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Sorge um Privatsphäre: Bayern ändert Gesetz zu Funkwasserzählern

Lesezeit: 6 min
28.09.2023 13:39  Aktualisiert: 28.09.2023 13:39
Der Einbau von Funkwasserzählern im eigenen Wohnbereich ist für viele Einwohner ein Problem. Sie sind besorgt über die bezogenen Daten und die damit verbundene Privatsphäre. Wie setzt sich hier das Interesse von Industrie und Wirtschaft gegen den Bürger durch?
Sorge um Privatsphäre: Bayern ändert Gesetz zu Funkwasserzählern
Bedroht das neue Gesetz von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Privatsphäre, wie Kritiker behaupten? (Foto: dpa)
Foto: Sven Hoppe

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Hatte die bayerische Regierung aus den Vorgängen dieses Sommers um das sogenannte Hei­zungsgesetz nichts gelernt? Gegen den Willen großer Teile der betroffenen Bevölkerung konnte es bekanntlich in seiner geplanten Fassung nicht durchgesetzt werden. Und Entspre­chendes hatte Bayerns Regierung selbst bereits vor fünf Jahren erfahren müs­sen, als sie sich nach zahlreichen Protesten aus der Bevölkerung veranlasst sah, ein voraussetzungsloses Recht zur Ablehnung von Funkwasserzählern in der Bayerischen Gemeindeordnung (§ 24) ausdrücklich festzuschreiben. Am 10. Juli 2023 aber wurde vom Bayerischen Landtag in zweiter Lesung eine Gesetzesänderung beschlossen, wonach jenes 2018 ein­geräumte Widerspruchsrecht mit Wirkung zum Jahresbeginn 2024 wieder kassiert wird[1]. Die Begrün­dung klingt teilweise kurios und jedenfalls nicht gerade demokratisch: In der Praxis habe die Regelung dazu geführt, dass in Bayern kaum noch funkauslesbare Wasserzähler eingebaut wurden! Das aber bedeutet ja nichts anderes, als dass man auf bayerischem Boden in Sachen Funkwasserzähler wieder einmal Politik gegen den offenkundig mehrheitlichen Willen der Bevölkerung machen möchte.

Gewiss, die Staatsregierung kann sich bei der vorgenommenen Gesetzesänderung auf die unsägliche Europäische Leitlinie von 2018 berufen, die fernablesbare Wasserzähler für Mietwohnungen und verbrauchsabhängige Mehrparteienwohnungen vorschreibt[2], um diese Vorschrift ansatzweise zu generalisieren. Doch die Gründe für die verbreitete Verweigerungs­haltung in der Bevölkerung gegenüber den häufig funkenden Was­serzählern waren und blei­ben beachtlich genug. Der ur­sprüng­liche, 2018 in Bayern später stornierte Geset­zes­entwurf hatte vorgesehen, dass die Grundrechte auf Freiheit der Person und auf die Un­verletzlichkeit der Wohnung tatsächlich eingeschränkt würden, um einen Duldungszwang hinsichtlich der Funkwasserzähler zu ermöglichen. Längst aber sind die Einseitigkeiten der bekannten Be­hauptungen durchschaut, wonach es wissenschaftlich erwiesen sei, dass Mobilfunkstrahlung ge­sund­heitlich völlig harmlos sei[3].

An sich ist ja Wissenschaft frei und pluralistisch ange­legt, zu­dem ergebnis­offen und im Zuge stetigen Fort­schritts revi­sionsbereit. Gleichwohl gilt es zu bedenken, dass in vielen Forschungsbe­reichen Ab­hängigkeiten bei diversen Pro­jek­ten und Studien von Geldge­bern und vorge­gebenen Interes­sen­lagen eine durchaus frag­würdige Rolle spielen[4]. Des­halb ist es auch kaum mög­lich, im Zusam­men­hang der Mobil­funk-Problematik pauschal von „der“ Wissen­schaft zu spre­chen, zu­mal die Er­gebnislage international keineswegs eindeutig ist[5]. Selbst die Beru­fung auf den „Main­stream der Wissenschaft“ kann nicht als Tot­schlag-Argument fun­gieren: Zu groß sind vielfach Ein­flussnahmen von nichtwis­sen­schaftlicher Seite auf Ergeb­nisse!

