Gaskunden müssen sich zum Jahreswechsel womöglich wieder auf höhere Preise einstellen. Der Grund: Früher als erwartet will das Finanzministerium auf Erdgas wieder eine höhere Mehrwertsteuer ansetzen. Wenn die Anbieter das vollständig weitergeben, steigen die Gaspreise für private Haushalte nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox zum Januar um rund 11 Prozent. Für einen Musterhaushalt mit vier Personen bedeute dies Mehrkosten von durchschnittlich 270 Euro im Jahr. Das werde Gaskunden mitten in der Heizsaison empfindlich treffen, warnen Experten.
Wegen der plötzlich extrem hohen Preise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte die Bundesregierung Gas und Fernwärme im vergangenen Jahr steuerlich begünstigt. Ursprünglich sollte bis März 2024 der niedrigere Mehrwertsteuersatz von 7 statt 19 Prozent gelten. Nun aber soll die Entlastungsmaßnahme nach dem Willen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) schon zum Jahreswechsel auslaufen, wie zuerst die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» berichtete. Beschlossen ist die Verkürzung noch nicht. Sie dürfte aber spätestens bei den Haushaltsberatungen im Bundestag auf den Tisch kommen.
Warum die Krisenmaßnahme früher ausläuft
«Die krisenbedingten Preisspitzen an den Gasmärkten haben sich inzwischen gelegt», erklärte Lindners Ministerium zur Begründung. Die Steuersenkung sei von Anfang an nur als kurzfristige und nie als dauerhafte Maßnahme gedacht gewesen. Sie könne vorzeitig beendet werden, weil der Gaspreis schneller wieder sank als man 2022 annahm.
Für die Bundesregierung ist das eine gute Nachricht, denn durch die gesenkte Mehrwertsteuer hatte der Staat weniger Einnahmen. Zu Beginn rechnete man mit Kosten von rund 11,3 Milliarden Euro. Durch das frühere Ende dürften Bund, Länder und Kommunen nach Angaben aus dem Finanzministerium 2,1 Milliarden Euro sparen. So würden «Spielräume für die öffentlichen Haushalte» geschaffen, wie es im Ministerium heißt.
Was das für Verbraucher bedeutet
Was der Staat einspart, müssen Gaskunden mehr zahlen - und das trifft viele private Haushalte. Laut Energiewirtschaftsverband BDEW wurde 2022 knapp die Hälfte der gut 43 Millionen Wohnungen und Einfamilienhäuser mit Erdgas beheizt. Im Schnitt müssen ihre Bewohner laut Verivox nun mit einem Preissprung von rund 11 Prozent kalkulieren.
Für eine vierköpfige Familie mit Verbrauch von 20 000 Kilowattstunden Gas würde das demnach Mehrkosten von 270 Euro im Jahr bedeuten. Hat man selbst keinen Gasvertrag abgeschlossen, sondern nutzt die Grundversorgung, sei der Preisanstieg mit 331 Euro noch höher.
Ein Paar mit einem Verbrauch von 12 000 Kilowattstunden muss laut Verivox durchschnittlich 170 Euro draufzahlen, in der Grundversorgung 209 Euro. Singles mit einem Verbrauch von 5000 Kilowattstunden müssten mit einem durchschnittlichen Kostenplus von 71 Euro rechnen (Grundversorgung: 87 Euro).
Auch der Wegfall von zwei Umlagen, der sogenannten Regelenergie-Umlage und der Konvertierungsumlage, wird die Mehrkosten laut Verivox nicht ausgleichen. Zudem werde das nicht automatisch weitergegeben, so dass die meisten Kunden erst bei Vertragswechsel profitierten.
Wie das vorzeitige Auslaufen bewertet wird
Verbände und auch Politiker gehen davon aus, dass die Rückkehr zum höheren Steuersatz ausgerechnet in der Heizsaison viele Familien empfindlich treffen würde. «Insbesondere Menschen mit kleinen Einkommen stellen die Energiepreise nach wie vor vor große Herausforderungen», mahnte Sozialverband-Präsidentin Verena Bentele. Vor allem für Menschen mit wenig Geld müsse es so lange Hilfen geben, bis sich die Preise wieder normalisiert hätten.
