Politik

Trotz Massenprotesten: Israels Parlament stimmt über Justizreform ab

Begleitet von heftigen Protesten stimmt in Israel die Knesset über die umstrittene Justizreform ab. Israels Präsident Herzog versucht weiterhin zu vermitteln, doch ein Kompromiss ist derzeit in weiter Ferne.
24.07.2023 14:28
Aktualisiert: 24.07.2023 14:28
Lesezeit: 2 min
Trotz Massenprotesten: Israels Parlament stimmt über Justizreform ab
Benjamin Netanjahu (M), Ministerpräsident von Israel, nimmt an einer Sitzung der Knesset, dem israelischen Parlament, teil. Israels rechts-religiöse Regierung treibt ihre umstrittenen Pläne zum Umbau der Justiz trotz massiver Widerstände weiter voran. (Foto: dpa) Foto: Maya Alleruzzo

Kurz vor der wohl entscheidenden Abstimmung über die umstrittene Justizreform in Israel will Präsident Isaac Herzog einen Kompromiss vermitteln. Die Verhandlungen dauerten an, sagte eine Sprecher Herzogs am Montag. Begleitet von massiven Protesten soll das Parlament am Montag über ein Kernstück der Justizreform abstimmen. Banken, Einkaufszentren und andere Geschäfte blieben als Zeichen des Widerstands gegen das Vorhaben geschlossen, die Polizei setzte Wasserwerfer gegen Demonstranten ein.

Abstimmung zur Justizreform steht an

Mit der Justizreform will Netanjahus rechts-religiöse Koalition die Befugnisse des Obersten Gerichts beschränken. Bei der Abstimmung geht es um einen Passus, der dem Obersten Gericht die Möglichkeit nehmen würde, Entscheidung der Regierung als „unangemessen“ zu kippen. Die Opposition lehnt die Reform als einen gefährlichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz und als Einfallstor für Korruption und Machtmissbrauch ab.

Kurz vor der Abstimmung wurde der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aus dem Krankenhaus entlassen. Der 73-jährige Regierungschef war am Samstagabend wegen Herzrhythmusstörungen eingeliefert worden und hatte bei einer Operation in der Nacht auf Sonntag einen Herzschrittmacher bekommen. Später erklärte er in einer Videoansprache, er sei bei „exzellenter Gesundheit“ und werde am Montag zur Debatte über die Justizreform ins Parlament zurückkehren.

Präsident Herzog hatte Netanjahu am Sonntag im Krankenhaus besucht, in der Hoffnung eine Verständigung zwischen der Regierung und der Opposition vermitteln zu können. „Dies ist ein Notfall. Es muss eine Einigung erzielt werden“, hatte Herzog am Sonntag gesagt. Nach seiner Vermittlung hatte die Regierung die Justizreform Ende März verschoben.

In den darauffolgenden monatelangen Verhandlungen konnten Regierung und Opposition keine Verständigung erzielen. Netanjahu, der selbst wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht steht, war Ende Juni den Gegnern der Reform entgegengekommen und hatte angekündigt, den umstrittensten Teil fallenzulassen. Dieser hätte es dem Parlament ermöglicht, Urteile des Obersten Gerichtshofs aufzuheben.

Ein Bündnis von rund 150 der größten israelischen Unternehmen streikte am Montag. Die Läden in Einkaufszentren blieben geschlossen, teilte die beiden großen Shoppingcenter-Betreiber Azrieli und BIG mit. Die beiden größten israelischen Banken, Leumi und Hapoalim, stellten es ihren Beschäftigten frei, an Demonstrationen teilzunehmen ohne auf Lohnzahlungen verzichten zu müssen.

Die Pläne der Regierung belasten auch die Beziehungen Israels mit dem Verbündeten USA. Die US-Regierung hat Netanjahu gedrängt, bei einer Justizreform einen breiten Konsens anzustreben. Einer vom Fernsehsender Kan veröffentlichten Umfrage zufolge sind 46 Prozent der Israelis gegen die Reform, 35 Prozent befürworten sie und 19 Prozent sind unentschlossen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Sondertribunal Den Haag wegen Ukraine Krieg: Putin nicht vor Gericht - Keine Aburteilung in Abwesenheit
11.04.2025

Ein geplantes Sondertribunal zur Untersuchung mutmaßlicher Aggressionsverbrechen Russlands gegen die Ukraine wird den russischen...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Sekthersteller Rotkäppchen-Mumm: Vom ostdeutschen Sanierungsfall zum Marktführer
11.04.2025

Rotkäppchen-Mumm entwickelt sich wertmäßig bei Schaumwein und Wein deutlich über dem Marktniveau. Der Marktanteil ist mit 38 Prozent so...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der Rückgang des Dollars setzt sich fort – ein Grund zur Sorge
11.04.2025

Der US-Dollar, jahrzehntelang Symbol wirtschaftlicher Stabilität und globaler Dominanz, verliert zunehmend an Strahlkraft – und das...

DWN
Panorama
Panorama Neue Pandemie der Kurzsichtigen: Augenärzte sprechen von einer Pandemie der Myopie
11.04.2025

Warum Augenoptik ein Handwerk mit großer Zukunft ist: Um 2050 wird Prognosen zufolge die halbe Menschheit kurzsichtig sein. Epidemiologen...

DWN
Politik
Politik Rebellion im Inneren – Republikaner stellen sich gegen Trumps Handelskrieg
11.04.2025

In der Republikanischen Partei gärt es: Immer mehr Abgeordnete und Senatoren wenden sich gegen Donald Trumps kompromisslose...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steuerentlastung 2025: Was geplant ist und wie Firmen sich vorbereiten können
11.04.2025

Mit der Bundestagswahl im Februar 2025 richteten sich viele Hoffnungen auf die neue Regierung unter Führung von Friedrich Merz (CDU/CSU)....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle haben sich trotz Rückzug versechsfacht: Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman warnt
11.04.2025

Die vermeintliche Entspannung auf dem globalen Handelsparkett nach der Ankündigung von Donald Trump, seine Zollerhöhungen temporär...

DWN
Politik
Politik Treffen mit Putin? US-Sondergesandter erneut in Russland
11.04.2025

Der US-Sondergesandte Steve Witkoff ist nach Russland gereist und in St. Petersburg gelandet. Nach Angaben des Kremls wird Putin im...