Billigere Energie hat die deutsche Inflationsrate im November auf den niedrigsten Stand seit fast zweieinhalb Jahren gedrückt. Die Verbraucher mussten für Waren und Dienstleistungen durchschnittlich 3,2 Prozent mehr bezahlen als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Einen niedrigeren Wert gab es zuletzt im Juni 2021 mit 2,4 Prozent. Im Oktober lag die Teuerungsrate noch bei 3,8 Prozent. Der Rückgang im November ist überraschend kräftig: Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einer Rate von 3,5 Prozent gerechnet. Von Oktober auf November sanken die Verbraucherpreise um 0,4 Prozent und damit so stark wie seit knapp einem Jahr nicht mehr.
Deutlich günstiger als im November 2022 wurde Energie: Sie verbilligte sich um 4,5 Prozent. "Trotz des anhaltenden Nahostkonflikts ist es zu rückläufigen Ölpreisen gekommen, was sich positiv an den Tankstellen und bei den Heizölpreisen ausgewirkt hat", erklärte Helaba-Ökonom Ulrich Wortberg. Preistreiber blieben dagegen Nahrungsmittel, für die Verbraucher im Schnitt 5,5 Prozent mehr hinblättern mussten. Dienstleistungen verteuerten sich um 3,4 Prozent. Die Teuerungsrate ohne Nahrungsmittel und Energie - die sogenannte Kerninflation - lag bei 3,8 Prozent.
RÜCKSCHLAG IM DEZEMBER?
Ökonomen rechnen im Trend mit einem weiter nachlassenden Preisdruck. "Zwar dürfte die Inflationsrate im Dezember vorübergehend noch einmal auf etwa vier Prozent steigen", sagte der Konjunkturchef des Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser. Hier komme jedoch ein Basiseffekt zum Vorschein: Denn im Dezember 2022 sanken die Gaspreise für die Verbraucher kräftig, da der Staat die Kosten für den Abschlag übernahm. "Aber bereits zu Beginn des kommenden Jahres wird die Inflationsrate auf unter drei Prozent sinken", sagte Wollmershäuser.
Die Deutsche Bank rechnet damit, dass die Verbraucherpreise im kommenden Jahr um durchschnittlich 2,8 Prozent steigen werden, nach 6,0 Prozent im zu Ende gehenden Jahr. Besonders die Dienstleister dürften versuchen, gestiegene Lohnkosten auf ihre Kunden abzuwälzen. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt für die Währungsunion eine Inflationsrate von zwei Prozent als Idealwert an. Die nach europäischen Standards berechnete deutsche Inflationsrate näherte sich im November mit 2,3 Prozent diesem Wert schon deutlich. In Spanien lag dieser Wert bei 3,2 Prozent, nach 3,5 Prozent im Oktober.
"LETZTE MEILE IST DIE SCHWIERIGSTE"
Experten warnen aber vor möglichen Rückschlägen. "Im Kampf gegen die Inflation ist die letzte Meile immer die schwierigste", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Besonders bei den arbeitsintensiven Dienstleistern seien die Löhne kräftig gestiegen. Diese dürften versuchen, die höheren Personalkosten an ihre Kunden weiterzugeben.
"Es besteht zudem das Risiko, dass die Entscheidungen der Bundesregierung auch die Inflation wieder befeuern", sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. Die nun doch schon Ende Dezember auslaufenden Preisbremsen für Strom, Gas und Wärme würden zu einer erhöhten Inflationsrate in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 führen. "Ebenfalls preistreibend dürfte die Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent bei Erdgas und Fernwärme sein", sagte Dullien. (Reuters)