Immobilien

Offene Immobilienfonds unter Druck: Sollten Anleger verkaufen?

Anleger ziehen den zweiten Monat in Folge Gelder aus den offenen Immobilienfonds ab. Sollte man Anteile abstoßen?
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22.11.2023 15:02
Aktualisiert: 22.11.2023 15:02
Lesezeit: 5 min
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Offene Immobilienfonds unter Druck: Sollten Anleger verkaufen?
Rund ein Zehntel aller Anlegergelder in Publikumsfonds stecken in den Fonds, die vor allem Einzelhandelsgebäude, Hotels und Büros in Westeuropa vermieten. (Foto: dpa) Foto: Andreas Arnold

Offene Immobilienfonds sind in Deutschland äußerst beliebt. Rund ein Zehntel aller Anlegergelder in Publikumsfonds stecken in den Fonds, die vor allem Einzelhandelsgebäude, Hotels und Büros in Westeuropa vermieten.

Doch derzeit schwimmen die Fonds in unruhigem Fahrwasser: Aufgrund der Zinserhöhungen sind die Preise von Gewerbeimmobilien in vielen Ländern rückläufig. Dazu könnten strukturelle Probleme kommen, etwa eine geringere Nachfrage nach Büroraum aufgrund des Trends zum Homeoffice und einer alternden Bevölkerung.

Die Preise, zu denen die Fondsgesellschaften Anteile zurücknehmen, spiegeln den Abschwung an den Immobilienmärkten aber noch nicht wider. Etwa sind sie bei den drei größten offenen Immobilienfonds aus Deutschland zuletzt weiter gestiegen. Grund ist, dass zwei voneinander unabhängige Gutachter die Fonds-Immobilien mindestens vierteljährlich bewerten und keine Marktpreise vorliegen.

Bereits einmal gab es Vertrauenskrise

Das Problem: Sollten viele Anleger das Vertrauen in die offenen Immobilienfonds verlieren und Anteile zurückgeben, könnten die Fonds zu Verkäufen für Niedrigpreise gezwungen sein. Das geschah bereits einmal in der Finanzkrise 2008, als manche der Fonds jahrelang geschlossen und schließlich abgewickelt wurden – mit Verlusten im teils zweistelligen Prozentbereich für die Anleger.

Kürzlich gab es bereits erste Mittelabflüsse. Laut den Marktforschern von Barkow zogen die Anleger im September 115 Millionen Euro mehr ab, als dass sie investierten. Das war bereits der zweite Monat mit Nettomittelabflüssen in Folge. Das gab es zuletzt im Jahr 2011. Die Höhe sei aber „nicht signifikant“ und ein Trend lasse sich nicht ableiten. „Die nächsten Monate müssen jedoch genau beobachtet werden.“

Experten sehen die Lage bei den Fonds kritisch, aber nicht alle raten zu einem Verkauf von Anteilen. Die Bewertungen der offenen Immobilienfonds würden sich langsamer und zeitverzögert an die Marktgegebenheiten anpassen, erklärt etwa der Immobilienökonom Tobias Just der Universität Regensburg auf DWN-Anfrage.

Die Gutachter würden sich an Vergleichstransaktionen orientieren, um das Fondsvermögen zu bewerten. Fehlen aber Vergleichstransaktionen, seien den Sachverständigen die Hände etwas gebunden. „Das heißt, wenn Anleger mit Abwertungen rechnen, diese aber eben noch nicht eingetreten sind, wäre es klug, zu verkaufen.“

Just lehnt die Fonds aber nicht kategorisch ab. „Grundsätzlich sind offene Immobilienfonds dann gut, wenn sie eine hohe Immobilienquote haben, gut gestreut sind und am besten an eine große Bank angebunden sind, da so Zuflüsse gesteuert werden können.“ Anleger sollten aufgrund der hohen Ausgabeaufschläge langfristig investieren. Es handle sich aber um „kein risikoloses Instrument“, da Gewerbeimmobilien Zyklen unterworfen seien.

Andere warnen vor einem „perfekten Sturm“

Der Finanzberater Matthias Krapp von Abatus Vermögensmanagement rät hingegen komplett von einem Investment ab und empfiehlt einen Verkauf. „Seit Gründung vor 15 Jahren habe ich keine offenen Immobilienfonds vermittelt beziehungsweise dazu geraten“, erklärt er schriftlich gegenüber DWN. Die historischen Renditen könnten gegenüber anderen Anlageklassen wie Aktien nicht überzeugen.

In der Finanzkrise 2008 seien die Fonds in Liquiditätsprobleme geraten und mussten Immobilien peu a peu verkaufen. „Die Käufer kannten natürlich die Problematiken und boten entsprechend nochmals geringere Preise als die genannten Werte.“ Nur große Vertrieb hätten durch Mittelzuflüsse teilweise dagegenhalten können. Der Betriebswirt hält eine Wiederholung eines solchen Szenarios nicht für ausgeschlossen.

Die Verbraucherseite Finanztip riet kürzlich ebenfalls zum Verkauf. Es habe sich „ein perfekter Sturm“ aufgebaut, schreibt der Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen in einem Spiegel-Artikel. Die steigenden Zinsen, der Homeoffice-Trend und die sinkende Nachfrage nach Einzelhandelsgebäuden setze den Fonds zu. Ohnehin sei bei einem Anleihe-Fonds derzeit mit höheren Zugewinnen zu rechnen.

