Finanzen

Ende der Null-Zins-Politik kommt bei den meisten Sparern nicht an

Lesezeit: 2 min
24.07.2023 10:53  Aktualisiert: 24.07.2023 10:53
Vor einem Jahr beendete die EZB die Zeit von Null- und Negativzinsen im Euroraum. Seither hat die Europäische Zentralbank die Zinsen acht Mal in Folge erhöht. Doch nicht alle Sparer profitieren davon.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Ein Jahr nach dem Auftakt der rasanten Zinswende im Euroraum gehen Sparer bei jeder fünften Bank in Deutschland nach wie vor leer aus. Bei 141 von 738 Geldhäusern in der aktuellen Auswertung des Vergleichsportals Verivox gibt es auf Tagesgeld nach wie vor Nullzinsen (Stand 20. Juli 2023).

Fast alle Kreditinstitute hätten ihre Negativzinsen nach dem Wegfall der EZB-Strafzinsen auf Bankeinlagen zügig abgeschafft, ordnete Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH ein. „Doch auch ein ganzes Jahr später und nach mittlerweile acht Leitzinserhöhungen in Folge bietet ein beträchtlicher Teil der Banken Sparern auf dem Tagesgeldkonto noch immer überhaupt keine Verzinsung.“

Sparer sind bei Zinserhöhungen außen vor

Getrieben von der extrem hohen Inflation hatte die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli 2022 erstmals seit elf Jahren die Zinsen im Euroraum wieder erhöht. Denn höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken kann. Inzwischen liegt der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB besorgen können, bei 4,0 Prozent.

Den Negativzins auf Einlagen, die Banken bei der Notenbank parken, schafften die Euro-Währungshüter vor einem Jahr ab. Inzwischen bekommen Banken wieder 3,5 Prozent Zinsen auf Einlagen. Für die nächste EZB-Sitzung am Donnerstag (27. Juli) ist eine weitere Zinserhöhung angekündigt.

Die beispiellose Zinswende hat Spargelder für Banken und Sparkassen wieder attraktiv gemacht. Viele Institute werben mit immer neuen Zinsangeboten um Gelder. Der Durchschnittszins bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote liegt der Verivox-Berechnung zufolge aktuell bei 1,31 Prozent.

Vor einem Jahr lagen die Zinsen nur knapp über der Nulllinie: bei 0,05 Prozent Anfang August 2022. Festgeld mit zwei Jahren Laufzeit bringt demnach bei bundesweit aktiven Banken im Schnitt derzeit 2,96 Prozent. Das ist fast vier Mal so viel wie Anfang August 2022 (0,82 Prozent).

Nullzinsen auf Tagesgeldkonten sind der Verivox-Auswertung vor allem unter regional tätigen Geldhäusern noch weit verbreitet: Von 350 Genossenschaftsbanken weisen 80 demnach für eine Anlagesumme von 10 000 Euro einen Tagesgeldzins von 0,00 Prozent aus. Das ist fast jedes vierte Institut (23 Prozent) aus der Gruppe der Volks- und Raiffeisenbanken sowie der PSD- und Sparda-Banken. Bei den Sparkassen gehen Tagesgeldanleger bei 58 von 309 Instituten leer aus, das ist ein Anteil von rund 19 Prozent.

Sparkassen spekulieren auf Kundentreue

„Um sich im Konkurrenzkampf um Spargelder zu behaupten, sehen sich die deutschlandweit tätigen Geldhäuser gezwungen, ihre Konditionen immer wieder nachzubessern“, analysierte Maier. „Sparkassen und Volksbanken spekulieren hingegen viel stärker auf die Treue ihrer Kunden.“

Auch die Bundesbank kam jüngst in einer eigenen Analyse zu dem Schluss, dass sich Banken bei der Weitergabe der EZB-Zinserhöhungen an Sparer teils mehr Zeit lassen als in der Vergangenheit. Verbraucherschützer aus mehreren Bundesländern forderten kürzlich Sparkassen auf, „Einlagen von Verbraucherinnen und Verbrauchern in Höhe der gesetzlichen Einlagensicherung anzunehmen und zu verzinsen“.

Bei einer Tagung Anfang Juli wehrten sich Bankenvertreter gegen Vorwürfe, die gestiegenen Zinsen würden zu zögerlich an Sparerinnen und Sparer weitergegeben. „Wir haben die Kunden faktisch zum ganz überwiegenden Teil über viele Jahre vor Negativzinsen geschützt“, sagte etwa der Co-Chef des genossenschaftlichen Spitzeninstituts DZ Bank, Cornelius Riese. Nach dem „Paradigmenwechsel“ der rasanten Zinswende brauche der Bankensektor „jetzt auch eine gewisse Anpassungsphase, bis das System wieder im Gleichgewicht ist“. (dpa)


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Panorama
Panorama Privater Gebrauchtwagenmarkt: Diese Vorteile bieten Privatkäufe für Käufer und Verkäufer
23.12.2024

In einer aktuellen Analyse haben die Experten des Internetportals AutoScout24 den Privatmarkt für Gebrauchtwagen untersucht. Laut einer...

DWN
Politik
Politik Steuerverschwendung: Regierung verschleudert massiv Steuergelder auch ans Ausland - ohne jede Prüfung
23.12.2024

Angeblich muss die Politik künftig unbegrenzt Schulden machen, weil der Staat zu wenig Geld hat: Doch Deutschland hat kein...

DWN
Politik
Politik Trump will Panama-Kanal und Grönland
23.12.2024

Trump zeigt sich auf dem AmericaFest kampfbereit. In einer Rede voller provokanter Forderungen greift er zentrale Themen seiner kommenden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Industrien retten: Hubertus Heils Strategien gegen Konjunkturkrise und Arbeitsplatzverlust
23.12.2024

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht in der aktuellen Konjunkturkrise eine massive Gefahr für die industrielle Basis...

DWN
Panorama
Panorama Überraschender Kulturwandel: Liebe zum Bargeld schwindet immer mehr
23.12.2024

Es gleicht einem Erdbeben. Aber auch die Deutschen scheinen die Vorzüge von Plastikkarten beim Zahlen und einlaufen zu schätzen. das...

DWN
Finanzen
Finanzen Antizyklisches Investieren: Lässt sich damit der Markt schlagen?
23.12.2024

Wer antizyklisch investiert, macht das Gegenteil dessen, was die meisten Anleger tun. Ist dabei eine höhere Rendite zu erwarten als bei...

DWN
Politik
Politik Und noch ein europäischer Alleingang: Fico zu Gesprächen mit Putin im Kreml
23.12.2024

Der slowakische Regierungschef Fico zeigt mit einem Überraschungsbesuch im Kreml, dass die EU-Front gegen Russlands Präsidenten Putin...

DWN
Panorama
Panorama Amokfahrt von Magdeburg: Trauer, Entsetzen und offene Fragen halten Deutschland in Atem
22.12.2024

Fünf Menschen sind tot, 200 verletzt: Nach der folgenschweren Fahrt mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg stellt sich die...