Auch die Energiewirtschaft spricht sich gegen die Verkürzung aus. Alles andere sei neben enormem Aufwand für Abrechnungen und Kommunikation für die Kunden auch kaum nachvollziehbar.
Politisch scheint das letzte Wort in der Ampel-Koalition noch nicht gesprochen zu sein: Die Grünen kündigten an, sich den Vorschlag bei den Haushaltsberatungen genau anzusehen. Parallel setzen sie sich dafür ein, die noch bis Jahresende geltende Gas- und Strompreisbremse zu verlängern. «Als Versicherung, dass die Preise weiterhin nicht durch die Decke gehen können», wie Fraktionsvize Andreas Audretsch der Deutschen Presse-Agentur sagte. «Für Bürgerinnen und Bürger sind verlässliche und bezahlbare Energiepreise von hoher Relevanz», betonte er.
Auch in der Opposition findet der Vorschlag wenig Zustimmung. Viele Verbraucher steckten weiterhin in Verträgen, die doppelt so teuer seien wie vor dem Ukraine-Krieg, sagte der Linken-Finanzpolitiker Christian Görke. Der Unions-Abgeordnete Johannes Steiniger kritisierte: «Nur weil die Ampel es nicht schafft, sich auf Prioritäten im Haushalt zu einigen, sollen die Bürgerinnen und Bürger nun die Leidtragenden sein.» (dpa)
SPD lehnt Pläne für frühere Anhebung Mehrwertsteuer auf Gas ab
Die SPD lehnt Überlegungen ab, den Mehrwertsteuersatz auf Gas bereits ab dem 1. Januar 2024 wieder auf 19 Prozent anzuheben. "Es braucht ein Gesamtkonzept für die Entlastungen von Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern statt der isolierten Diskussion über Einzelmaßnahmen", sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Schrodi, am Sonntag zu Reuters. "Eine vorzeitige Rückkehr zur höheren Mehrwertsteuer für Gaspreise als isolierte Maßnahme mitten in der Heizperiode sehen wir als SPD-Bundestagsfraktion kritisch." Bisher hatte die Ampel-Regierung vor, zum 1. April wieder zu dem höheren Steuersatz auf Gas zurückzukehren.
Zuvor hatte es Berichte gegeben, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) wegen der gesunkenen Gaspreise bereits im Januar den in der Krise am 1. Oktober 2022 ermäßigten Mehrwertsteuersatz wieder von sieben auf 19 Prozent anheben möchte. Ein Sprecher des Finanzministeriums verwies am Sonntag auf Anfrage lediglich darauf, dass eine frühere Rückkehr zum höheren Steuersatz rechnerisch Mehreinnahmen für die öffentlichen Kassen von 2,1 Milliarden Euro im kommenden Jahr bedeuten würde.
Ein Vorziehen um drei Monate würde zwar Mehrausgaben für die Bürger und Bürgerinnen bedeuten, könnte der Ampel-Regierung aber in der Debatte um den Bundeshaushalt 2024 etwas Luft verschaffen. Denn es gibt etliche Nachforderungen in den Haushaltberatungen, aber die Schuldenbremse muss eingehalten werden. Da die Mehrwertsteuereinnahmen zwischen Bund und Ländern geteilt werden, könnte dies auch dazu beitragen, dass die 16 Landesregierungen dem vom Kabinett beschlossenen steuerlichen Entlastungspaket zustimmen. Etliche Ministerpräsidenten hatten kritisiert, dass der Bund sich mit dem sogenannten Wachstumschancengesetz schmückt, aber Länder und Kommunen den größten Teil der Steuerausfälle übernehmen müssten.
Die Rückkehr zu den vor der Corona- und Energiekrise üblichen Steuersätzen ist in der Ampel auch im Bereich der Gastronomie umstritten. So hatte etwa SPD-Chefin Saskia Esken gefordert, den von 19 auf sieben Prozent abgesenkten Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie beizubehalten. Das Finanzministerium sieht bisher keine Verlängerung vor. (Reuters)