Bei Funkwasserzählern kommt hinzu, dass sie herade aufgrund der blitzschnellen Datenüber­tra­gung besonders geeignet sind, denkbaren Überwachungsmaßnahmen heute oder in der Zukunft zu dienen. Die bayerische IT-Expertin Yvonne Hofstetter hat schon 2018 in einem Interview zum Thema ihrer Befürchtung Ausdruck gegeben, offenbar würden sich erneut die Interessen von Industrie, Wirtschaft und Kom­munen gegen die Bürger durchsetzen[6]. Sie er­klärte damals, was heute ebenso zutrifft: „Man kämpft hier durchschaubar ums sogenannte Datengold – Stichwort Big Data, in der Überzeugung, dass das ‚Internet der Dinge‘ zu mehr Wirtschaftswachstum führen werde. Wo­zu sollen meine elektroni­schen Zähler den fast sekun­dengenauen Wasser­verbrauch meines Haushalts funken, wenn die Wasserwerke wirklich nur an der Verbrauchsmessung interessiert wären? Solche personenbezogenen Massendaten erhe­ben aus meiner beruflichen Erfahrung nur diejenigen, die Verhaltensprofile von Personen er­stellen wollen.“ Tatsächlich funktioniert das insbesondere im Zuge der Zusammenführung weiterer Daten aus anderen Quellen über betreffende Personen und Haushalte. Hofstetter be­tont, aus sekunden­ge­nauen Zählerdaten könne man „algorithmisch herleiten, wie viele Men­schen wirklich in einem Haushalt wohnen oder zu welchen Tageszeiten die Bewohner zu­hau­se anwesend sind.“ Mit solchen abgeleiteten Infor­mationen ließe sich das Wohnver­hal­ten schließlich sogar einigermaßen vorhersagen: „Dass Unbekannte wissen, wann meine Woh­nung leer steht, versetzt mich in allergrößte Sorge.“

Beim Heizungsgesetz hatte man diesen Sommer intensiv um das Prinzip der Technologie­freiheit gerun­gen und diese schließlich einigermaßen einräumen müssen. Warum soll es sol­che Tech­nolo­giefreiheit nicht auch bei Wasser- und Stromzählern sowie bei Rauchmeldern geben? Warum soll der Bürgerwille um des sogenannten Fortschritts willen politisch wieder einmal merklich ignoriert werden? Spielt man damit nicht ungewollt jenen verschwörungs­theoretischen Krei­sen in die Hände, die längst von einer „smarten Diktatur“ reden? Gerade in unseren Tagen wären Sig­na­le hochwichtig, dass es hierzulande nicht um den Abbau von Grund­rech­ten, son­dern um deren Wahrung gehen muss.

Aber die Digitalisierungspolitik sucht sich auch auf dem Gebiet des Wassererzählens techno­logisch rigoros durchzusetzen. Insofern stellt der Philosoph Eduard Kaeser zurecht fest: „Die Allianz von Big Science, Big Data und Big Industry ermutigt heute ein Vorwärts­stürmen, das das Nachdenken plattwalzt.“[7] Zugleich unter­streicht er: „Was ur­sprünglich zur Erleichterung unseres Lebens konzipiert wurde, verkehrt sich nun in eine Last, wenn nicht gar in eine Be­drohung.“

Immerhin behalten die Gemeinden nach der Bayerischen Gemeinde­ord­nung immer noch die Wahl, ob sie Funkwasserzähler einbauen wollen oder nicht; das können sie in ihren Satzungen festlegen. Und es besteht nach wie vor prinzipiell das Wider­spruchs­recht nach Artikel 21 der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), wonach betroffene Perso­nen be­rechtigt bleiben, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jeder­zeit gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten Widerspruch ein­zu­legen – gerade auch hinsichtlich eines auf die geltenden Bestimmungen gestütztes Profi­ling. Tatsächlich bekräftigt Johan­nes Franck in einer wissenschaftlichen Untersuchung: So­fern „per­so­nen­be­zo­gene Energiedaten in kurzen In­tervallen ohne ein Einwilligung der betrof­fenen Be­wohner er­hoben und verarbeitet werden, stellt dies einen nicht gerechtfertigten Eingriff in den Schutz­bereich von Art. 13 GG dar.“[8] Und auch hinsichtlich der biologischen Effekte von Mobil­funkstrahlung dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein[9]. Das ahnt man übrigens auch in Brüssel[10].

