Begonnen hatte alles im ZDF. Dort hat der Satiriker Jan Böhmermann in seiner Sendung am 7. Oktober vergangenen Jahres dem Spitzenbeamten im Bundesinnenministerium, Arne Schönbohm, fragwürdige Russlandkontakte unterstellt. Schönbohm war zu diesem Zeitpunkt Leiter des Bundesamts für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das dem Bundesinnenministerium unterstellt ist. Das BSI ist zuständig für die Sicherheit in der IT-Technik, über die auch alle kritischen Infrastrukturen wie Bahnverkehr und Energieversorgung betrieben werden. Ein solcher Vorwurf gegen den Chef einer Sicherheitsbehörde wiegt schwer, zumal in Zeiten des Ukrainekriegs.
Vertrauliche Gespräche
Indes: Böhmermann hatte für seine Behauptung nicht einen einzigen Beweis vorgelegt. Trotzdem verfügte Faeser die Kaltstellung des Beamten, der sich gegen diese Vorwürfe zur Wehr setzte. Als die Opposition von dem Vorgang erfuhr und begann, Fragen zu stellen, nahm das Ungemach für Nancy Faeser seinen Lauf. Denn: Bei der Rekonstruktion der Vorgänge kam immer mehr Haarsträubendes zutage.
So musste das Bundesinnenministerium einräumen, dass die zuständige Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Juliane Seifert, zwei Tage vor der ZDF-Sendung am 7. Oktober mit Böhmermann zwei vertrauliche Gespräche geführt habe. Das Ministerium gab in seiner Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage an, dass die Staatssekretärin über ein Projekt mit dem Titel „Hass im Netz“ mit Böhmermann geredet habe. Indes: Die Staatssekretärin war gar nicht für dieses Projekt zuständig und darüber hinaus stellte sich die Frage, ob die Staatssekretärin eines Bundesministeriums wirklich nichts anderes zu tun hat, als sich mit dem Gastgeber einer TV-Klamauk-Sendung zu unterhalten. Brisant ist aber, dass Staatssekretärin Seifert Zugang zu allen relevanten Informationen in der Causa des kaltgestellten Beamten Schönbohm hatte. Ins Bild passt auch, dass das Ministerium mögliche Protokolle dieses Gesprächs nicht veröffentlicht hatte.
Ein interner Vermerk
Doch für Nancy Faeser kam es noch schlimmer. Kurz darauf fand ein interner Vermerk des Bundesinnenministeriums den Weg in die Öffentlichkeit. In diesem Vermerk vom März dieses Jahres schreibt der Personalchef des Hauses, dass die Ministerin sichtlich unzufrieden sei. Die Ministerin hatte den Mitarbeiter des Ministeriums aufgetragen, Belastendes gegen den Beamten Schönbohm zu finden, um im Nachhinein seine Kaltstellung zu rechtfertigen. Jedoch zeigte sich, dass die hausinternen Recherchen nichts zutage gefördert hatten, was die Entfernung Schönbohms von seinem Posten gerechtfertigt hätte. Daraufhin wies die Ministerin – so der Vermerk – ihren Personalchef Martin von Simson an, weiterzuforschen und auch das Bundesamt für Verfassungsschutz einzuschalten. Damit steht aber der Verdacht im Raum, dass die Ministerin den ihr unterstellten Inlandsgeheimdienst missbraucht haben könnte, um gegen einen unliebsamen Untergebenen vorzugehen.
Zudem ist die Personalie Martin von Simson, der als Personalchef des Ministeriums mit der Causa Schönbohm befasst ist, nicht ohne Beigeschmack. Martin von Simson ist nämlich nicht nur Untergebener der Ministerin, sondern gleichzeitig auch Ihr Vermieter. Darüber hinaus veranlasste Simson, dass die von der Ministerin bezogene Wohnung auf Kosten des Steuerzahlers sicherheitstechnisch ausgerüstet wird, was für ihn den Vorteil hat, dass damit seine Wohnung im Wert steigt. Doch das ist nicht der einzige Vorteil, den der SPD-Genosse von Simson aus seiner Nähe zur Ministerin zog. Kaum im Amt verhalf ihm die Ministerin zu einer sogenannten „Sprungbeförderung“. Eine Sprungbeförderung, bei der ein Beamter mehrere Dienststufen überspringt, ist in einem Ministerium ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang. Doch für Martin von Simson hat es sich durchaus gelohnt. Er stieg von der Besoldungsgruppe B3 auf - und zwar gleich in die Gruppe B9, womit sich sein monatliches Grundgehalt von 8919 auf 12.425 Euro erhöhte.
Die Folgen für die Hessen-Wahl
Kein Wunder, dass die Opposition eine ganze Reihe Fragen hat. Indes: Mit der Aufklärung hat es Ministerin Faeser offenbar nicht so eilig. Zwei Mal wurde die Ministerin gebeten, im Innenausschuss des Bundestages zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen – zwei Mal kam sie nicht. Das erste Mal gab sie an, dass sie krank sei. Dies war insofern recht bemerkenswert, weil Nancy Faeser tags zuvor als Spitzenkandidatin der SPD in Hessen im Einsatz war, ohne dass irgendeine gesundheitliche Beeinträchtigung auffällig wurde. Tatsächlich hatte sie am Tag der Sitzung des Innenausschusses in Wiesbaden ein Interview gegeben. Wenig erstaunlich, dass den Abgeordneten der Opposition im Innenausschuss die Umstände der blitzartigen Wunderheilung der Ministerin seltsam vorkamen. Auch zu einer zweiten Sitzung erschien sie nicht und ließ stattdessen ausrichten, dass sie frühestens im Dezember Zeit habe, die Fragen zu beantworten.
Inzwischen scheint die Affäre nun auch den Wahlkampf in Hessen erreicht zu haben. Vier Wochen vor der Wahl liegt die oppositionelle SPD mit ihrer Spitzenkandidatin elf Prozentpunkte hinter der klar führenden CDU um den Ministerpräsidenten Boris Rhein und käme demnach auf gerade 19 Prozent. Sollte sich in Hessen nicht ein geradezu sensationeller Stimmungsumschwung vollziehen, stünde die SPD in Hessen vor einer historischen Niederlage. Denn 19 Prozent wäre für die SPD das schlechteste Ergebnis in Hessen seit 1946.