Die Verkürzung der Arbeitswoche auf vier Tage wünschen sich aktuell mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten. Die Gründe dafür sind ähnlich, doch die Einstellung, ob auf Gehalt dabei verzichtet werden sollte, variiert nach dem Alter. Andere Länder haben gute Erfahrungen mit der Vier-Tage-Woche gemacht.
Die meisten Deutschen wünschen sich eine verkürzte Arbeitswoche
Vielleicht gehören unsere aktuellen Arbeitszeitmodelle bald zu Relikten aus längst vergangenen Zeiten. Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. „Digitale Nomaden“ und „New Work“ sind bereits Begriffe, die dem Umbruch ein wenig die Richtung vorgeben. Eine vier Tage Woche würde sich in diese Form der neuen Arbeitswelt gut einreihen. Die meisten Menschen befürworten eine Verkürzung der Arbeitszeit, dass haben Umfragen bereits ergeben.
Mehr als drei Viertel aller Berufstätigen in Deutschland wünschen sich demnach eine Verkürzung der Arbeitszeit, sprich eine Vier-Tage-Woche. Dabei sind die Jüngeren begeisterungsfähiger dafür als ältere Angestellte. Auch die Einstellung zum Gehalt spielt beim Alter eine Rolle. Jüngere würden eher Gehaltseinbußen in Kauf nehmen als Ältere, wenn sich die Arbeitszeit verkürzt.
Auch eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Hier sind es knapp 81 Prozent, die eine Vier-Tage-Woche befürworten. Doch auch hier wollen die meisten nicht auf Geld verzichten. Nur acht Prozent wären bereit ihre Arbeitszeit auch dann zu reduzieren, wenn sie auf Lohn verzichten müssten. Im Grunde genommen fehle es den meisten Menschen an persönlicher Zeit, schlussfolgern die Studienleiter Dr. Yvonne Lott und Dr. Eike Windscheid vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in der Studie, weshalb der Wunsch nach einer kürzeren Arbeitszeit so beliebt sei.
Mehr Zeit zu haben für Familie, Hobbies, Sport oder Ehrenamt sind die wesentlich genannten Gründe. Dies leuchtet ein. Denn Schließzeiten von öffentlichen Einrichtungen, Institutionen oder Arztpraxen sind bis heute nicht gut auf die vorherrschende Arbeitswelt abgestimmt. Museen, die unter der Woche um 17 Uhr schließen oder Ämter und Behören, die ebenfalls bereits kurz nach Mittag nicht mehr erreichbar sind, erschweren die Situation der Arbeitnehmer. Nicht selten müssen viele aktuell noch Urlaub nehmen, wenn sie ein Auto ummelden oder einen neuen Pass beantragen möchten. Die lange Wartezeit ist dabei noch ein anderes Thema. Personalmangel, ungünstige Öffnungszeiten und fehlende Digitalisierung für Vorgänge, die man gut online erledigen könnte, zehren von der Freizeit. Und im Freizeitsegment fehlt oft von den Betreibern der Einrichtungen das Verständnis dafür, wann die Bevölkerung Zeit für eigene Aktivitäten hat, nämlich meistens abends unter der Woche. So wundert es demnach nicht, dass sich viele eine Veränderung, in die eine oder andere Richtung wünschen, um hier eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit, der sogenannten Work-Life-Balance, zu schaffen. Eine verkürzte Arbeitswoche könnte außerdem eine Extraportion Erholung bedeuten, die ein wesentliches Element unterstützen würde: mehr Schlaf.
Fachkräftemangel versus kürzere Arbeitszeit – ein Dilemma?
In Zeiten von Fachkräftemangel ist es vielleicht der falsche Zeitpunkt, um nach verkürzten Arbeitszeiten zu fragen. Doch auch hier widerlegen die Ergebnisse, dass es sich nicht ausschließen muss. Im Gegenteil: Sofern Arbeitsprozesse angepasst werden, kann sowohl das individuelle Wohlbefinden als auch die betriebliche Produktivität gleichzeitig gesteigert werden. Der Trend hoher Kündigungsraten kann gestoppt und sogar ins Gegenteil verkehrt werden, zeigen Evaluationen wie von Schor aus dem Jahr 2022. Nicht nur Privates und Berufliches lassen sich besser verbinden, es führt auch zu einer Verminderung von Unfällen, Erkrankungen und Fehlzeiten.
