Unternehmen

Finanzkrise der Kommunen bedroht das Handwerk

Lesezeit: 2 min
10.08.2023 08:53  Aktualisiert: 10.08.2023 08:53
Das Handwerk in Deutschland steht vor einer dramatischen Krise. Grund ist die zum Teil desolate finanzielle Lage der Städte und Gemeinden. Denn dadurch fehlen die Mittel für dringend benötigte Investitionen. Die Folge: Dem Handwerk und den Baubetrieben brechen die kommunalen Aufträge weg.
Finanzkrise der Kommunen bedroht das Handwerk
Den Kommunen fehlen die Mittel zur Instandhaltung ihrer Infrastruktur. (Foto: dpa)
Foto: Paul Zinken

Die Warnung könnte eindringlicher kaum sein: In einer gemeinsamen Erklärung beschreiben die kommunalen Spitzenverbände die Folgen der tiefgreifenden Finanzkrise, in der sich die Städte und Gemeinden in Deutschland befinden. Nach gemeinsamen Berechnungen des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds stehen die Kommunen vor einer dramatischen Haushaltsnotlage. Nach ihren Kalkulationen würden allein in diesem Jahr den Städten und Gemeinden in Deutschland rund 6,4 Milliarden Euro fehlen, im nächsten Jahr sogar annähernd elf.

Wegbrechende Aufträge

Für den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Uwe Zimmermann, ist die Situation „inzwischen hochdramatisch“. Im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) warnt Zimmermann vor den Auswirkungen der kommunalen Finanzkrise. „Angesichts ihrer angespannten Finanzlage wird den Städten und Gemeinden am Ende gar gar nichts anderes übrig bleiben, als bei den Investitionen zu kürzen, da die meisten anderen Ausgaben durch gesetzliche Verpflichtungen gebunden sind.“ Dies führe, so Zimmermann, geradezu zwangsläufig dazu, dass vor allem vielen Handwerks- und Baubetrieben in der Zukunft massiv die Aufträge wegbrechen werden – mit fatalen Auswirkungen auch für Ausbildungs- und Arbeitsplätze.

Nach einer internen Berechnung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes beziffert sich der gegenwärtige Investitionsstau der Städte und Gemeinden auf gegenwärtig mehr als 160 Milliarden Euro. Dies, so ihr stellvertretender Hauptgeschäftsführer Zimmermann, betreffe lediglich „die Investitionen in den Bestand“. Das heißt, dass es den Kommunen seit geraumer Zeit nicht einmal mehr gelinge, ihren Bestand an kommunaler Infrastruktur zu erhalten. „Damit reden wir noch mit keiner Silbe über die ungeheuren Transformationsaufgaben wie den Klimawandel und die Digitalisierung“, so der Vize-Geschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands.

Jährliche Defizite

Die Gründe für die finanzielle Schieflage der Kommunen sind nach Angaben der Spitzenverbände vielfältig: Zum einen wurden nicht wenige Gemeinden, die schon zuvor sehr knapp kalkuliert haben, vom Anstieg der Zinsen hart getroffen. Zudem kämen, so die kommunalen Verbände in ihrer gemeinsamen Erklärung, die weiterhin steigenden Ausgaben für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen, die inflationsbedingten Preissteigerungen und vor allem der Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst, die die Personalkosten der Kommunen in die Höhe trieben. Und Besserung ist nirgends in Sicht: Nach den Berechnungen der kommunalen Spitzenverbände werden auch in den kommenden Jahren die deutschen Städte und Gemeinden jährliche Defizite in Höhe von acht bis neun Milliarden Euro erwirtschaften. Damit sei, so die Befürchtung, mit einem weiteren Rückgang der realen Investitionen zu rechnen. Dies würde vor allem auch die Bauvorhaben in den Gemeinden treffen. Insgesamt werden auch alle Vorhaben zum sozialen Wohnungsbau in Deutschland gerade nicht erfüllt.

„Um die Lage dauerhaft zu stabilisieren, brauchen wir eine stabile und vor allem langfristige Finanzgrundlage der Kommunen“, fordert Vize-Hauptgeschäftsführer Zimmermann. Vor allem bräuchten die Kommunen nach Ansicht ihrer Vertreter einen größeren Anteil von den Einnahmen der sogenannten Gemeinschaftssteuern. Darunter versteht man die Steuern, deren Einnahmen zwischen den Körperschaften aufgeteilt werden. Die wichtigste Steuer hierbei ist die Einkommens- und Lohnsteuer, deren Einnahmen zu 15 Prozent an die Kommunen gehen, während sich der Bund und die Länder den Rest hälftig untereinander aufteilen. Entlastung erhoffen sich die Kommunen auch bei Aufnahme, Versorgung und Integration von Geflüchteten. Geschehe dies nicht, sei der langfristige Bestand der kommunalen Infrastruktur in Gefahr – und damit auch der Bestand nicht weniger Betriebe. Dies allerdings würde eine weitere Abwärtsspirale in Gang setzen, da mögliche Entlassungen in jenen Betrieben, die von kommunalen Aufträgen leben, dann die Sozialkassen belasten würden.

 

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ist die Flexibilität europäischer Unternehmen in Gefahr? Neue EU-Zahlungsfristen wecken Sorgen
12.05.2024

Starre und praxisferne Zahlungsfristen: Die EU-Pläne für eine einheitliche 30-Tage-Zahlungfrist stoßen auf deutlichen Gegenwind....

DWN
Unternehmen
Unternehmen 4 Tage Woche: Sind neue Arbeitszeitmodelle Rettung oder Untergang der deutschen Wirtschaft?
12.05.2024

Der Wunsch nach einer 4-Tage-Woche wird bei vielen Arbeitnehmern immer stärker - und das bei vollem Lohnausgleich. SPD-Chefin Saskia Esken...

DWN
Technologie
Technologie Kohleausstieg bis 2035: Folgen für die Energieversorgung
12.05.2024

Der Ausstieg aus der Kohle und den anderen fossilen Brennstoffen wie Erdöl und Erdgas ist in vielen Ländern schon seit Weltklimakonferenz...

DWN
Politik
Politik IW-Ökonom Hentze: Deutschland braucht mutigere Schuldenregeln
12.05.2024

Ein Festhalten an der aktuellen Schuldenbremse macht ein geringeres Wirtschaftswachstum immer wahrscheinlicher. Davon ist IW-Ökonom Tobias...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Betrug erkennen und vermeiden: Tipps zum Schutz von Bitcoin, Ether und Co.
11.05.2024

Während der Kryptomarkt wieder an Dynamik gewinnt und der Bitcoin immer teurer wird, ist es entscheidend, sich vor betrügerischen...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt-Preiskorrektur dauert an, Marktlage bleibt angespannt
11.05.2024

Die Immobilienpreise in Deutschland sind im ersten Quartal des Jahres weiter gefallen – in unterschiedlichem Ausmaß in den verschiedenen...

DWN
Immobilien
Immobilien Checkliste: Das sollten Sie wissen, bevor Sie eine Immobilie kaufen!
11.05.2024

Eine Immobilie zu kaufen ist ein einschneidendes Ereignis im Leben der Käufer. Schließlich bleibt das Objekt mit hoher Wahrscheinlichkeit...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Selbstständigkeit: Die Zusammenarbeit mit Freiberuflern kann Ihr Budget gefährden!
11.05.2024

Die öffentlichen Kassen scheinen erschöpft zu sein und die Sozialversicherungsträger müssen nach Wegen suchen, um sie wieder...