Weltwirtschaft

China und Indien verschärfen Handelsbeschränkungen

Lesezeit: 4 min
26.08.2023 09:43  Aktualisiert: 26.08.2023 09:43
Weniger Handel, mehr Protektionismus: Konflikte zwischen China und Indien führen in jüngster Zeit zu neuen gegenseitigen Sanktionen in ihren Handelsbeziehungen. China hat dabei mehr zu verlieren als Indien.
China und Indien verschärfen Handelsbeschränkungen
Xi Jinping (l), Präsident von China, und Narendra Modi, Premierminister von Indien, demonstrieren 2019 bei einem informellen Gipfel in Indien Einigkeit. Bei dem Treffen standen unter anderem der Handel und Grenzangelegenheiten auf der Agenda. (Foto: dpa)
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China und Indien sind Rivalen und Handelspartner zugleich. In jüngster Zeit nehmen jedoch die Empfindlichkeiten beider Partner zu und münden in Protektionismus auf beiden Seiten. Indien ist jedoch in einer deutlich besseren Position.

Nach dem Grenzkonflikt zwischen den beiden Ländern China und Indien im Jahr 2020 verschärfte Neu-Delhi die Kontrolle chinesischer Unternehmen und verbot mehr als 300 chinesische Apps, darunter TikTok. Seitdem hat Indien die Prüfung von Investitionen chinesischer Unternehmen verschärft, doch im Juli dieses Jahres kam ein neues, positives Signal aus Indien. Der stellvertretende Minister für Informationstechnologie Rajeev Chandrasekhar offenbarte der Financial Times Indien gegenüber, Indien sei trotz der Grenzkonflikte zwischen den beiden Ländern offen für chinesische Investitionen. „Wir sind offen für Geschäfte mit jedem Unternehmen, egal wo, solange sie rechtmäßig investieren und ihre Geschäfte in Übereinstimmung mit den indischen Gesetzen führen“, sagte er der FT und fügte hinzu, Indien sei „offen für alle Investitionen, einschließlich der chinesischen“.

Handelsbilanz fällt stark zugunsten Chinas aus

Die Handelsbeziehungen zwischen China und Indien reichen bis in die Antike zurück. Eine der bekanntesten Handelsrouten, die beide Länder miteinander verband, war die Seidenstraße. Immer wieder haben politische, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren die Handelsbeziehungen zwischen beiden Riesenmächten beeinflusst. 2008 avancierte China zum wichtigsten Handelspartner Indiens und erreichte neue Höchststände. Der bilaterale Handelsumsatz überstieg dabei mehrere Milliarden Dollar. Hauptwarenfluss sind elektronische Produkte, Textilien, Maschinen und chemische Produkte. Seitdem gehört China neben den USA zu einer der wichtigsten Handelspartner Indiens.

Die Handelsbilanz fällt jedoch stark zugunsten Chinas aus. Indien fühlt sich durch die chinesischen Produkte auf dem eigenen Markt bedrängt. Trotzdem nahm zwischen 2015 und 2021 der bilaterale Handel um 75,30 Prozent zu, mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 12,55 Prozent. 2022 durchbrach der gesamte Warenhandel mit China zum ersten Mal die 100-Milliarden-Dollar-Grenze. Umgekehrt haben sich die Investitionsströme aus China nach Indien in den letzten zwei Jahren abgeschwächt, nachdem Indien als Reaktion auf die Grenzstreitigkeiten seine Politik für ausländische Direktinvestitionen geändert hatte. Die Schieflage in der Handelsbilanz beider Partner löste auf indischer Seite Protektionismus aus.

Die Fronten zwischen den beiden Riesenmächten scheinen sich bezüglich dieses Problems noch einmal zu verschärfen. Chinas Exportbeschränkungen für Gallium und Germanium als Reaktion auf die US-Beschränkungen für Hightech-Exporte verdeutlichen die eskalierende technologische Rivalität zwischen allen Supermächten. Die Kontrollen, die nach Angaben Chinas dem Schutz der nationalen Sicherheit und Interessen dienen, machen es erforderlich, dass Exporteure eine Genehmigung für den Versand bestimmter Gallium- und Germaniumprodukte einholen.

Der Schritt, die Ausfuhr seltener Elemente, die von Peking als strategisch eingestuft werden, zu kontrollieren, kommt laut Medienberichten zu einem Zeitpunkt, an dem Washington über neue Beschränkungen für die Lieferung von Hightech-Mikrochips nach China nachdenkt. Die Vereinigten Staaten und die Niederlande wollen Chinas Chiphersteller besser kontrollieren, indem sie den Verkauf von Chipherstellungsanlagen weiter einschränken, um zu verhindern, dass deren Technologie zur Stärkung des chinesischen Militärs eingesetzt wird.

