Unternehmen

Massiver Einbruch in der deutschen Startup-Szene

Lesezeit: 3 min
03.10.2023 15:11  Aktualisiert: 03.10.2023 15:11
Im ersten Halbjahr dieses Jahres ist sowohl die Zahl als auch besonders der Umfang der Finanzierungen für deutsche Start-up-Unternehmen dramatisch zurückgegangen. Die Risikokapitalsumme hat sich praktisch halbiert, wie eine den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) vorliegende Studie der internationalen Unternehmensberatungsgruppe Ernst&Young belegt.
Massiver Einbruch in der deutschen Startup-Szene
Eine Startup-Firma in Berlin. Im ersten Halbjahr sind die Finanzierungen drastisch zurückgegangen. (Foto: dpa)
Foto: Jens Kalaene

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben die deutschen Jungunternehmen fast 3,1 Milliarden Euro einsammeln können. Das ist ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 49 Prozent. Dabei war nicht nur die Zahl der Finanzierungen rückläufig, sondern vor allem der Umfang der Finanzierungen, wie die Studie zeigt. So gab es im ersten Halbjahr dieses Jahres 447 Finanzierungsabschlüsse, im Vorjahreszeitraum waren es noch 549, dies ist ein Minus um 19 Prozent. Wesentlich dramatischer ist allerdings der Rückgang der Finanzierungsumfänge, dieser brach von einem Umfang von 6,05 Milliarden Euro im Vorjahr auf jetzt 3,05 Milliarden ein. Das, so die Prüfer von Ernst&Young, liege vor allem am Rückgang großer Abschlüsse. Denn: Waren es im ersten Halbjahr noch 15 Abschlüsse im Wert von mehr als 100 Millionen Euro, die in Deutschland in diesem Segment getätigt wurden, gab es in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 nur noch fünf Abschlüsse in dieser Größenordnung.

Gründe der Krise

Der Autor der Studie und Partner von Ernst&Young in Deutschland, Thomas Prüver, sieht die Gründe für den Einbruch bei den Startup-Finanzierungen in einem ganzen Bündel von Ereignissen: Zum einen drückten die erheblichen geopolitischen Risiken die allgemeine Stimmung, hinzu käme ein deutlicher Anstieg der Zinsen und ein hoher Inflationsdruck. All dies belaste die Konjunktur und damit die Investitionsneigung auch in der Startup-Szene.

Besonders betroffen von dem Einbruch ist die Hauptstadt Berlin. Zwar hat die Spreemetropole immer noch ihren Spitzenplatz in der Startup-Szene behaupten können, doch die Konkurrenz holt auf. So hat zwar Berlin auch im ersten Halbjahr dieses Jahres mit insgesamt 47 Prozent der Finanzierungssumme seine Pool-Position verteidigt, jedoch hat es mit einem Minus von 56 Prozent auch den stärksten in Deutschland gemessenen Rückgang zu verzeichnen gehabt. Gefolgt wird das Land Berlin hinsichtlich der Finanzierungssumme von Bayern. Das Süd-Bundesland hat zwar auch eingebüßt, aber mit einem Rückgang von minus 27 Prozent deutlich weniger als Berlin. Durch den vergleichsweisen geringeren Verlust aber hat Bayern jedoch an Marktanteilen dazu gewonnen, nämlich von 19 auf 28 Prozent der Gesamtsumme. Auf die weiteren Plätze folgen dann Hamburg und Nordrhein-Westfalen.

Vorteile Berlins

Die Gründe für diese Entwicklung sieht der Autor der Studie, Prüver, darin, dass Berlin „als Metropole von Weltrang deutliche Vorteile im Kampf um Fachkräfte“ habe. Vor allem bei Talenten aus dem Ausland könne die Hauptstadt punkten. Doch zeige sich zunehmend, dass „Jungunternehmen auch in anderen Städten und Regionen punkten“ können. So sei es bemerkenswert, dass einer der größte Finanzierungsabschlüsse der ersten Hälfte dieses Jahres in Hamburg getätigt wurde – und zwar in Höhe von 215 Millionen Euro.

