Es sind zwar in der letzten Zeit weltweit Fortschritte bei der Erhöhung der Geschlechtervielfalt in den Vorständen und Führungsteams von Unternehmen zu verzeichnen, diese bleiben aber weiterhin von der Quote her unspektakulär. Es gibt noch viel zu tun, vor allem wenn es darum geht, den sehr niedrigen Anteil von Frauen in einflussreichen Führungspositionen zu erhöhen.
Frauen haben immer noch in beruflicher Hinsicht einige Nachteile hinzunehmen. Ihre Bezahlung fällt oft gegenüber männlichen Kollegen in der gleichen Position geringer aus. Junge Frauen im gebärfähigen Alter erleben besonders häufig Diskriminierung. Unternehmen ziehen oft männliche Bewerber vor, da sie befürchten, dass die Familiengründung bei den Frauen im Weg stehen könnte.
Besonders betroffen ist von der Geschlechterungleichheit die IT-Branche. Zum einen hält sich das Klischee des ITlers als klassischer Männerberuf hartnäckig, zum anderen liegt der Anteil an Frauen, die das Studienfach wählen, nur bei circa 25 Prozent. Dem entsprechend niedrig fällt der der Anteil der weiblichen Beschäftigten im IT-Bereich mit nur knapp 17 Prozent laut der Heinrich Böll Stiftung aus. Neben der Kluft zwischen Arbeitssuchenden und verfügbaren IT-Arbeitsplätzen gibt dadurch auch eine deutliche Geschlechterkluft.
Die Gründe sind vielfältig. Angefangen bei einer fehlenden technischen Ausstattung bis hin zu einem mangelnden Zugang zu Informationen über IT-Einstellungsprozesse und IT-Stellenangebote bei Start-Up-Unternehmen, sehen sich die Frauen in dieser Branche benachteiligt. Der IT-Arbeitsmarkt für Frauen bleibt schwierig und das obwohl Tech-Startups im Land boomen. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Zu alt oder zu wenig Vorbildung bekommen die Betroffenen zu hören, darüber hinaus geben sie an, zu wenig Vermittlungsunterstützung zu erhalten. Nur langsam wachsen das Selbstbewusstsein und der Mut unter den Frauen, hier etwas zu verändern. Unterstützung finden sie zum Beispiel bei FrauenLoop. Das gemeinnützige Programm beinhaltet eine umfassende Ausbildung für Frauen zur Überwindung der wichtigsten Hindernisse für den Eintritt in die IT-Branche in Deutschland. Geschult werden sie hauptsächlich durch Frauen, um ihren Bedürfnissen besser gerecht zu werden.
Bei Start-ups gibt es viel zu wenig Gründerinnen
Ähnlich mau sieht der Anteil der Gründerinnen in Deutschland aus, auch wenn ihr Anteil von 2021 (17,7 %) auf 2022 (20,3 %) laut der Studie des Deutschen Startup Monitors etwas gestiegen ist. In vielen Start-Ups kommt neue Technologie zur Anwendung, die ebenfalls beherrscht werden will und die das IT-Problem noch einmal verdeutlicht. Doch das allein ist nicht der Grund, warum die Quote seit Jahren, unter die der Männer liegt. Frauen gründen anders. Sie gründen meist allein und häufiger im Nebenerwerb als Männer. Sie gründen, weil sie den Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung haben. Bei Männern ist es eher eine Geschäftsidee, die im Vordergrund steht. Auch wollen Frauen eher als Männer mit ihrem Unternehmen einen positiven Unterschied in der Welt machen.
Frauen sind laut der Recherche von Lexware eher risikoscheu gegenüber männlichen Gründern. Dafür jedoch seien sie langlebiger und krisenresistenter, da sie überlegter vorgingen. Allerdings sind die Voraussetzungen für sie schlechter. Bei den finanziellen Ressourcen kommen die ersten Hürden: Frauen haben meist weniger Eigenkapital als Männer oder wollen weniger investieren. Zudem kommen sie bei Banken schlechter an Kredite ran. Allein die Möglichkeit einer Schwangerschaft wird bereits oft als Risikofaktor von den Kreditinstituten eingestuft. Auch müssen Gründerinnen neben ihren Unternehmen Großteils Familie und Haushalt balancieren, daher auch die oftmalige Gründungsform im Nebenerwerb.
