Finanzen

EZB droht den Banken die Daumenschraube anzuziehen

EZB-Ratsmitglied Holzmann schlägt eine Verzehnfachung der Mindestreserve vor. Den Banken drohen Kosten in Milliardenhöhe, die sie an die Kunden weiterreichen werden.
27.09.2023 14:46
Aktualisiert: 27.09.2023 14:46
Lesezeit: 3 min

Das EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann plädiert für eine massive Erhöhung der Mindestreserve der Geschäftsbanken bei der EZB von bis zu zehn Prozent. "Ich schlage vor, dass die Banken mehr Geld unverzinst bei uns als Mindestreserve einlegen, wie das früher auch der Fall war", sagte der Gouverneur der österreichischen Nationalbank (OeNB) der WirtschaftsWoche laut Vorabbericht vom Mittwoch. "Ich denke an fünf bis zehn Prozent." Aktuell liegt die unverzinste Mindesteinlage der Europäischen Zentralbank (EZB) für Geschäftsbanken bei einem Prozent der Kundeneinlagen.

Holzmann erwartet, dass sich die Währungshüter aus Frankfurt mit einem solchen Schritt nicht beliebt bei der Branche machen würden: "Klar, das wird jetzt zu einem Aufschrei bei den Banken führen."

Der Bundesverband der deutschen Banken (BdB) hatte erst am Dienstag einen solchen Schritt vehement abgelehnt. "Eine höhere, unverzinste Mindestreserve wirkt wie eine Steuer auf Bankeinlagen", sagte BdB-Hauptgeschäftsführer Heiner Herkenhoff. "Damit haben die Banken weniger Spielraum, um den Sparern höhere Zinsen anzubieten." Bereits die Entscheidung der EZB, die Mindestreserve nicht mehr zu verzinsen, werde in den kommenden zwölf Monaten die Zinserträge der europäischen Banken um 6,6 Milliarden Euro reduzieren. Bei den deutschen Instituten belaufe sich dies auf 1,8 Milliarden Euro.

Holzmann geht davon aus, dass er für seine Position im EZB-Rat Verbündete findet. "Ich ahne, dass der eine oder andere Sympathie für meinen Standpunkt hat." Der Österreicher begründet den Schritt damit, dass die Banken von der unkonventionellen Geldpolitik der EZB in der Krise erheblich profitiert hätten. "Sollten wir in Zukunft erneut zu vergleichbaren Maßnahmen gezwungen sein, brauchen wir dazu Reserven in unserer Bilanz", sagte der Österreicher. Sollte der EZB-Rat einen Beschluss fassen, könne die Mindestreserve "im Prinzip sehr rasch" angehoben werden.

Derzeit müssen Geschäftsbanken im Euroraum eine Mindestreserve - also einen bestimmten Geldbetrag auf einem Girokonto - von einem Prozent ihrer Kundeneinlagen bei der Notenbank halten. Dafür erhalten sie von der EZB seit kurzem keine Zinsen mehr. Neben Holzmann liebäugeln mehrere EZB-Währungshüter Insidern zufolge damit, die Mindestreserve anzuheben.

Mit einer Anhebung der Mindestreserve würde Liquidität aus dem Bankensystem genommen. Zugleich würde damit auch der Umfang der Zinszahlungen sinken, welche die 20 Notenbanken der Euro-Staaten an die Geschäftsbanken auf deren Einlagen bei ihnen zahlen müssen. Den Insidern zufolge befürworten manche EZB-Beamte eine Anhebung des Mindestreserve-Satzes auf einen Wert, der näher bei 3 oder 4 Prozent liegt.

Holzmann erhält Unterstützung durch Bundesbank

Neben OeNB-Gouverneur Holzmann hat auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel eine Erhöhung der Mindestreserveanforderungen befürwortet, obwohl er zugleich angedeutet hat, dass solche Schritte nicht unmittelbar bevorstehen. Die Entscheidung, die Zinsen auf die Reserven abzuschaffen, sei ein "vorsichtiger Schritt" gewesen, sagte er letzte Woche und fügte hinzu, dass er "das Thema im nächsten Jahr sicherlich wieder aufgreifen" werde.

Im Gegensatz dazu hält der Gouverneur der spanischen Zentralbank, Pablo Hernandez de Cos, nicht viel von Überlegungen, die Mindestreserve-Anforderungen für Banken im Euro-Raum zu erhöhen. Jede mögliche Entscheidung müsse immer geldpolitisch begründet und verhältnismäßig sein, sagte er der Börsen-Zeitung in einem am Freitag veröffentlichten Interview. "Mir scheint in diesem Sinne ein weiteres Vorgehen an dieser Front nicht naheliegend."

De Cos verwies zudem auf kräftige Fortschritte, die die EZB bereits beim Abbau ihrer durch die jahrelangen Anleihenkäufe aufgeblähten Bilanz erzielt habe. Inzwischen ist die Bilanzsumme der EZB von über 9 Billionen Euro auf aktuell 7,1 Billionen Euro geschrumpft. Und sie nimmt weiter ab. So werden auslaufende Anleihen aus dem älteren billionenschweren Anleihenkaufprogramm APP seit Juli nicht mehr ersetzt.

Bei den Reinvestitionen des Pandemie-Notfall-Programms PEPP ist de Cos zufolge aber Vorsicht angebracht. Diese sind aus seiner Sicht "die erste Verteidigungslinie, wenn es Probleme bei der Übertragung der Geldpolitik gibt". Anleihenbestände nicht nur auslaufen zu lassen, sondern sogar aktiv zu verkaufen, sei keine Option. "Das ist nichts, was wir derzeit in Betracht ziehen oder in Zukunft in Betracht ziehen werden", so der Spanier. (Reuters/gu)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...