Hinweis: Von Prof. Dr. Werner Thiede liegt aktuell die Broschüre vor: „Im Namen des sogenannten Fortschritts. Zur zunehmenden Einschränkung bürgerlicher Schutz- und Frei­heitsrechte“ (pad-Verlag 2023).



APPELL gegen Zwang zu funkenden Zählern (2016)

  1. Die eigene Wohnung ist nach europäischem Recht ein besonders geschützter Raum; auch schon in Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es, nie­mand dürfe will­kürlichen Eingriffen in seine Wohnung ausgesetzt werden. Hierzu sollte sich niemand in Widerspruch stellen, indem er Bürgerinnen und Bürgern ihr bis­he­ri­ges Recht bestreitet, Funkemissionen in ihrem pri­vaten Lebensbereich abzu­lehnen.
  2. Der Bundesrat hat angesichts des vom Deutschen Bundestag am 23. Juni 2016 be­schlos­senen Ge­setzes zur Digitalisierung der Energiewende verlangt, dass doch noch ein Mitspracherecht für die Ver­brau­cher beim Einbau von „Smart Metern“ und bei der Einbindung in Kommuni­ka­tions­netze einzuräumen sei. Diese Nach­for­derung soll­te baldmöglichst konkret um­gesetzt werden.
  3. Digitale Geschäftsmodelle dürfen weder gesetzgeberisch noch firmenpolitisch über ge­sund­heit­li­che Aspekte und ethisch gebotene Vorsorge gestellt werden. Dem digi­ta­len Imperialis­mus von heute und morgen ist entschieden entgegenzutreten, statt ihm Tür und Tor zu öffnen.
  4. Die bislang geltenden Mobilfunk-Grenzwerte orientieren sich ursprünglich bloß an physi­kalischer Wärme­wir­kung. Die Schutzpflicht des Staates umfasst aber auch eine angemes­se­ne Berücksichtigung bio­lo­gi­scher Effek­te, die wissenschaftlich nicht mehr zu leugnen sind, weshalb im Wohn- und Schlafbereich die bereits 2008 vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) empfohlenen, viel niedrigeren Grenz­wer­te festgeschrieben werden sollten.
  5. Der Trend zur Vertuschung und Tabuisierung von funkkritischen Forschungser­geb­nis­sen in der Presse wie in den öffentlichen Ämtern muss ein Ende haben und einer neu­tralen Informa­tions­politik für Bürgerinnen und Bürger Platz machen.
  6. Das rechtlich und ethisch zu beachtende Vorsorgeprinzip außer Kraft zu setzen, damit tech­nischer „Fortschritt“ nicht be­hin­dert werde, ist eine derzeit öfter laut werdende, aber un­ethische Forderung. Gerade an­ge­sichts der an Tempo zunehmenden Technolo­gi­sie­rung unserer Kultur braucht es dringend kriti­sche Reflexionsbereitschaft hin­sichtlich der mög­lichen Folgen.
  7. Auch unabhängig von aktuellen wissenschaftlichen Beweislagen gilt es, Sorgen, Äng­ste und Be­schwerden von Bürgerinnen und Bürgern spätestens dort zu respektieren, wo ihre Mei­nungs­freiheit mit dem eigenen Lebensstil auch den persönlichen Wohn­raum betrifft.
  8. Die bereits eingespielte gesellschaftspolitische Rücksichtslosigkeit gegenüber der Min­derheit elek­trosensibler Mitmenschen muss als verwerfliche Diskriminierung ge­brandmarkt und auf allen Ebe­nen korrigiert werden, zumal hinreichend medizinische For­schungen und Belege für biolo­gi­sche und keineswegs nur hypochondrische Reak­tions­muster bei diesem Krankheits­syndrom vorliegen.
  9. Digitale Zähler- und Mess-Systeme funktionieren auch ohne Funk und Powerline. Un­ver­meidbare Vor­schriften und Realisierungen ihres Einbaus sollten deshalb zeit­nah verpflichtend das An­gebot alterna­ti­ver Lösungen wie Ethernet-Lan, Festnetz-DSL oder Glasfaser beinhalten.