Misstrauen auf beiden Seiten

Im Zuge des Wettstreits um die Vorherrschaft könnten die Preise für elektronische Produkte weltweit steigen und so den digitalen Fortschritt und die Energiewende auch in Indien behindern. Im Gegenzug zu den jüngsten chinesischen Restriktionen untersagt Indien den Bau einer Fabrik des chinesischen Elektro-Autoherstellers BYD. Geplant war dieses Vorhaben mit einem Joint Venture eines privaten indischen Unternehmens. Doch die indische Regierung lehnte ebenfalls aus Sicherheitsgründen ab. Die Regierung ist allgemein vorsichtiger geworden, was chinesische Joint Venture-Partnerschaften betrifft. Es wachsen die Bedenken, dass die indischen Joint-Venture-Partner von China nur zum Schein involviert werden, um eigene Ziele zu verfolgen.

Neben diesem Misstrauen gibt es für Indien aber auch andere Gründe China etwas auszubremsen. So stehe BYD unter dem Verdacht, 730 Millionen Rupien (ca. 8,5 Millionen Euro) zu wenig Steuern bezahlt zu haben. Generell sollen auch weitere chinesische Unternehmen wie Xiaomi, Vivo und Oppo dem indischen Staat Steuern in Millionenhöhe schulden. Vielleicht ist das auch eine Erklärung dafür, warum der chinesische Apple-Auftragsfertiger Luxshare Precision Industry Co Ltd, der bereits zwei Fabriken in Indien unterhält, noch keine Genehmigung für eine weitere Fabrik im Land erhalten hat, die beantragt wurde.

Handel mit China geht in immer mehr Ländern zurück

China bleibt einer der wichtigsten Player in der Weltwirtschaft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht in seinem jüngsten Weltwirtschaftsausblick davon aus, dass das Land mehr als 22 Prozent zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt (BIP) beitragen wird. Trotz seines Rufs ist China für viele Länder ein wichtiger bilateraler Handelspartner und Warenlieferant, was dem Land den Titel „Produktionszentrum der Welt“ einbrachte.

Nicht nur der Westen hat erkannt, dass die Abhängigkeit von China für Waren oder auch Rohstoffe die eigene Wirtschaft in Gefahr bringen kann. Der letzte große Paukenschlag mit dieser Erkenntnis liegt noch nicht allzu lange zurück. Die Corona-Pandemie hat die Abhängigkeiten deutlich gezeigt. Für bestimmte Medikamente und medizinische Masken gab China den Ton an und besaß somit ein Machtmonopol, welches andere Nation empfindlich zu spüren bekamen. Seitdem versuchen immer mehr Länder ihre Unabhängigkeit zu China zu vergrößern.

Mit Ausnahme einiger weniger Länder, wie Russland, Australien und Südafrika, ging der Handel Chinas mit den meisten Ländern zwischen Januar und Juli 2023 im Vergleich zum Vorjahr bereits um 6,1 Prozent zurück. Chinas Handel mit Südkorea ging um 17 Prozent und der mit den USA um 15 Prozent zurück. Im gleichen Zeitraum sank der Handel mit Indien um 2,1 Prozent.

Protektionismus als Reaktion

Jüngst hat die indische Regierung Einfuhrbeschränkungen für Laptops, Tablets und PCs verhängt, um die inländische Produktion anzukurbeln und die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten zu verringern, auch wenn es zu höheren Preisen für die Verbraucher führen könnte. Die Umsetzung dieser Beschränkungen wurde bis zum 31. Oktober 2023 aufgeschoben, um den Unternehmen eine Übergangsfrist zur Einhaltung der neuen Vorschriften einzuräumen. Dies bedeutet, dass Unternehmen bis zu dieser Frist Laptops und PCs ohne Lizenz nach Indien einführen können. Nach diesem Datum müssen alle Unternehmen dafür eine Lizenz von der Generaldirektion für Außenhandel (DGFT) einholen.

Indien schlägt in dieser multipolaren Welt seinen eigenen Weg ein und konzentriert sich auf seine strategischen Interessen. Dazu gehört es unter anderem auch, seine Abhängigkeit von China zu verringern. In Verbindung mit seiner geopolitischen Position sieht die wirtschaftliche Lage Indiens für den Rest dieses Jahrzehnts günstig aus. Indien avancierte aktuell zu den besten bewerteten Märkten unter den Schwellenländern. Morgan Stanley hat seine Einschätzung der indischen Märkte von „neutral“ auf „hoch“ heraufgestuft. Indien sei nun der am meisten bevorzugte Markt, er klettere von Platz sechs auf Platz eins im Ranking. Gleichzeitig setzten sie das Reich der Mitte auf neutral herab.

China befindet sich in einem Abwärtstrend, resultierend aus den aktuellen massiven wirtschaftlichen Problemen. Im Gegensatz zu China profitieren die Inder von einem gesunden Immobilienmarkt und globalen Unternehmen, die nach robusteren und kostengünstigeren Alternativen zu China suchen. Die Voraussetzungen sind gegeben, um einen Investitionszyklus einzuleiten, der den Weg für Wachstum ebnet. Auf diese Weise könnte Indien aus dem Schatten Chinas heraustreten.

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

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