Die Wahrscheinlichkeit, dass Truppen mehrerer Staaten der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas in den Niger einmarschieren, schwindet aus Sicht von Beobachtern.
Nach Ansicht von Afrikaexperten hat die Ecowas trotz ihrer Drohungen kein Interesse an einem Militäreinsatz gegen die Putschisten im Niger. „Ich wäre überrascht, wenn wir überhaupt eine Intervention sehen. Es ist nicht im Interesse irgendeines westafrikanischen Staates, einen Krieg gegen den Niger zu führen“, sagte der Afrika-Analyst Ben Hunter von der britischen Sicherheitsberatungsfirma Verisk Maplecroft der Deutschen Presse-Agentur.
Auch die Planer der Ecowas hätten bei Militärinterventionen in anderen Teilen der Welt gesehen, wie schwierig und teuer solche Unterfangen werden könnten. Die Staaten hätten gehofft, dass die bloße Drohung Wirkung zeige.
Auch Sahelexperte Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung hält die Bedingungen für einen Militärschlag für ungünstig. „Ich glaube nicht, dass es zum Krieg kommen wird. Ecowas haben zu wenig Fähigkeiten und auch keine Einsatztruppe“, sagte Laessing der dpa. Das Überraschungsmoment sei nun vorbei.
„So eine Operation zu machen, wäre sehr riskant, und die Chance, dass es schiefgeht, sehr hoch - und die Frage ist, was danach kommt.“ Für wahrscheinlicher halte er, dass man sich mit den Putschisten auf baldige Neuwahlen einigen werde.
Eine Invasion wird auch aufgrund weiterer Faktoren immer unwahrscheinlicher. So lehnen die Nachbarländer Mali, Burkina Faso, Algerien und der Tschad eine Beteiligung daran kategorisch ab. Mali und Burkina Faso haben sogar angekündigt, dass sie einen Angriff auf Niger als Angriff auf sie einschätzen würden und dem Land zur Hilfe eilen könnten.
Nigeria, von dessen Territorium die Invasion ausgehen müsste, wird sich wahrscheinlich ebenfalls enthalten, weil der Senat des Landes sein Veto gegen die Pläne eingelegt hat.
Zukunft von US-Drohnenstützpunkt offen
Unterdessen ist die Zukunft eines Stützpunktes, den die US-Armee zur Drohnenkriegsführung nutzt, offen. Wie The Task and Purpose berichtet, kann die US-Armee keine Drohnen von der sogenannten „Nigerien Air Base 201“ im Norden des Landes mehr starten, weil die Putschregierung den Luftraum geschlossen hat.
Die US-Regierung nutzt den Stützpunkt seit 2019. Gegenwärtig sind rund 1.100 amerikanische Soldaten in dem Sahel-Staat stationiert.
„Angesichts der begrenzten US-Stützpunktpräsenz in Afrika – beschränkt auf Dschibuti und Niger – wäre der Verlust des Zugangs zur Basis Aerienne 201 [Niger Air Base 201] ein verheerender Schlag für die gemeinsamen Bemühungen der USA und Afrikas, gewalttätige extremistische Gruppen zu bekämpfen, die mit dem Islamischen Staat und Al-Qaida in Verbindung stehen und die in der Gegend operieren. Dieser Rückschlag fällt mit der Verringerung der Präsenz Frankreichs in der Region zusammen. Eine reduzierte Präsenz der USA und Frankreichs könnte Wagner oder anderen Akteuren Raum bieten, um ein Sicherheitsvakuum zu füllen“ zitiert das Blatt eine Analystin des Washingtoner Center for a New American Security.
Nuland im Niger
Die US-Regierung setzt nach dem Putsch in Niger weiter auf Verhandlungen. Diplomatie sei der beste Weg, um die Situation in Niger zu lösen, sagte US-Außenminister Antony Blinken in einem Interview mit dem französischen Radiosender RFI am Dienstag. Blinken lehnte es ab, sich zu einem möglichen Abzug von US-Soldaten aus Niger zu äußern.
Die US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland hat führende Köpfe der Militärjunta im Niger getroffen. Nuland sprach im Anschluss von einem „schwierigen“ Gespräch.
Nuland kam am Montag im Niger mit dem neuen Stabschef der Streitkräfte, Moussa Salao Barmou, und drei weiteren Mitgliedern der Militärjunta zusammen, wie sie nach dem Treffen in einer Schalte mit Reportern berichtete. Nuland beschrieb das Gespräch als „sehr offen und bisweilen ziemlich schwierig.“ Ihre Bitte, den entmachteten und festgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum zu treffen, sei abgelehnt worden, sagte Nuland. Man habe mit ihm aber telefonieren können. Auch den selbsternannten neuen Machthaber, General Abdourahamane Tiani, habe sie nicht sehen können.
„Ich hoffe, dass sie die Tür zur Diplomatie offen halten werden“, sagte sie mit Blick auf die Putschisten. „Wir haben diesen Vorschlag gemacht.“
Nuland wies die Militärs auch auf die Konsequenzen für die Beziehungen zu den USA hin, sollte die demokratische Ordnung nicht wiederhergestellt werden. Sie verwies darauf, dass Hilfen für den Niger bereits eingefroren wurden.
Am 26. Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde im Niger den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum entmachtet. Der Kommandeur der Eliteeinheit, Abdourahamane Tiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz nach Tianis Machtübernahme setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf. Unter Bazoum war der Niger einer der letzten strategischen Partner des Westens im Kampf gegen den Vormarsch islamistischer Terroristen in der Sahelzone gewesen.
Der Putsch im Niger muss auch vor dem Hintergrund des hybriden Krieges zwischen den USA und Russland verstanden werden. Moskau baut seinen Einfluss in Westafrika seit einigen Jahren systematisch auf Kosten der Europäer und Amerikaner aus. Nach den Putschen in Mali 2021 und Burkina Faso 2022 suchten die jeweiligen neuen Machthaber die Nähe zur russischen Regierung.
Auch in der Zentralafrikanischen Republik bauten die Russen ihren Einfluss mithilfe der Söldner-Truppe Wagner zuletzt aus, die EU zig daraufhin ihre Ausbilder ab.