in Frankreich bei gerade 16,8 Prozent, in Deutschland jedoch bei 26,6 Prozent. Warum Deutschland einen Weg gehen soll, der im Ergebnis zu weniger verarbeitendem Gewerbe, aber dafür zu höheren Schuldenlasten führt, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.

Zeit für eine Umkehr

Es ist Zeit, dass sich unsere politische Klasse darauf zu besinnt, was dieses Land einmal groß gemacht hat. Es waren unter anderem die richtigen ökonomischen Lehren der Ordnungspolitik. Der große Ökonom und Sozialphilosoph Friedrich-August von Hayek hat einmal treffend beschrieben, dass es immer das Ziel einer Wettbewerbsordnung sein müsse, Wettbewerb möglich zu machen. Indem aber Branchen oder gar Unternehmen als strategisch bedeutend erklärt und mit Subventionen gemästet werden, wird das genaue Gegenteil erreicht: Der Markt wird verzerrt, Wettbewerb unterbunden. Es ist Zeit, dass Deutschland diesen Irrweg verlässt. Je früher, desto besser.

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