    gez. Prof. i.R. Dr. rer. pol. Rüdiger Flick, Prof. i.R. Dr. jur. Heinz Albert Friehe, Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard, Prof. em. Dr. med. Karl Hecht, Prof. a.D. Helmuth Kern, Prof. i.R. Dr. phil. Dr. theol. Christoph L. Lorenz, Prof. Dr. phil. Ralf Lankau, Prof. Dr. theol. Werner Thiede

Quellen:

[2] Dazu Werner Thiede: Fernablesung der Heizung wird Pflicht. Bürger werden der Mobilfunk-Strahlung ausgesetzt, in: Deutsche Wirtschaftsnachrichten vom 12.12.2021:deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/516187/Fernablesung-der-Heizung-wird-Pflicht-Buerger-werden-der-Mobilfunk-Strahlung-ausgesetzt (Printfas­sung in: DWN Nr. 102, Januar 2022, 40-41).

[3] Vgl. Werner Thiede: Kann wahr sein, was nicht sein darf? Über mögliche negative gesundheitliche Aus­wirkungen von Mobilfunkstrahlung, in: Die Tagespost, Nr. 27 vom 7.7.2022, 25.

[4] Vgl. Christian Kreiß: Gekaufte Wissenschaft. Wie uns manipulierte Hochschulforschung schadet und was wir dagegen tun können, 2020. In der Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis räu­men Lin­da Nier­ling und Helge Torger­sen ein, zwar habe Neu­tra­lität lange als un­hin­terfragte Grund­lage im Selbst­ver­ständ­nis von Tech­nik­folgenabschätzung gegolten, doch in­zwi­schen sei „Neu­tralität als Mythos der Technik­fol­gen­ab­schät­zung“ entzaubert (Normativität in der Technikfolgenabschätzung, in: TATuP 28, 1/2019, 10-14, hier 10).

[5] Vgl. Werner Thiede: Wie WHO und Industrie die Gefahren des Mobilfunks herunterspielen – und die Ge­sundheit der Bevölkerung aufs Spiel setzen, in: Deutsche Wirtschaftsnachrichten vom 6.6.2021: deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/512337/Wie-WHO-und-Industrie-die-Gefahren-des-Mobilfunks-herunterspielen-und-die-Gesundheit-der-Bevoelkerung-aufs-Spiel-setzen?src=rec-newsboxes

[7] Eduard Kaeser: Trojanische Pferde unserer Zeit. Kritische Essays zur Digitalisie­rung, 2018, 124.

[8] Vgl. Johannes Franck: Smart Grids und Datenschutz, Frankfurt a.M. u.a. 2016, 151. Hier wird auch er­kennbar, warum die Smart Grid-Programmatik als solche keinen hinreichenden Grund für eine Auf­he­bung oder Einschränkung dieses schützenden Paragraphen darstellt.

[9] Vgl. Wilfried Kühling: Bewertungsdilemma Mobilfunk. Das Unvermögen staatlicher Risikobewertung endlich überwinden!, 2023; Diagnose:Funk (Hg.): Die Auseinandersetzung um die Deutungshoheit zu Risiken der Mobilfunk­strah­lung, 2022; Joseph Mercola: EMF – Elektromagnetische Felder, 2020; Werner Thiede: Mythos Mobilfunk. Kritik der strahlenden Vernunft, 2012.

[10] Ein Abgeordneten-Briefing des Wissen­schaft­lichen Diensts des Europäischen Parlaments von 2020 besagt mit Blick auf die 5G-Funktechnologie: „Zusammen mit der Art und Dauer der Ex­posi­tion scheinen Eigen­schaf­ten des 5G-Signals wie das Pulsieren die biologischen und ge­sund­heitlichen Auswirkungen der Exposition zu verstärken, ein­schließlich der DNA-Schä­den, die als Ursache für Krebs angesehen wer­den“ (www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail?newsid=1740).

Dr. theol. habil. Werner Thiede ist außerplanmäßiger Professor für Systematische Theologie an der Universität Er­lan­gen-Nürnberg, Pfarrer i.R. und Publizist (www.werner-thiede.de). Zuletzt erschien von ihm „Unsterblichkeit der Seele? Interdisziplinäre Annäherungen an eine Menschheitsfrage“ (2. Auflage, Berlin 2022); im Druck befindet sich das Büchlein „Himmlisch wohnen. Auferstanden zu neuem Leben“ (Leipzig 2023).


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