Immer mehr Arbeitnehmer leisten Sonderzahlungen an die gesetzliche Rentenversicherung, um vorzeitig in Rente zu gehen und dabei Abschläge zu vermeiden. Waren es im Jahr 2012 noch 933, stieg die Zahl bis zum Jahr 2021 auf über 41.000.
Der Grund dürften nicht bloß die geringen Kontozinsen der vergangenen Jahre und das steigende Renteneintrittsalter sein. Auch das Rentenniveau sinkt seit Jahrzehnten: Etwa erhöhte sich die Rente seit dem Jahr 2010 um 24 Prozent, während das Durchschnittseinkommen laut der Deutschen Rentenversicherung um 30 Prozent stieg.
Der Rentenberater Andreas Irion erachtet den Kauf von Rentenpunkten dennoch für viele Arbeitnehmer als attraktiv. Nicht jeder verfüge über die Risikobereitschaft, um sein Geld an der Börse anzulegen. Außerdem seien teils erhebliche Steuernachlässe drin.
Die Mehrzahl der Einzahler, die durchschnittlich lange lebten, landeten daher in der Gewinnzone. „Wenn man mal die Rechnung für alle Alterskohorten macht und typisierte Annahmen zu Steuern setzt, lohnt sich das für über 80 Prozent der Männer“, erklärt der stellvertretende Präsident des Bundesverbands der Rentenberater. Entscheidend sei, ob man sein Geld gerne am Kapitalmarkt anlege oder man lieber mehr Sicherheit wünsche.
Ein Rentenpunkt kostet 8024 Euro
Ein Rentenpunkt kostet für Einzahler das gleiche wie für normale Arbeitnehmer, nämlich 18,6 Prozent des Durchschnittseinkommens. Das sind im Jahr 2023 rund 8024 Euro (43.142 Euro mal 0,186). Im Osten ist ein Rentenpunkt etwas günstiger (7806 Euro).
Einzahler müssen mindestens 50 Jahre alt sein. Außerdem muss die Chance bestehen, dass sie vor Renteneintritt mehr als 35 Jahre einzahlen werden. Wer also mit 67 in Rente muss, muss mit 50 Jahren mindestens 22 Jahre eingezahlt haben.
35 Versicherungsjahre sind nämlich nötig, um vorzeitig mit Abschlägen in Rente zu gehen. Ein vorzeitiger Eintritt ist frühestens vier Jahre vor dem regulären Renteneintritt möglich, also mit 63 Jahren (62 Jahre mit Schwerbehinderung). Wer 45 Jahre oder mehr eingezahlt hat, kann sogar ohne Abschläge früher in Rente gehen.
Pro Kalendermonat wird ein Abschlag von 0,3 Prozentpunkten fällig. Wer also bis 67 arbeiten muss, aber mit 66 Jahren in Rente geht, würde 3,6 Prozent weniger erhalten (12 mal 0,3 Prozentpunkte). Der Abschlag würde allerdings auf die Rentenansprüche anfallen, die der Arbeitnehmer bis zum 66. Lebensjahr angesammelt hat.
Andreas Irion rät unter vier Bedingungen vom Punktekauf ab. Erstens sollten diejenigen davon absehen, die kein Vertrauen in die gesetzliche Rente hätten und nicht ruhig schlafen könnten. Zweitens Arbeitnehmer, die etwas von Geldanlage verstünden und das Geld selbst anlegen wollten. Außerdem Leute, die jederzeit Zugriff auf das Geld wünschten oder vererben wollten.
Rendite ist relativ gering
Ein Nachteil ist das Klumpenrisiko. Arbeitnehmer haben ohnehin einen Großteil der Altersvorsorge in der gesetzlichen Rente geparkt. Je mehr Geld sie einzahlen, desto stärker sind sie von Negativentwicklungen betroffen. Experten berichten übereinstimmend, dass die Finanzierung der Rente nicht gesichert ist und einschneidende Reformen unumgänglich sind – etwa über ein höheres Renteneintrittsalter, höhere Beiträge oder weniger Rente.
Die Rendite ist außerdem sehr gering. Die Deutsche Rentenversicherung schätzt diese für einen Arbeitnehmer mit durchschnittliche Lebenserwartung auf etwas über 3 Prozent. Nach Abzug einer langfristigen Inflationsrate von 2 Prozent liegt die Realrendite also bei 1 Prozent.
An den Aktienmärkten war langfristig ein Vielfaches drin. Laut Forschern der London Business School, die im Auftrag der Credit Suisse die Langfristrenditen verschiedener Anlageklassen ermittelten, stiegen Aktien aus Industrie- und Schwellenländern um 5 Prozent pro Jahr. Diese Zahl enthält Wertverluste der Aktien aufgrund zweier Weltkriege, zahlreicher Finanzkrisen und hoher Inflation. Aktien-ETFs auf breit streuende Indizes wie den MSCI ACWI oder den FTSE All-World bieten also höhere Renditechancen auf lange Sicht. Die Forscher untersuchten Daten für 35 Industrie- und Schwellenländer von 1900 bis 2022.
Demgegenüber stehen wiederum Steuerersparnisse. Diese können laut Stiftung Warentest bis zu 40 Prozent der eingezahlten Summe betragen und hängen von der Einkommenshöhe und dem Umfang der Altersvorsorge ab. Ein pauschaler Rat lasse sich daher nicht geben. „Vor einer Investition in die gesetzliche Rentenversicherung heißt es also genau rechnen.“
Wie leiste ich die Sonderzahlung?
Interessenten können sich kostenlos bei der Deutschen Rentenversicherung informieren. Beratungsstellen gibt es bundesweit und finden sich über die Internetseite der Deutschen Rentenversicherung. Eine Alternative ist der Gang zu einem Rentenberater. Dieser kann Tricks und Optimierungspotenzial aufzeigen, um früher in Rente zu gehen.
Außerdem kann man einen unverbindlichen „Antrag auf Auskunft über die Höhe der Beitragszahlung zum Ausgleich einer Rentenminderung“ stellen. Das hierzu notwendige V0210-Antragsformular findet sich auf der Internetseite der Rentenversicherung zum Download.
Antragssteller müssen sich innerhalb von drei Monaten nach Antragserhalt entscheiden, ob sie die Sonderzahlung leisten. Ansonsten müssen sie den Antrag erneut stellen. Die Sonderzahlung ist ratierlich oder einmalig zu leisten. Die Ratenzahlungen steigen allerdings entsprechend der Rentenerhöhung an, wenn sie über mehrere Jahre hinweg entrichtet werden. Die Einmalzahlung bleibt unverändert, solange innerhalb der Dreimonatsfrist bezahlt wird.