Neben all den genannten Gründen fehlt Frauen oft noch das nötige Netzwerk, um sich auszutauschen oder Unterstützung zu bekommen. Das hat auch Anja Krystina Hermes erkannt. Sie gründete 2019 FEMboss in Stuttgart. Ein Business- Frauennetzwerk für Gründerinnen und solche, die es noch werden möchten. Damals vor vier Jahren war die erste Veranstaltung schnell ausgebucht. 120 Teilnehmerinnen meldeten sich an, 16 Speakerinnen und eine Yogatrainerin waren am Start. Bei FEMboss finden die Frauen Gleichgesinnte und Workshops zu Themen, die sie während oder vor der Gründung bewegen. Auch das Networking-Format „FutureFem“ von der Wirtschaftsförderung der Stadt Stuttgart zielt auf eine Erhöhung der Zahl der Gründerinnen und weiblichen Führungskräfte in Unternehmen ab. Es ist erst 2023 gestartet hat aber den Anspruch einen sicheren Raum für Frauen zu schaffen, in dem sie wachsen und sich entfalten können. Eine Plattform, wo sie dieses tun können, ist dafür die BRYCKE in der schwäbischen Hauptstadt. Ein neu geschaffener Raum, zugleich aber auch Community und Plattform, die innovative Geschäftsideen und Menschen verbinden möchte. Hier stellen die jungen Entrepreneurinnen ihre Unternehmen und innovativen Produkte dem Publikum vor. Hier treffen sie auf Gleichgesinnte. Frauen soll sich nicht in Konkurrenz zueinander sehen, sondern ein starkes Frauen-Netzwerk kreieren.
Genderkluft auch in den Vorstandsetagen
Auch in den deutschen Vorstandsetagen tut sich etwas. Der Frauenanteil in DAX, MDAX und SDAX ist innerhalb eines halben Jahres (März 2023) um 2,9 Prozent gestiegen und liegt seitdem bei 17,1 Prozent. Was zuversichtlich klingt, offenbart jedoch bei genauerem Hinsehen die große Schere, die weiterhin vorherrscht. So dominieren in den Vorständen der deutschen Börsenunternehmen hauptsächlich Männer. Im März dieses Jahres standen 583 Männer nur einem Anteil von 120 Frauen gegenüber. Mehr als 4 von 5 Geschäftsführenden in deutschen Unternehmen sind immer noch männlich. Die großen Unternehmen wie Airbus, Allianz, Mercedes Benz oder Deutsche Telekom versuchen in der Führungsetage für mehr Ausgleich zu sorgen. In den 160 notierten Börsenunternehmen wurden in den ersten sechs Monaten zwischen September 2022 und März 2023 fast die Hälfte aller (internen und externen) neuen Vorstandsposten mit Frauen besetzt. In der Regel sind es 100 Posten im Jahr, die neu besetzt werden müssen. Dennoch bleibt die Quote der weiblichen Top-Führungskräfte im gesamten weit unterrepräsentiert.
Frankreich hat den höchsten Anteil weiblicher Führungskräfte
Doch wie sieht es in anderen Ländern mit der Besetzung von Frauen in Top-Positionen aus? Dazu gibt der Report von Altrata mehr Antworten. Der Bericht zur globalen Geschlechtervielfalt untersuchte die weibliche Vertretung in den Vorständen und Führungsteams von mehr als 1.675 großen börsennotierten Unternehmen in 20 Ländern weltweit im ersten Quartal 2022. Auch hier ist das Ergebnis ernüchternd. Der Frauenanteil beträgt nur 28,2 Prozent der Vorstandsmitglieder in Unternehmen der 20 wichtigsten Volkswirtschaften der Welt. Dieser Anteil stieg in fast allen der untersuchten Länder zwischen 2020 und dem ersten Quartal 2022. Frankreich hat dabei mit 44 Prozent den höchsten Anteil an weiblichen Vorständen, vor Italien und dem Vereinigten Königreich mit knapp 40 Prozent. Die USA liegen bei 31 Prozent. Besonders gering fällt die Quote in den Vereinigten Arabischen Emiraten aus. Hier sind es nur 6,3 Prozent Frauen in den Vorstandsetagen. Unter den größten börsennotierten Konzernen hatten 81 ausschließlich männliche Vorstände, aber kein einziges Unternehmen hatte einen reinen Frauenvorstand. Auch die Größe der Unternehmen spielt eine Rolle bei der Besetzung. Größere börsennotierte Unternehmen neigen dazu ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis bei den Vorständen zu haben als kleinere Unternehmen. Darüber hinaus sind weibliche Führungskräfte oft jünger als ihre männlichen Kollegen, zeigen die Ergebnisse. Nach und nach wird die Geschlechtervielfalt in den Gesetzen verankert, wie beispielsweise seit Januar 2022 in den Niederlanden. Auch Spanien hat diesbezüglich gute Vorsätze. Doch bis Ende 2022 hatte es sein Ziel, 40 Prozent der Sitze der in börsennotierten Unternehmen mit Frauen zu besetzen, noch nicht erreicht.
Dabei zeigen Studien, dass Unternehmen mit einer vielfältigeren Führung besser abschneiden. Die Geschlechtervielfalt an der Spitze eines Unternehmens scheint einen Unterschied zu machen. Unternehmen mit weiblichen CEOs oder Vorsitzenden haben in der Regel eine größere Geschlechtervielfalt in ihren Vorständen und Führungsteams als Unternehmen mit hauptsächlich männlichen CEOs oder Vorsitzenden.