Im milliardenschweren VW-Anlegerprozess hat das Oberlandesgericht Braunschweig den Eintritt in die Beweisaufnahme beschlossen. 86 Zeugen und eine Vielzahl von Dokumenten, die von den Beteiligten vorzulegen seien oder von dritter Seite angefordert würden, sollten Aufschluss über die Abläufe vor Bekanntwerden des Dieselskandals vor fast acht Jahren geben, teilte das Gericht am Freitag mit.
Der Beschluss umfasse 85 Beweisfragen. Diese beträfen vor allem die gegensätzlichen Behauptungen der Beteiligten zur Kenntnis der Mitglieder des Vorstands oder anderer Ad-hoc-Verantwortlicher der Volkswagen AG vom Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung vor Mitte 2015. Die Beweisaufnahme soll im September beginnen.
Institutionelle Anleger wollen Schadenersatz
Die Namen der Zeugen nannte das Gericht in seiner Pressemitteilung nicht. Im Mai hatte der 3. Zivilsenat bereits mitgeteilt, er wolle Mitglieder des ehemaligen Konzernvorstands vernehmen. Angesichts der zu erwartenden umfangreichen Zeugenvernehmungen hatte das Gericht den Verfahrensbeteiligten im Vorfeld empfohlen, einen Vergleich zu prüfen. Der nun gefasste Beweisbeschluss lässt vermuten, dass solche Gespräche bisher zu keinem Ergebnis geführt haben.
Das Oberlandesgericht verhandelt seit mehr als vier Jahren über eine Musterklage der Fondsgesellschaft Deka Investment der Sparkassen wegen erlittener Kursverluste durch den VW-Dieselskandal. Die Kläger – zumeist institutionelle Anleger – werfen Volkswagen und dessen ebenfalls beklagtem Hauptaktionär Porsche SE vor, die Information über den Abgasskandal lange geheim gehalten und ihnen dadurch einen Wertverlust ihrer Aktien eingebrockt zu haben. Dem hält Volkswagen entgegen, die Kursrelevanz sei erst durch die Veröffentlichung der US-Umweltbehörde EPA am 18. September 2015 erkennbar geworden.
Die Summe der Anleger-Forderungen beläuft sich auf insgesamt neun Milliarden Euro. Davon liegen Forderungen von etwa der Hälfte beim Landgericht Braunschweig. Die Kläger können im Fall eines Urteils zugunsten der Deka ihre Ansprüche dort durchsetzen. Die EPA hatte dem Konzern damals eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar angedroht. Die Wiedergutmachung des Abgasskandals, vor allem Bußgelder, Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten, hat Volkswagen bisher mehr als 32 Milliarden Euro gekostet.