Politik

Kosten explodieren: Kabinett lockert Arbeitsverbot für Asylbewerber

Die Bundesregierung will Asylbewerber schneller in den Arbeitsmarkt bringen. Zuletzt waren die Kosten im Sozialsystem explodiert. Eine Berliner Senatorin fordert, eine Flüchtlingsnotlage auszurufen, um die Schuldenbremse auszuhebeln.
01.11.2023 13:55
Aktualisiert: 01.11.2023 13:55
Lesezeit: 2 min
Kosten explodieren: Kabinett lockert Arbeitsverbot für Asylbewerber
Bauarbeiter auf einer Baustelle. (Foto: istockphoto.com/Akarawut Lohacharoenvanich) Foto: Akarawut Lohacharoenvanich

Die Bundesregierung will Asylbewerber schneller in den Arbeitsmarkt integrieren. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch nach Angaben aus Regierungskreisen eine Formulierungshilfe für entsprechende Gesetzesänderungen.

Dies ist Teil eines Migrationspakets, das auch Neuregelungen für die schnellere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber umfasst. Dieses hatte das Kabinett in der vergangenen Woche beschlossen. Das Kabinett stimmte zudem für die Ausweitung der Liste der sogenannten sicheren Herkunftsländern um Georgien und die Republik Moldau. Für Asylbewerber aus diesen Ländern ist wegen der niedrigen Anerkennungsquote ein beschleunigtes Verfahren vorgesehen.

Mit dem schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt will die Bundesregierung eine höhere Beschäftigung von Asylsuchenden erreichen. Dies soll auch Städte und Gemeinden bei den Sozialleistungen entlasten. Die Schulden von Kommunen und Bundesländern waren zuletzt aufgrund der unregulierten Massenaufnahme von Migranten explodiert.

Im Kern geht es laut dem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Papier um drei Änderungen. Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen sollen künftig bereits nach sechs statt neun Monaten arbeiten dürfen. Die zweite Änderung betrifft die Duldung, die abgelehnte Asylbewerber im Fall von Beschäftigung oder Ausbildung erhalten können: Davon sollen Ausländer profitieren können, die bis zum 31. Dezember 2022 nach Deutschland gekommen sind. Bisher war der Stichtag der 31. August 2018.

Drittens sollen Ausländerbehörden ihre Zustimmung zur Beschäftigung von geduldeten Ausländern künftig im Regelfall erteilen. Bisher ist dies nur eine Kann-Regelung, die im Ermessen der Behörde liegt.

In Regierungskreisen hieß es, dass mit einer schnelleren Integration in den Arbeitsmarkt auch die Akzeptanz für Flüchtlinge wachsen könne, wenn diese verstärkt für sich selbst sorgen könnten. Die Bundesregierung will deshalb auch ukrainische Kriegsflüchtlinge schneller in Arbeit bringen. Bund und Länder sprechen am 6. November über umfassende Neuregelungen zur Migration. Dabei geht es auch um die Frage, ob und wann Asylbewerber zu gemeinnützigen Arbeiten herangezogen werden können.

Berliner Senatorin will Flüchtlingsnotlage ausrufen lassen

Die Berliner Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe hat die Bundesregierung aufgefordert, eine „Flüchtlingsnotlage“ auszurufen, um dann die Schuldenbremse auszusetzen. „Im Zusammenhang mit der Finanzierung von Migration steht der Bund in der Verantwortung“, sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Statt über die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen für Asylbewerber zu debattieren, solle Finanzsenator Christian Lindner (FDP) wegen der hohen finanziellen Herausforderungen eine Notlage erklären.

Die Schuldenbremse im Grundgesetz gibt dem Bund nur einen geringen Spielraum zur Aufnahme von Krediten. Ausnahmen sind bei Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen zulässig. Zuletzt hatte der Bundestag mehrfach eine solche Notsituation erklärt: zuerst wegen der Corona-Pandemie, dann wegen des Kriegs in der Ukraine.

Lindner hatte zuletzt angeregt, über die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen für Migranten zu sprechen und Maßnahmen zu finden, um Geld einzusparen. Dafür könnten Leistungen für Asylbewerber reduziert werden. Bei einer Konferenz der Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) am 6. November soll erneut über die Finanzierung von Migration gesprochen werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Politik
Politik Peter Vesterbacka: Wenn Deutschland wie Estland wäre, hätte es 600 Einhörner
25.10.2025

Europa gilt zunehmend als unentschlossen, überreguliert und kraftlos – Begriffe, die sich in den vergangenen Jahren eingebürgert haben,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ausbildungsmarkt: Ausländische Azubis stützen Hotels und Gaststätten
25.10.2025

Das Hotel- und Gastgewerbe setzt bei der Nachwuchssicherung stark auf internationale Auszubildende. Doch fehlende Deutschkenntnisse bleiben...

DWN
Finanzen
Finanzen Seltene Erden als Investmentchance: Wie Anleger vom Rohstoffboom profitieren
25.10.2025

Seltene Erden sind das stille Rückgrat moderner Technologien – von E-Autos bis Windkraft. Ihre strategische Bedeutung wächst, weil...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Revolut Bank: Wie ein britisches Fintech Europas Bankenaltbau ins Wanken bringt
25.10.2025

Die Revolut Bank stellt das gesamte europäische Bankensystem infrage: Mit 75 Milliarden Dollar Bewertung, aggressiver Expansion und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Autoteilehandel 2.0: Wie Ovoko das Geschäft mit gebrauchten Teilen revolutioniert
25.10.2025

Aus einer simplen Excel-Tabelle entsteht ein europaweites Erfolgsunternehmen: Ovoko verändert den Handel mit gebrauchten Autoteilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Vom Großraumbüro zur Kokospalme: Wie eine Litauerin Londons Karrierefalle entkam – und auswanderte
25.10.2025

Dominyka Mikšėnaitė hatte alles – Karriere, Gehalt, Aufstiegschancen in London. Doch sie kündigte, verließ das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Aktien: Wie Energieversorger zum stillen Profiteur des Tech-Booms werden
25.10.2025

Der Boom der künstlichen Intelligenz treibt den globalen Stromverbrauch auf Rekordniveau. Milliarden fließen in Rechenzentren, Netze und...

DWN
Politik
Politik Hinweise von Meldestelle "Hetze in Netz": Durchsuchung bei „Welt“-Kolumnist Norbert Bolz nach X-Post
24.10.2025

Für den Autor Professor Norbert Bolz ist es Ironie, die Staatsanwaltschaft sieht in dem Post eine strafbare Aussage gegen den renommierten...