Die Bauwirtschaft bewertet die geplanten Maßnahmen für die angeschlagene Branche als Schritt in die richtige Richtung, mahnt aber zur Eile. "Die Bundesregierung hat jetzt wohl endlich erkannt, wie ernst die Lage am Wohnungsmarkt ist", sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB), Felix Pakleppa, am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. "Es ist entscheidend, dass Bund, Länder und Kommunen, das zeitnah umsetzen." Von den angekündigten Maßnahmen müsse in drei Monaten "etwas auf dem Tisch sein". Hier müsse man bei einem weiteren Treffen noch vor Weihnachten Zwischenbilanz ziehen.
Mehr Familien als bisher sollen zinsgünstige Baukredite bekommen, um sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen. Die staatlich geförderten Kredithöchstbeträge würden um 30.000 Euro angehoben, heißt es in einem Beschlusspapier der Bundesregierung zum Wohnungsgipfel im Kanzleramt, der Reuters vorlag. "Außerdem wird die Grenze des zu versteuernden Einkommens, bis zu dem ein zinsvergünstigtes Darlehen beantragt werden kann, von 60.000 Euro im Jahr auf 90.000 Euro im Jahr angehoben." In dem Papier werden 14 Maßnahmen aufgelistet, die teilweise aber bereits bekannt oder Absichtserklärungen sind.
Demnach soll EH40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard in dieser Legislaturperiode ausgesetzt werden. Pakleppa sagte dazu, das Aussetzen alleine reiche nicht. Wichtig sei, dass die Förderung an den Energiestandard EH55 gekoppelt werde. "Es ist zeitlich knapp, es muss Druck auf den Kessel", betonte der Lobbyist und warnte, dass es sonst zum Abbau von Arbeitsplätzen kommen könnte, die für die mittel- und langfristig nötigen Baumaßnahmen wichtig wären. Derzeit liege die Kapazitätsauslastung im Wohnungsbau nur bei rund 70 Prozent. "Wenn das weiter bröckelt, bekommen wir tatsächlich Probleme, die Fachkräfte zu halten", sagte Pakleppa.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) erklärte, das Beschlusspapier sei umfangreicher als erwartet und könne eine Perspektive für die Branche sein. "Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Maßnahmen müssen erst greifen, dafür braucht es Zeit, die wir eigentlich nicht haben", sagte HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller zu Reuters. "Denn viele der Punkte hängen am Wohl und Wehe der Bundesländer, etwa die Beschleunigung der Baugenehmigungen oder die Senkung der Grunderwerbssteuer."
Wichtig für die Branche sei die Prüfung eines Zinsverbilligungsprogramms. Denn dies sei ein wesentliches Problem in der aktuellen Krise. "Den Investoren fehlt es schlicht und ergreifend an Liquidität", betonte Müller. "Das ist ein weiterer wesentlicher Hebel, um schnell und zügig neuen und vor allem bezahlbaren Wohnraum zu schaffen."
Das plant die Regierung gegen die Wohnungsmisere
Die Bundesregierung hat zum Wohnungsgipfel am Montag ein größeres Hilfspaket für die Baubranche beschlossen. Auf sechs Seiten werden 14 Maßnahmen aufgelistet, die für mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland sorgen sollen. Teilweise sind die Maßnahmen aber schon bekannt gewesen, teilweise sind es nur Absichtserklärungen, die noch mit den Bundesländern geklärt werden müssen. Einige Beschlüsse werden aber kurzfristig greifen und können schnell umgesetzt werden. Ein Überblick:
INVESTITIONSANREIZE
Die Bundesregierung plant verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen - die sogenannte degressive AfA. Jedes Jahr sollen vom jeweiligen Restwert sechs Prozent abgeschrieben werden können, was den Firmen mehr Liquidität verschafft. Die Hilfe soll für Wohngebäude gelten, mit deren Herstellung nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 begonnen wird. Die Maßnahme ist Teil des sogenannten Wachstumschancengesetzes von Finanzminister Christian Lindner (FDP), gegen das es in den Ländern Widerstand gibt, weil Länder und Kommunen den Großteil der erwarteten Steuermindereinnahmen stemmen müssten.
WENIGER KLIMASCHUTZ FORCIEREN
Wegen der hohen Zinsen und deutlich gestiegenen Baukosten wird auf noch strengere Vorgaben zur Dämmung neuer Häuser in der Amtszeit der Ampel-Regierung verzichtet. Hierfür haben vor allem die Grünen mit einer Kehrtwende den Weg freigemacht. In den Verhandlungen über die EU-Gebäuderichtlinie will sich die Regierung für anspruchsvolle Sanierungsquoten für den gesamten Gebäudebestand einsetzen. Verpflichtende Sanierungen einzelner Wohngebäude sollen aber ausgeschlossen werden.
METROPOLEN
"Der Bund wird in Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten den Bau von bezahlbarem Wohnraum für alle vereinfachen und beschleunigen", heißt es im Beschlusspapier der Regierung. Im Baugesetzbuch werde dafür eine Sonderregelung befristet bis Ende 2026 geschaffen. Die Gesetzesänderung sei noch dieses Jahr geplant. Für den sozialen Wohnungsbau sollen alle staatlichen Ebenen bis 2027 insgesamt rund 45 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.
BAUKREDITE FÜR FAMILIEN
Mehr Familien als bisher sollen zinsvergünstigte Baukredite in Anspruch nehmen können. Entsprechende Angebote der Förderbank KfW sind bislang ein Ladenhüter. Die Kredithöchstbeträge werden um 30.000 Euro erhöht. "Außerdem wird die Grenze des zu versteuernden Einkommens, bis zu dem ein zinsvergünstigtes Darlehen beantragt werden kann, von 60.000 Euro im Jahr auf 90.000 Euro im Jahr angehoben."
SANIERUNGEN
Junge Familien sollen verstärkt sanierungsbedürftige Häuser älterer Menschen übernehmen. 2024 und 2025 soll es dafür ein KfW-Förderprogramm geben. Der zusätzliche Finanzierungsbedarf soll aus dem Klima- und Transformationsfonds der Regierung kommen. Ein genaues Volumen wird noch nicht genannt.
GEWERBEIMMOBILIEN
Die Regierung will Impulse setzen, um leerstehende Gewerbeimmobilien zu Wohnungen umzurüsten. Das Potenzial wird hier auf bis zu 235.000 neue Wohneinheiten geschätzt. Das entsprechende KfW-Förderprogramm soll 2024 und 2025 mit insgesamt 480 Millionen Euro ausgestattet werden.
FLÄCHEN
Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wird die bislang bis Ende 2024 befristete Möglichkeit zur vergünstigten Abgabe eigener Grundstücke für öffentliche Aufgaben oder den sozialen Wohnungsbau verlängern - und zwar um fünf Jahre. "Sie schafft damit Anreize zur Entwicklung von Bauland durch die Kommunen." (Reuters)