Politik

EU importiert Rekordmenge LNG aus Russland

Schiff statt Pipeline: Noch nie wurde so viel russisches Flüssiggas (LNG) in die EU importiert wie dieses Jahr. Dies widerspricht den Sanktionen, scheint aber unumgänglich.
Autor
30.08.2023 15:44
Aktualisiert: 30.08.2023 15:44
Lesezeit: 3 min
EU importiert Rekordmenge LNG aus Russland
Russland liefert der EU dieses Jahr eine Rekordmenge an LNG. (Foto: dpa) Foto: Stefan Sauer

Die EU wird in diesem Jahr eine Rekordmenge LNG aus Russland importieren. Die Importe von Januar bis Juli lagen um 40 Prozent höher als die Importe in der ersten sieben Monaten des Jahres 2021, also vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar letzten Jahres. Dies zeigt eine Analyse von Branchendaten durch die Nichtregierungsorganisation Global Witness.

Demnach waren Belgien und Spanien hinter China die größten Abnehmer von russischem Flüssiggas. Die Importe nach Belgien und Spanien waren in den ersten sieben Monaten deutlich höher als in den entsprechenden Zeiträumen der letzten beiden Jahre. Auch Frankreich ist weiterhin ein großer Käufer von russischem LNG, allerdings war die importierte Menge in den ersten sieben Monaten deutlich niedriger als in den entsprechenden Zeiträumen 2022 und 2021.

Sicherlich ist der Anstieg der LNG-Importe aus Russland vor allem darauf zurückzuführen, dass die EU vor dem Krieg in der Ukraine keine nennenswerten Mengen an russischem LNG importierte, sondern stattdessen riesige Mengen russisches Gas über Pipelines importierte. Doch der Anstieg ist viel stärker als der weltweite durchschnittliche Anstieg der Importe von russischem LNG, der im selben Zeitraum lediglich 6 Prozent betrug.

Die Analyse von Global Witness stützt sich auf Daten des Branchenunternehmens Kpler, aus denen hervorgeht, dass die EU zuletzt etwa 1,7 Prozent mehr russisches LNG importiert als auf dem Rekordhoch im vergangenen Jahr. Global Witness zufolge beliefen sich die Kosten für das von Januar bis Juli importierte LNG zu Spotmarktpreisen auf 5,29 Milliarden Euro.

Der größte Teil des LNG, dass die EU aus Russland importiert, stammt aus dem Yamal LNG Joint Venture, das mehrheitlich dem russischen Unternehmen Novatek gehört. Weitere Anteile werden von der französischen Total Energies, der chinesischen CNPC und einem chinesischen Staatsfonds gehalten. Das Unternehmen ist in Russland von Ausfuhrzöllen befreit, unterliegt aber der Einkommensteuer.

Die Flüssiggas-Exporte in die EU bringen dem russischen Staat dieses Jahr daher Einnahmen in Milliardenhöhe, was die Sanktionen der EU konterkariert. Zudem machen die Importe aus Russland die EU anfällig für eine mögliche plötzliche Entscheidung des Kremls, die LNG-Lieferungen zu drosseln, wie es im vergangenen Jahr beim Pipelinegas der Fall war.

"Die langfristigen Käufer in Europa sagen, dass sie weiterhin die vertraglich vereinbarten Mengen abnehmen werden, es sei denn, die Politik verbietet dies", sagt Alex Froley, leitender LNG-Analyst bei der Beratungsfirma ICIS. Ein EU-Importverbot würde zu einer Neuordnung der globalen Handelsströme führen, "aber letztendlich könnte Europa andere Lieferanten und Russland andere Käufer finden", zitiert ihn Financial Times.

Belgien importiert große Mengen an russischem LNG, da sein Hafen Zeebrugge an der Nordsee einer der wenigen europäischen Umschlagplätze für LNG von Eistankern, die im hohen Norden eingesetzt werden, auf normale Frachtschiffe ist. Der spanische Energieversorger Naturgy und das französische Unternehmen Total haben ebenfalls laufende Verträge über große Mengen russisches LNG.

