Die Bundesregierung will die bisher für 2024 geplante Militärhilfe für die Ukraine auf acht Milliarden Euro verdoppeln. Darauf habe sich die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen im Grundsatz verständigt, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag von einem Insider der Koalition.
Die Erhöhung der sogenannten „Ertüchtigungshilfe“ für die Ukraine solle in der am Donnerstag beginnenden Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages zum Entwurf des Bundesetats 2024 beschlossen werden. „Die Bereinigungssitzung wird aber noch verhandelt“, sagte der Insider einschränkend. Durch die Erhöhung erreiche Deutschland 2024 eine Nato-Quote von 2,1 Prozent.
Verteidigungsminister Boris Pistorius bestätigte das Vorhaben am Sonntagabend indirekt im ARD-Fernsehen, ohne auf Details einzugehen. „Das ist auch ein starkes Signal an die Ukraine, dass wir sie nicht im Stich lassen“, sagte der SPD-Politiker.
Die Erhöhung sei auch eine Reaktion darauf, dass die Finanzmittel in diesem Jahr sehr schnell ausgeschöpft gewesen seien. „Wir wollen nächstes Jahr nicht in die Situation kommen, dann, wenn es darauf ankommt, wie soll ich sagen, nochmal nachfordern zu müssen.“
Aufrüstung auf Pump
Erklärtes Ziel der Nato-Staaten ist es, jährlich mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben aufzuwenden. Deutschland lag in den vergangenen Jahren unter dieser Quote. Ab 2024 soll diese Quote auch mit Hilfe des aus Krediten finanzierten sogenannten Sondervermögens – bei dem es sich um Schulden handel – von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr erreicht werden.
„Die Verdoppelung der Militärhilfe ist richtig und wichtig“, sagte SPD-Haushälter Andreas Schwarz der Bild am Sonntag. „Damit wird unser Versprechen an die Ukraine mit dem nötigen Geld hinterlegt. Dass wir so auch noch die Nato-Quote mit 2,1 Prozent erfüllen, ist ein großer Erfolg der Ampel.“
Die Militärhilfe wird nicht aus dem Verteidigungsetat finanziert. Die „Ertüchtigungshilfe“ läuft über den sogenannten Einzelplan 60 im Bundesetat, in dem sich Vorhaben finden, deren Ausgaben nicht einem einzelnen Ministerium angerechnet werden.
Im Etatentwurf der Bundesregierung für 2024 und in der Finanzplanung bis 2027 war bislang eine Aufstockung auf jährlich vier Milliarden Euro für die Jahre 2024 bis 2027 vorgesehen.
Baerbock: „Putin freut sich zu früh“
Auch Außenministerin Annalena Baerbock hat eine deutliche Ausweitung der Unterstützung der Ukraine angekündigt. „So stark die aktuelle Krisendiplomatie mit Blick auf den Nahen und Mittleren Osten ist, so wichtig ist es auch, uns den geopolitischen Herausforderungen hier vor Ort zu stellen“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag bei einem Außenministertreffen in Brüssel. „Unsere Unterstützung wird gerade auch für das nächste Jahr massiv weiter ausgebaut werden.“
Details zu den Planungen für das kommende Jahr nannte Baerbock nicht. Mit Blick auf die nächsten Wochen und Monate verwies sie auf den sogenannten Winterschutzschirm, der unter anderem die Lieferung von einem weiteren Flugabwehrsystem vom Typ Patriot und von Strom-Generatoren vorsieht. Damit soll verhindert werden, dass russische Angriffe dazu führen, dass Ukrainer im Winter frieren müssen.
Baerbock weiter: „Putin freut sich zu früh angesichts der dramatischen Lage weltweit. Denn wir werden unsere Unterstützung für die Ukraine nicht nur weiterfahren - wir werden sie weiter ausbauen und erhöhen.“
Union: Regierung trickst bei 2-Prozent-Ziel
Die Union hat die Bundesregierung aufgefordert, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Verteidigungsausgaben mit realen Ausgaben zu erfüllen. CDU-Haushalts- und Verteidigungsexperte Ingo Gädechens begrüßte am Montag zugleich das Vorhaben der Ampel-Koalition, die Militärhilfe für die Ukraine im Jahr 2024 gegenüber der bisherigen Planung auf acht Milliarden Euro zu verdoppeln.
„Dass die Bundesregierung in letzter Sekunde mehr Geld für die Ukraine bereitstellen möchte, ist richtig - aber auch etwas spät“, sagte Gädechens der Nachrichtenagentur Reuters. Allerdings lasse sich durchaus hinterfragen, ob diese Ausgaben tatsächlich der Nato-Quote zuzurechnen seien.
„Fast zehn Prozent der im nächsten Jahr vorgesehenen Verteidigungsausgaben sollen jetzt nicht in die Bundeswehr fließen, sondern in die wichtige Unterstützung der Ukraine“, sagte Gädechens. Viel problematischer sei aber, dass die Bundesregierung Kreditzinsen, Pensionen der Nationalen Volksarmee der DDR und Kindergeld bei der Nato-Quote weiterhin als Verteidigungsausgaben deklarieren wolle.
„Hier sollte sich die Regierung endlich ehrlich machen und das Zwei-Prozent-Ziel mit realen, verteidigungsbezogenen Ausgaben erfüllen“, sagte Gädechens. „Das wäre dringend nötig.“
Deutschland erfüllt die Nato-Quote seit Jahren nicht. Bei seiner „Zeitenwendenrede“ nach Beginn des Ukraine-Krieges hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) aber angekündigt, dass sich dies ändern werde.
Andere Resourts steuern Milliarden bei
In der Nato-Quote werden von der Regierung auch Ausgaben mitgezählt, die nicht im Haushalt von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) oder im Sondervermögen anfallen. Dies ergibt sich aus einer Reuters vorliegenden Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage von Gädechens.
Darin heißt es, „auf der Grundlage der Ergebnisse der Ressortabfrage“ lägen die Beiträge anderer Ressorts zur Nato-Quote 2024 bei 14,284 Milliarden Euro. Den größten Anteil daran hat das Finanzministerium mit gut elf Milliarden Euro. Aber auch das Bau- und das Familienministerium sind wie das Entwicklungshilfe- und das Innenministerium mit Millionenbeträgen dabei.
Berechnet wird die Nato-Quote auf der Grundlage der Wirtschaftsleistung. Für das Jahr 2024 erwartet die Bundesregierung laut Herbstprojektion des Wirtschaftsministeriums ein BIP von 4309,5 Milliarden Euro. Die Verteidigungsausgaben, wie sie die Bundesregierung berechnet, lägen nach bisheriger Planung demnach bei gut 89 Milliarden Euro - davon 51,8 Milliarden Euro im Verteidigungsetat, 19,2 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen, gut 14,28 Milliarden Euro aus anderen Ressorts sowie weitere vier Milliarden Euro für die Ukraine-Hilfe. Bezogen auf das für 2024 erwartete BIP läge die Nato-Quote somit bei 2,07 Prozent.