Politik

Der psychologische Drohnen-Krieg der Ukraine gegen Russland

Das einflussreiche britische Magazin „Economist“ wertet die Drohnen-Angriffe der Ukraine bis tief nach Russland als psychologische Kriegsführung gegen die russische Zivilbevölkerung.
Autor
29.08.2023 20:11
Aktualisiert: 29.08.2023 20:11
Lesezeit: 3 min

Der "Economist"“ hat im Ukraine-Krieg von Anfang an fest an der Seite Kiews gestanden. Dennoch räumt das einflussreiche britische Magazin in einem aktuellen Bericht ein, dass die jüngsten Drohnen-Angriffe der Ukraine, die immer wieder bis tief in russisches Gebiet reichen, in erster Hinsicht keine militärischen Ziele erreichen sollen. Vielmehr gehe es um die "psychologische Wirkung" auf normale Russen.

In dem Bericht wird der ukrainische Drohnen-Angriff auf eine russische Militärbasis auf der Halbinsel Krim am frühen Morgen des 25. August beschrieben. Unter den Drohnen, die zum Einsatz kamen, seien viele experimentelle Prototypen gewesen, aber einige von ihnen hätten ihre Aufgabe erfüllt. In der russischen Militärbasis sei es zu mehreren Explosionen gekommen, mehrere russische Soldaten seien getötet und verletzt worden.

Das russische Verteidigungsministerium hingegen meldete am frühen Morgen des 25. August, dass 42 von der Ukraine gestartete Drohnen über der Halbinsel Krim abgefangen wurde. Die russischen Streitkräfte hätten die Drohnen mit Luftabwehr und mithilfe von Systemen der elektronischen Kriegsführung zerstört beziehungsweise kontrolliert zum Abstutz gebracht.

In den letzten Wochen startete die Ukraine zahlreiche Drohnen-Angriffe bis tief in russisches Territorium, allein mehr als ein Dutzend Angriffe auf Moskau, darunter Ende Juli auf das Geschäftsviertel "Moscow City". In der Folge mussten große Flughäfen vorübergehend geschlossen werden, es gab unerklärliche Explosionen in Waffenfabriken, auf Flugplätzen, Treibstofflagern und Eisenbahnen.

Eine Quelle sagte dem "Economist" über den bei der Krim-Operation eingesetzten Drohnen-Prototypen Morok, dass die Serienproduktion vorangetrieben werden solle. Morok sei schnell und könne eine schwere Nutzlast über mehrere hundert Kilometer befördern. Die Drohne gehöre zu den vielversprechenden Kamikaze-Konstruktionen, die von der Ukraine in Betracht gezogen werden.

Wie andere Entwickler steht auch das Morok-Team nun vor der schwierigen Aufgabe, die nötigen Mittel für eine Ausweitung des Programms zu beschaffen. Das ukrainische Drohnenprogramm wurde aus der Not heraus entwickelt, dass Russland den Luftraum seit Kriegsbeginn dominiert. Nicht einmal die vom Westen gespendeten Waffen darf die Ukraine gegen russisches Territorium einsetzen.

Für die Verstärkung der Drohnenkampagne gibt es mehrere Gründe, schreibt der "Economist" und nennt als ersten Grund, dass die Angriffe auf Moskau "eine psychologische Wirkung haben und den einfachen Russen die Realität des Krieges näher bringen sollen". Mit anderen Worten: Die Drohnen-Angriffe sollen in Russland auch Zivilisten in Schrecken versetzen.

Aufgrund der umfangreichen Kapazitäten der russischen Luftabwehr und der elektronischen Kriegsführung erfordert jeder ukrainische Angriff eine sorgfältige Planung. Die Ukraine hat Algorithmen entwickelt, die zu funktionieren scheinen. Die Operateure starten ihre Angriffe am frühen Morgen und verwenden eine Angriffsreihenfolge, die darauf ausgelegt ist, die Luftverteidigung zu beschäftigen.