Führende EU-Politiker haben die Unternehmen aufgefordert, kein russisches LNG zu kaufen. Spaniens Energieministerin Teresa Ribera, deren Regierung den Vorsitz der halbjährig rotierenden EU-Ratspräsidentschaft innehat, sagte im März, dass LNG mit Sanktionen belegt werden sollte und bezeichnete die Situation als "absurd". EU-Energiekommissar Kadri Simson sagte, die EU könne und solle so schnell wie möglich vollständig auf russisches Gas verzichten.

EU-Beamte wiesen auf die allgemeinen Bemühungen hin, bis zum Jahr 2027 vollständig auf russische fossile Brennstoffe zu verzichten. Sie warnten jedoch davor, dass ein völliges Verbot von LNG-Importen aus Russland eine Energiekrise auslösen könnte, ähnlich wie im letzten Jahr, als die Gaspreise in der EU Rekordhöhen von mehr als 300 Euro pro Megawattstunde erreichten.

Nach Angaben von Kpler importierte die EU zwischen Januar und Juli 21,6 Millionen Kubikmeter russisches Flüssiggas. Das entspricht 16 Prozent der gesamten LNG-Einfuhren in die EU in Höhe von 133,5 Millionen Kubikmetern (entspricht 82 Milliarden Kubikmetern Erdgas). Damit ist Russland nach den USA der zweitgrößte LNG-Lieferant der EU. Weitere Lieferanten der EU sind Katar, Nigeria, Algerien und Norwegen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Depotübertrag: Wie Sie Ihr Wertpapierdepot wechseln - und dabei bares Geld sparen
25.06.2025

Ein Depotübertrag kann für Sie als Anleger zahlreiche Vorteile bieten, von geringeren Gebühren bis hin zu attraktiven Prämien für...

DWN
Immobilien
Immobilien Zwangsversteigerung von Immobilien: Wie Sie mit Zwangsversteigerungen Schnäppchen machen können
25.06.2025

Es gibt verschiedene Gründe für die Zwangsversteigerung von Immobilien vor den örtlichen Amtsgerichten. In Krisenzeiten kommt es...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ukraine: Wie der Krieg die Spielregeln der Kommunikation neu schreibt
25.06.2025

Der Ukraine-Krieg macht PR zur Überlebensfrage: Firmen müssen Haltung zeigen, Helden inszenieren und russische Propaganda abwehren –...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Industriestrompreis kommt: EU-Kommission für Subventionen bei Investitionen in grüne Technologien
25.06.2025

Brüssel öffnet das Tor für einen Industriestrompreis – aber nicht ohne Gegenleistung. Unternehmen dürfen auf staatliche Hilfe hoffen,...

DWN
Politik
Politik Energiepreise: Doch keine Senkung der Stromsteuer - Handwerksverband übt scharfe Kritik
25.06.2025

Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag angekündigt, die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß zu senken. In dem...

DWN
Politik
Politik Iran-Schlag ein Desaster? Trump feiert, Geheimdienste widersprechen
25.06.2025

Trump feiert die Zerstörung der iranischen Atomanlagen – doch Geheimdienste zweifeln am Erfolg. Interne Leaks bringen das Weiße Haus in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutsche Bahn: Generalsanierung soll vier Jahre länger dauern
25.06.2025

Die geplante Sanierung Dutzender wichtiger Bahnstrecken soll nach den Vorstellungen der Deutschen Bahn bis 2035 und damit vier Jahre...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zwischen Dieselgate und Dialogkultur: Der neue Ernst der Wirtschaftsethik
25.06.2025

Der Dieselskandal bei VW liegt Jahre zurück, wirkt aber nach. Vor allem als Symbol für eine Unternehmenskultur ohne Ethik und ohne...