Weltwirtschaft

Versorgt Indonesien den Westen mit Seltenen Erden?

Lesezeit: 3 min
03.10.2023 09:16  Aktualisiert: 03.10.2023 09:16
Indonesien weist große Vorkommen Seltener Erden und weiterer wichtiger Rohstoffe auf. Insbesondere Nickel, das für die Produktion von E-Autos und Solarmodule gebraucht wird, findet sich in dem südostasiatischen Land. Der Westen erhofft sich infolgedessen vorteilhafte Deals mit Jakarta, um seine Abhängigkeit von chinesischen Rohstoffen einzudämmen. Doch Peking könnte ihm schon zuvorgekommen sein.
Versorgt Indonesien den Westen mit Seltenen Erden?
Ein Partner Chinas? Indonesiens Präsident Joko Widodo (M.) 2017 auf dem Belt and Road International Forum an der Seite von Wladimir Putin und Xi Jinping. (Foto: dpa)
Foto: Alexei Nikolsky

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Auf der Hannover Messe 2023 sprach Olaf Scholz direkt zum indonesischen Präsidenten Joko Widodo und versicherte ihm, dass er alles für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indonesien tun würde. Seit 2016 verhandeln die EU-Kommission und das südostasiatische Land über engere Handelsbeziehungen. Ein Hintergrund: Die EU und vornehmlich Deutschland brauchen Nickel, das sie nicht mehr aus Russland und China importieren möchten.

Indonesien verfügt über gewaltige Nickelvorkommen und hat seine Fördermengen seit 2018 verdreifacht. Es könnte zu einem der wichtigsten Lieferanten des Minerals werden, das vorrangig in der Edelstahlproduktion eingesetzt und für die Produktion von E-Autos und Solarpanels benötigt wird. Derweil diskutiert Widodo laut eigenen Angaben selbst mit Elon Musk, BYD und Hyundai, die allesamt von den Nickelvorkommen profitieren möchten. Doch ist Indonesien wirklich so neutral und dem Westen zugetan, wie es westliche Politiker postulieren?

Joko Widodo: ein indonesischer Obama?

Als Joko Widodo im Jahr 2014 an die Macht kam, erhofften sich viele westliche Beobachter mit ihm eine indonesische Version von Barack Obama: Zumindest trat er mit ambitionierten Plänen zur Reformation des Landes an. Und tatsächlich hat Widodo seit Amtsantritt Erstaunliches geleistet: Von der Korruptionsbekämpfung bis hin zu riesigen Infrastrukturprojekten kann der Unternehmer einige Prestigeprojekte vorweisen, die die Führungsrolle Indonesiens in Südostasien bekräftigen. So soll das Land bis 2030 zu einer der zehn stärksten Volkswirtschaften weltweit aufsteigen

Doch das liberale und fortschrittliche Auftreten Widodos kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er Forderungen radikaler Islamisten erfüllt, die Todesstrafe wieder salonfähig macht und die Pressefreiheit partiell einschränkt. So ganz klappte es also nicht mit der Imitation der liberalen Galionsfigur Obama. Auch in Hinblick auf die Geopolitik verhält sich der Präsident nicht so, wie es Washington und Brüssel gerne hätten.

Eine Million Freunde, aber keine Feinde

Indonesien ist mit seinen 278 Millionen Einwohnern ein demografisches Schwergewicht in der Region, das, anders als China, Australien oder Südkorea, in den kommenden Jahren ein natürliches Bevölkerungswachstum erfahren wird. Durch die kluge Handelspolitik des Landes konnte es seit den 1970er-Jahren fast durchgängig stabile Wachstumsraten erzielen. Nach 1945 positionierte sich Indonesien betont neutral und verfolgte die Philosophie: „Eine Million Freunde, aber keine Feinde“.

Insofern verwundert es nicht, dass das Land seither wirtschaftliche und militärische Beziehungen in die ganze Welt unterhält. Technik aus Japan und Südkorea, bilaterale Beziehungen zu Indien und den USA und Kooperationen mit China stehen augenscheinlich in keinem Widerspruch zueinander. Indonesien ist etwa Teil der Neuen Seidenstraße und lud kürzlich Chinas Ministerpräsident Li Qiang ein, um den gemeinsamen Hochgeschwindigkeitszug einzuweihen, dessen Streckennetz maßgeblich von China finanziert und aufgebaut wurde.

Indonesiens Wirtschaft — von China dominiert?

Doch die Fronten scheinen sich zu verschieben. So beklagte Indonesiens Vizepräsident Jusuf Kalla im Mai, die Regierung ließe es sehenden Auges zu, dass China Indonesiens Wirtschaft dominiere. So hätten die Investitionsprogramme Pekings zu einem Schuldenberg von etwa 67 Milliarden US-Dollar geführt. Folglich befinde sich Jakarta in totaler Abhängigkeit von China.

Und tatsächlich ist Indonesien laut der Stiftung Wissenschaft und Politik das einzige südostasiatische Land, das sich eine Sicherheitsarchitektur mit China vorstellen kann, anstatt gegen Peking aufzubegehren. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass sich Indonesien lukrative Deals mit Tesla oder Hyundai entgehen lassen wird. Doch China hat ganze Vorarbeit geleistet und hat bereits seine Arbeiter und Firmen im Land fest etabliert — Proteste der Einwohner wie etwa auf den Philippinen oder in Vietnam bleiben bislang aus. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass sich Jakarta an Peking annähern wird, solange das Reich der Mitte die territoriale Integrität des Landes nicht antastet.

Freihandelsabkommen nach Brüsseler Art

Das bedeutet freilich nicht, dass Indonesien gänzlich unaufgeschlossen gegenüber westlichen Partnern wäre. Doch ob japanische Technik, italienische Investitionen oder amerikanische Militärhilfe: Wer mit Indonesien kooperieren will, muss liefern. Der Westen als Block tut dies nur punktuell. So sind etwa die chinesischen Investitionen in das Land bei Weitem höher als die der US-Amerikaner, ein Trend, der sich fortsetzen dürfte.

Die EU versucht derweil mit bescheidenem Erfolg, die seit sieben Jahren andauernden Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen zu führen. Dieses soll laut Olaf Scholz bis Ende des Jahres unterzeichnet sein. Jüngste Konflikte lassen daran aber zweifeln. So belegte die Europäische Kommission Indonesien mit einer EU-Durchsetzungsverordnung, um das Land für seine Ausfuhrbeschränkung von Nickel zu rügen. Der Beschluss wurde von einigen Parlamentariern selbst heftig kritisiert, während andere wie der Autor Robert Francis konstatiert: „Die Kommission nutzt eben ihre eigenen Waffen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Europa seine potenziellen Freihandelspartner verschreckt, indem es seine Vision eines fairen Handels brachial durchsetzen möchte. Die Frage ist, ob die EU damit wirklich ihre eigenen Interessen schützt oder vermeintlich fruchtbare Handelsbeziehungen im Keim erstickt. Denn während sich Widodo seine Geschäftspartner aussuchen kann und die Produktion von Batterien und Elektroautos im eigenen Land forciert, gehen Brüssel allmählich die Optionen aus, günstige Rohstoffe und Produkte für E-Autos und Solarzellen zu beziehen. Der Energie- und Mobilitätswende dürfte damit nicht geholfen sein.

                                                                            ***

Virgil Zólyom, Jahrgang 1992, lebt in Meißen und arbeitet dort als freier Autor. Sein besonderes Interesse gilt geopolitischen Entwicklungen in Europa und Russland. Aber auch alltagsnahe Themen wie Existenzgründung, Sport und Weinbau fließen in seine Arbeit ein.


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