Andere verweisen hingegen auf die Mindesthaltefristen, die der Gesetzgeber im Jahr 2013 eingeführt hat. Anleger müssen Anteile nach einem Kauf mindestens zwei Jahre halten und einen Verkauf ein Jahr vorher verbindlich anmelden. Ein Szenario wie 2008 sehe man daher aktuell nicht, erklärte Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger gegenüber DWN.

Die Ratingagentur Scope verweist außerdem auf die Liquiditätsreserven der Immobilienfonds, aus denen Mittelabflüsse bedient werden könnten. Diese hätten Ende 2022 bei 14 Prozent der Fondsvermögen beziehungsweise 17 Milliarden Euro gelegen.

Außerdem gebe die Verschuldungsquote von 15,3 Prozent Spielraum (zum April 2023). Im Ernstfall könnten die Fonds Schulden von bis zu 30 Prozent des Fondsvermögens aufnehmen, um Anleger auszuzahlen.

Wie kann man verkaufen?

Wer indes dennoch verkaufen möchte, hat zwei Optionen: Über die Börse oder über die Fondsgesellschaft. Anleger müssen an der Börse Abschläge zum Rückgabepreis der Anbieter hinnehmen, aber erhalten das Geld sofort. Bei den drei größten Immobilienfonds aus Deutschland liegen die Abschläge derzeit bei circa 7 bis 8 Prozent (Stand: 22. November 2023).

Alternativ können Anleger die Anteile an die Fondsgesellschaft zurückgeben. Diese kauft die Papiere zu einem Rückgabepreis, der auf den Bewertungen der Gutachter basiert. Das Problem: Anleger müssen einen Verkauf jetzt anmelden, aber erhalten den Rückgabepreis, der in einem Jahr gilt. Wer also an die Fondsgesellschaft verkauft, weiß nicht, wie viel er schlussendlich bekommen wird.

Eine Ausnahme gilt für Anleger, die Anteile bis zum 21. Juli 2013 erworben haben. Sie dürfen Anteile von bis zu 30.000 Euro pro Kalender-Halbjahr sofort zurückgeben und müssen nicht zwölf Monate warten. Solche Anleger könnten also im Restjahr 2023 und ab dem Januar 2024 jeweils Anteile für 30.000 Euro abstoßen.

Der Finanzberater Markus Krapp würde persönlich über die Börse verkaufen. „Der erste Verlust ist eventuell der geringere, je nach Einstand und Dauer des offenen Immobilienfonds im jeweiligen Depot. Zumindest ist er aber bekannt und planbar.“

Tenhagen von Finanztip schlägt unter anderem vor, eine Hälfte an der Börse und die andere an die Fondsgesellschaft zu verkaufen. „Dann haben Sie zumindest mit der einen Hälfte der Entscheidung – vergleichsweise – Glück gehabt.“

Gewerbeimmobilienmärkte unter Druck

Der Immobilienexperte Tobias Just rechnet mit weiteren Preisrückgängen bei Gewerbeimmobilien. Das liege an den steigenden Zinsen, die Immobilienfinanzierungen verteuerten und festverzinsliche Wertpapiere für Investoren attraktiver machen würden.

Hinzu kämen strukturelle Verschiebungen. Angesichts des Trends zum Homeoffice würden viele Marktteilnehmer erwarten, dass Leerstände entstehen. Das könnte die Mieten und somit den Wert von Bürogebäuden drücken, was zu Abwertungen bei den Fonds führen würde. „Dieses Risiko ist angesichts der Dynamik in den USA ernst zunehmen, aber es ist keine Garantie, denn wir wissen noch nicht, wie wir am produktivsten dauerhaft arbeiten – in Büros, zu Hause oder in Mischformen“, erklärt Just, der auch die IREBS Immobilienakademie in der Nähe von Wiesbaden leitet.

Auch sei unsicher, wie ein Büro künftig aussehen müsse, um die Produktivität bestmöglich zu unterstützen. Solange das unklar sei, seien manche Investoren und Finanzierer weiter zurückhaltend, was die Fondsbewertungen ebenfalls unter Druck bringe.

Die Fonds müssten ihr Portfolio eigentlich umschichten, etwa vielleicht mehr in die Immobilienklassen Lager und Logistik, Wohnen oder Datencenter. Doch angesichts der angespannten Marktlage würden die Fonds die Füße still halten. „Viele dieser Märkte sind eng, wenig liquide, und um neu zu kaufen, müssten bei Mittelabflüssen erst andere Objekte verkauft werden. Dadurch könnten die inhärenten Abwertungen offen zu Tage treten. Daher rührt auch die Abwartehaltung“, erklärt Just.

Kritische Vermögensberater raten von einem Investment in offene Immobilienfonds ganz ab. Neben der Illiquidität der Fonds und dem Schließungsrisiko verweisen sie auf die historischen Renditen.

Etwa lagen die Zugewinne der drei größten offenen Immobilienfonds aus Deutschland laut den Berechnungen des Vermögensberaters Gerd Kommer deutlich hinter einem Immobilienaktien-ETF mit ähnlicher regionaler Streuung. Dieser rentierte mit 8,8 Prozent zwischen August 2004 und 2021, während die Immobilienfonds nur 2,2 bis 2,7 Prozent einfuhren.

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.
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Elias Huber

Elias Huber arbeitet als freier Journalist und Honorar-Finanzanlagenberater. Der studierte Volkswirt schreibt vor allem über die Themen Wirtschaft und Geldanlage. 

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