Stark im Kommen sind in der Startup-Szene Deutschlands Unternehmen mit Nachhaltigkeitsbezug. Denn: Im ersten Halbjahr 2023 betraf jede fünfte Finanzierungsrunde ein Startup mit Sustainability-Hintergrund. Das ist ein neuer Rekord. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 910 Euro in Startup-Unternehmen mit Nachhaltigkeits-Fokus investiert. Diese Entwicklung kommt für den Autor der Studie nicht überraschend: Dank ihrer kompakten Struktur könnten Startups ihre Vorteile in punkto Schnelligkeit ausspielen und so schneller als andere auf neue Bedürfnisse gerade auch in den Bereichen Nachhaltigkeit und Kilmaschutz reagieren. Insgesamt floss in dem Berichtszeitraum das meiste Geld (769 Millionen) in den Bereich Software&Analytics, dahinter kommen dann die Bereiche Energie (677 Millionen) und E-Commerce.

Verhaltener Optimismus

Trotz des Einbruchs bei den Finanzierungen in der ersten Hälfte des Jahres gibt es in der Szene Grund für verhaltenen Optimismus. So gebe es wieder erste vorsichtige Anzeichen für eine Erholung. So sei der Abwärtstrend bei den Finanzierungen, der im November vergangenen Jahres begonnen habe, im Frühjahr gestoppt worden. Es zeigten sich nun am Markt erste Stabilisierungstendenzen, denn die Bereiche E-Commerce und Education konnten wieder ein Plus verzeichnen.

Das Startup-Barometer der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst&Young basiert auf einer Analyse der Investitionen in deutsche Startups. Als Startup werden dabei grundsätzlich Unternehmen gewertet, die nicht älter als zehn Jahre alt sind. Die Beratungsgruppe Ernst&Young ist eine der großen weltweit operierenden Prüfungs- und Beratungsgesellschaften mit Sitz in London. In Deutschland beschäftigt Ernst&Young von seinem Hauptsitz in Stuttgart aus rund 11.000 Beschäftigte, die im vergangenen Jahr einen Gesamtumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro erwirtschaftet hatten.

 


Mehr zum Thema:  

 

DWN
Unternehmen
Unternehmen „Irreführende Praktiken“: Shein muss deutsche Website anpassen
20.05.2024

Nach einer Abmahnung durch deutsche Verbraucherschützer hat Shein eine Unterlassungserklärung unterzeichnet. Laut vzbv-Chefin Pop machen...

DWN
Technologie
Technologie BYD baut erstes Werk in der EU: Eine Gefahr für Deutschlands Autobauer?
20.05.2024

Bereits seit Dezember 2023 steht fest, dass BYD, Chinas wichtigste und staatlich geförderte Marke für Elektroautos, ein Werk in Szeged in...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview mit Ex-Militärberater Jörg Barandat (zweiter Teil): Die Welt ist im Wasserkampf
20.05.2024

Jörg Barandat war unter anderem militärischer Berater im Auswärtigen Amt sowie Dozent für Sicherheitspolitik an der Führungsakademie...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview mit Ex-Militärberater Jörg Barandat: „Wasser und Energie sind untrennbar miteinander verbunden.“
19.05.2024

Wasser sollte nicht getrennt von anderen Faktoren wie Energie und Klima betrachtet werden, sagt Jörg Barandat, langjähriger Berater...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Im Sog der Krise: Chinas Immobilienbranche unter Druck
19.05.2024

Seit einigen Jahren belastet die Immobilienkrise China und beeinträchtigt das wirtschaftliche Wachstum. Die Geduld vieler Gläubiger...

DWN
Politik
Politik Absturz des Präsidentenhubschraubers im Iran: „Alle Insassen sind tot“
19.05.2024

Ein Hubschrauber mit Irans Präsident Raisi und Außenminister Amir-Abdollahian ist abgestürzt. Die Insassen sind tot. Es wirft Fragen zur...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft EU-Kommission unterstützt Lausitz: Auf dem Weg zum "Netto-Null-Valley"
19.05.2024

Wie kann man ohne die Freisetzung von Treibhausgasen produzieren? Das Kohlerevier in der Lausitz strebt danach, als Modellregion in Europa...

DWN
Politik
Politik 75 Jahre Europarat: Ein Jubiläum in turbulenten Zeiten
19.05.2024

Der einst stolze Europarat feiert sein 75-jähriges Bestehen, doch das Jubiläum findet inmitten von Krisen und Unsicherheit statt,...