Die Nachricht sorgte selbst bei dem Teil der SPD für Unverständnis, der es bisher gut mit dem grünen Partner meinte. Der Bundeswirtschaftsminister und Grünen-Vizekanzler Robert Habeck hatte in einem Entwurf zu einer Förderrichtlinie verfügt, den Umstieg auf Pellets-Heizungen nur dann zu fördern, wenn sie mit Wärmepumpen kombiniert werden. Seitdem läuft die SPD als auch die FDP dagegen Sturm, denn der Vorstoß Habecks war nicht nur mit den Partnern nicht abgesprochen – SPD und FDP sehen in der neuen Förderrichtlinie vielmehr einen trickreichen Versuch des Bundeswirtschaftsministers, einen mühsam gefundenen Kompromiss in einem entscheidenden Punkt auszuhebeln und nachträglich im Sinne der Grünen auszulegen. In einer Erklärung haben die Vizefraktionschefs der SPD darauf hingewiesen, dass der Vorstoß aus dem Hause Habecks nicht den getroffenen Absprachen entspräche, da diese auch das Heizen mit Holz und Pellets als förderfähig eingestuft hätten.
Maximalforderungen der Grünen
Der Streit um die kreative Auslegung eines Kompromisses ist nur das jüngste Beispiel eines Prozesses der Entfremdung. Sei es die Wirtschafts- und Energiepolitik, sei es Außenpolitik oder Fragen von Asyl und Migration – die Grünen stoßen mit ihren Maximalforderungen auf immer mehr Unverständnis.
Entgeistert beobachten die Koalitionspartner von SPD und FDP, wie Bundeswirtschaftsminister Habeck statt sich um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschlands zu kümmern, drauf und dran ist, der für Deutschland so wichtigen Exportindustrie Knüppel zwischen die Beine zu werfen, als er – abermals über eine Förderrichtline – anordnete, dass Exporte nur noch dann die volle Förderung des Bundes erhalten, wenn sie umweltverträglich sind.
Davor hatte es Habeck schon geschafft, mit einer verunglückten Gasumlage und einen verkorksten Heizungsgesetz für maximale Verwirrung zu sorgen. Irritiert beobachten die Koalitionspartner, wie Habeck es geradezu mühelos schafft, weite Teile der Industrie gegen sich und die gesamte Bundesregierung aufzubringen.
Fragwürdige Auftritte
Doch nicht nur im Inland sind die Grünen dabei, für Unverständnis zu sorgen. Im Ausland ist gerade Bundesaußenministerin Annalena Baerbock gerade tatkräftig bemüht, Deutschland zu isolieren. Mit wenig diplomatischem Taktgefühl, dafür aber umso größerer Lautstärke, kanzelt Baerbock auf internationaler Bühne so ziemlich alle und jeden ab, der nicht ihren Vorstellungen einer „wertegeleiteten, feministischen Außenpolitik“ entspricht. Der erste, der von Baerbock öffentlich belehrt wurde, war der türkische Außenminister Cavusoglu. Auf offener Bühne maßregelte - ausgerechnet in Ankara - die Besucherin Baerbock den Gastgeber und belehrte ihn in Fragen der Menschenrechte. Eine derartige Missachtung hat die Türkei bis heute nicht vergessen. Dies wiegt umso schwerer als die Türkei, die als eine der wenigen Länder im Westen noch über einen verlässlichen Gesprächskontakt mit Russland verfügt, dringend gebraucht wird, wenn es etwa um die Vermittlung eines Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine geht.
Doch einmal so richtig in Fahrt gekommen, gab Baerbock wenig später im Europarat zum Besten, dass man sich mit Russland im Krieg befinde. Die Mitglieder im Europarat schwankten zwischen Erstaunen und Entsetzen. Kurz danach ließ Baerbock auch den obersten politischen Repräsentanten von Deutschlands wichtigsten Handelspartner öffentlich wissen, was sie von ihm hält, als sie Chinas Regierungschef in einem Fernsehinterview einen Diktator nannte. Den letzten Streich legte die Bundesregierung hin, als sie, nicht zuletzt aufgrund der rigiden Haltung der Grünen, einen lang zuvor ausgehandelten europäischen Asylkompromiss blockierte. Der frühere SPD-Außenminister Sigmar Gabriel sprach nicht wenigen aus dem Herzen, als er in einem Gastkommentar Baerbock vorhielt, „Außenpolitik mit dem Megafon“ betreiben zu wollen.
Offene Führungsfrage
Zu all den sachlichen Differenzen kommt bei den Grünen noch ein Führungsproblem dazu. Es hat zur Folge, dass bei den Grünen viele mitreden, aber keiner wirklich entscheidet. Inzwischen massieren sich Vertreter der Koalitionsparteien SPD und FDP gleichermaßen genervt die Schläfen, wenn es um das Thema „Absprachen mit den Grünen“ geht. Formell ist Bundeswirtschaftsminister Habeck Vizekanzler – und damit eigentlich Verhandlungsführer der Grünen in der Koalition. Doch Habecks Wort ist bei den Grünen nur von minderem Gewicht. Argwöhnisch beobachtet wird er von Außenministerin Baerbock, die sich selbst berufen sieht, an der Spitze zu stehen. Um die Selbstblockade aufzulösen, ersonnen die Grünen eine Sechserrunde, bestehend aus Habeck, Baerbock, den beiden Fraktionschefinnen und den beiden Parteivorsitzenden. Das Problem ist nur, in dieser Runde wird ziemlich viel besprochen und eher wenig entschieden.
Das alles führt am Ende immer mehr dazu, dass die SPD unter Kanzler Scholz sich eher mit der FDP verständigt – und die Grünen das Nachsehen haben. Letztes Beispiel war nun der Wohnungsgipfel, auf dem Scholz ohne viel Federlesens grüne Vorstellungen vom ökologischen Bauen kassierte.
Inzwischen hat es aber auch die Union aufgegeben, den Grünen Avancen zu machen – trotz der Zusammenarbeit in manchen Ländern. Immer mehr Christdemokraten und -sozialen dämmert es, dass eine Liaison mit den Grünen zumindest auf Bundesebene in den eigenen Reihen kaum noch vermittelbar ist. Und so fällt es den Grünen zusehends schwer, für ihre Anliegen noch Partner zu finden.