Der "Economist" berichtet, dass es oft die "westlichen Partner" sind, die der Ukraine nachrichtendienstlichen Informationen über die russische Abwehr aus russisches Territorium für ihre Angriffe zur Verfügung stellen. Russland kann nicht sein gesamtes riesiges Territorium abriegeln. "Wenn man an den 60 Kilometer langen Störsendern an der Grenze vorbeikommt, befindet man sich im russischen Hinterland und das Spiel beginnt", so die Quelle.

Das ukrainische Drohnenprogramm hat keine einheitliche Kommando- oder Beschaffungsstruktur. Mehrere staatliche Organisationen, darunter alle Geheimdienste, haben ihre eigenen Drohnenprogramme. Unabhängige Entwickler sind ebenfalls mit von der Partie. Dies dient der Sicherheit und dem Wettbewerb, kann aber die Optimierung und Massenproduktion erschweren.

Das Ministerium für digitale Transformation hat versucht, die Finanzierung zu rationalisieren. Doch Bürokratie, Korruption und Eigeninteressen in der ukrainischen Rüstungsindustrie behindern die Entwicklung. Einige der Operationen, die auf Moskau abzielen, scheinen dem "Economist" eher die Aufmerksamkeit der Beschaffungsbehörden auf einen Prototyp lenken zu sollen, als dass sie einen militärischen Wert hätten.

Die Finanzierung ist in der Ukraine nicht das einzige Hindernis für eine Ausweitung der Drohnen-Entwicklung. Billige Komponenten und Elektronik sind nur schwer zu finden. Das Gleiche gilt für Luftfahrtspezialisten.

Russland ist hier klar im Vorteil. Mit unbegrenzten Budgets haben die russischen Staatsunternehmen den effektivsten Waffen Priorität eingeräumt. Dazu gehören die vielseitigen Kh-101-Marschflugkörper, Flügel zur Umwandlung von Freifallbomben in Gleitbomben, Lancet-Drohnen, die ukrainische Panzer und Luftabwehr ausschalten können, sowie iranische Shaheds, die jetzt auch in der autonomen russischen Republik Tatarstan hergestellt werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik EU im Abseits: Trump bevorzugt London und Peking – Brüssel droht der strategische Bedeutungsverlust
12.05.2025

Während Washington und London Handelsabkommen schließen und die USA gegenüber China überraschend Konzessionen zeigen, steht die EU ohne...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona nie wieder gesund? Die stille Epidemie der Erschöpfung
12.05.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in Deutschland nahezu verdoppelt. Rund 600.000 Menschen leiden inzwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtkampf der Tech-Eliten: Bill Gates attackiert Elon Musk – „Er tötet die ärmsten Kinder der Welt“
12.05.2025

Ein milliardenschwerer Konflikt zwischen zwei Symbolfiguren des globalen Technologiekapitalismus tritt offen zutage. Der frühere...

DWN
Politik
Politik Pflege am Limit? Ministerin fordert Reform für mehr Eigenverantwortung
12.05.2025

Pflegekräfte sollen mehr dürfen und besser arbeiten können – das fordert Gesundheitsministerin Nina Warken zum Tag der Pflegenden....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden ungenutzt: Irischer Top-Investor fordert Einsatz von Pensionsgeldern zur Stärkung europäischer Technologie
12.05.2025

Die europäische Technologiebranche droht im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. Der Grund: Staatlich geförderte...

DWN
Politik
Politik Geheime Waffenlieferungen: Kritik an Intransparenz – Ukrainischer Botschafter lobt Merz’ Kurs
12.05.2025

Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz hat entschieden, Waffenlieferungen an die Ukraine künftig wieder geheim zu halten – ein...

DWN
Politik
Politik SPD-Spitze im Umbruch: Bas spricht von historischer Verantwortung
12.05.2025

Die SPD steht nach dem desaströsen Wahlergebnis von 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl vor einem umfassenden Neuanfang. In Berlin haben...

DWN
Politik
Politik Beamte in die Rente? SPD und Experten unterstützen Reformidee
12.05.2025

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas erhält Unterstützung aus der SPD für ihren Vorschlag, künftig auch Beamte, Selbstständige und...