Wer reduzierte Arbeitszeit als Geschenk oder Privileg sieht und nicht als Recht, hat gegenüber seinem Arbeitgeber eine andere Einstellung. Dies zumindest brachten Ergebnisse aus einer neuseeländischen Studie zutage. Die Bereitschaft gegenüber dem Unternehmen loyaler zu sein stieg, die Angestellten waren viel eher bereit, die „Extrameile“ zu gehen, wenn es notwendig war.
Seit der Corona-Pandemie und der Zunahme am Homeoffice-Anteil hat sich die Arbeit, mehr als je zuvor, in unser privates Zuhause verlagert. Eine Verschiebung oder gar Aufhebung der traditionellen Kernarbeitszeiten von 9.00 bis 17.00 Uhr ist die Folge. Gearbeitet wird zunehmend auch am Abend oder am Wochenende. Wer seine Arbeit zuhause hat, läuft Gefahr schlechter abschalten zu können – auch am Wochenende. Eine dauerhafte Erreichbarkeit, wie sie durch Mobilfunk und Computer unterstützt wird, kann zu einem Burnout führen. Portugal hat deswegen sein Arbeitsrecht seit 2022 geändert. Nach den neuen Vorschriften machen sich Arbeitgeber strafbar, wenn sie außerhalb der Bürozeiten Kontakt zu ihren Arbeitnehmern aufnehmen. Die Änderungen des portugiesischen Arbeitsrechts haben jedoch Grenzen: Sie gelten nicht für Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten.
Forscher der University of Pittsburgh School of Medicine fanden heraus, dass das Wochenende als Erholungseinheit für die Gesundheit und dem Wohlbefinden eher abträglich ist. Der typische Wochenendzyklus, bei dem man länger aufbleibt und länger schläft, bevor man innerhalb von nur 48 Stunden wieder zur Arbeit zurückkehrt, stellt eine größere Belastung für den Körper dar und störe den Rhythmus und auch den Schlafzyklus. Auch stellten die Forscher einen starken Zusammenhang fest, zwischen langen Arbeitszeiten und einer höheren Wahrscheinlichkeit psychische Erkrankungen und andere gesundheitliche Probleme zu entwickeln. Verkürzte Arbeitszeiten im Rahmen einer 4-Tage-Woche besitzen damit nicht nur das Potenzial, wirtschaftliche Wertschöpfung, sondern auch soziale Sicherung zu stabilisieren und die Sozialversicherungssysteme zu entlasten. Wer weniger krank ist, muss auch weniger zum Arzt!
Gute Erfahrungen aus dem Ausland
Bereits im März 2018 hat das neuseeländische Unternehmen Perpetual Gardian ein Experiment mit der Vier-Tage-Woche durchgeführt und mit Hilfe der University of Technology die Ergebnisse ausgewertet. Die Teams bei Perpetual hatten einen Monat Zeit, sich vorzubereiten und Produktivitätsmaßnahmen zu ergreifen. Die Ergebnisse überzeugten. Das Stressniveau der Mitarbeiter sank um 7 Prozent und 78 Prozent gaben an, dass sie ihr Berufs- und Privatleben besser unter einen Hut bringen konnten, während es vor dem Versuch nur 54 Prozent waren. Auch gab es keinen Leistungseinbruch.
Die Planungsphase vor der Studie wirkte sich ebenfalls positiv auf das Verhalten der Mitarbeiter am Arbeitsplatz aus. Die qualitative Analyse der Studie ergab, dass die Planungsgespräche vor der Studie tatsächlich dazu führten, dass mehr Mitarbeiter neue Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz am Arbeitsplatz einführten. Zu diesen produktivitätssteigernden Maßnahmen gehörten die Automatisierung manueller Prozesse, kürzere und gezieltere Besprechungen, die Kombination von Essenspausen mit Arbeitsaufgaben und der Verzicht auf nicht arbeitsbezogene Internetnutzung. Außerdem wurde ein höheres Maß an Teamwork und Zusammenarbeit festgestellt.
Mehrere Regierungen, darunter Portugal, Belgien, Spanien und die Vereinigten Arabischen Emirate, haben Gesetze erlassen, die es den Arbeitnehmern erlauben, weniger Tage pro Woche zu arbeiten. In anderen Ländern wie Irland, Japan, USA, Kanada oder Neuseeland wurden hierzu Studien durchgeführt. In Island wurde die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden auf 35 Stunden an vier Tagen in der Woche verkürzt. Fälle von Burnout, Krankheitsurlaub und Stress gingen zurück. Britische Unternehmen, die die Vier-Tage-Woche sechs Monate lang erprobt haben, erwägen nun, sie dauerhaft einzuführen, nachdem sie das Experiment als „äußerst erfolgreich“ bezeichnet haben.