Wirtschaft

Machtkampf bei Thyssenkrupp: Arbeitnehmer kritisieren Wahl neuer Vorstände scharf

Die Anteilseigner von Thyssenkrupp haben eine Erweiterung des Vorstandes gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter durchgesetzt. Diese reagieren mit scharfer Kritik.
30.11.2023 14:12
Aktualisiert: 30.11.2023 14:12
Lesezeit: 2 min
Machtkampf bei Thyssenkrupp: Arbeitnehmer kritisieren Wahl neuer Vorstände scharf
Teilnehmer einer Kundgebung im Rahmen des bundesweiten Aktionstags für einen Brückenstrompreis stehen vor dem Werk von ThyssenKrupp. (Foto: dpa) Foto: Fabian Strauch

Beim Industriekonzern Thyssenkrupp hat der Aufsichtsrat gegen die Stimmen aller Arbeitnehmervertreter den Vorstand um zwei Posten erweitert. Der Beschluss des Aufsichtsgremiums vom Mittwoch stieß bei den Arbeitnehmern auf scharfe Kritik. "Zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens werden Vorstände trotz der geschlossenen Ablehnung der Arbeitnehmerseite bestellt", hieß es in einer von der IG Metall am Mittwochabend veröffentlichten Mitteilung.

Der Aufsichtsrat des Industriekonzerns hatte die beiden neuen Vorstände am Mittwoch mit den Stimmen der Anteilseignervertreter bestimmt. Sie erweitern den bislang aus drei Mitgliedern bestehenden Vorstand. Volkmar Dinstuhl, zuletzt Chef des inzwischen aufgelösten Segments Multi Tracks und zuständig für Zu- und Verkaufsprojekte wird ebenso zum 1. Januar in den Vorstand berufen wie Ilse Henne. Die Managerin ist derzeit im Vorstand der Handelssparte.

Die Arbeitnehmerseite kritisiert vor allem, dass die Erweiterung des Vorstandes den laufenden Sparprogrammen widerspreche. "Auch ein Dutzend Vorstände wird dieses Unternehmen nicht gegen die eigenen Mitarbeitenden führen können. Wasser predigen und Wein trinken wird nicht zum Erfolg führen", hieß es. Bei derselben Sitzung war die Wahl des Schott-Finanzvorstandes Jens Schulte zum Nachfolger des scheidenden Finanzvorstands Klaus Keysberg einstimmig erfolgt. Der Wechsel ist für die zweite Hälfte des Geschäftsjahres 2023/24 (30. September) geplant.

Die Arbeitnehmerbank sprach in ihrer Mitteilung von einem "Kulturbruch in der Mitbestimmung" und einer "Zäsur". Die Anteilseigner und der neue CEO López hätten mit der bewährten Mitbestimmungspraxis bei Thyssenkrupp gebrochen. Dies werde Spuren hinterlassen und dem bislang ausgewogenen und konstruktiven Dialog im Aufsichtsrat dauerhaft Schaden zufügen.

Wie Thyssenkrupp mitteilte, soll mit der Bestellung der Vorstand stärker auf die operative Leistung sowie auf die Weiterentwicklung des Portfolios ausgerichtet werden. Die Neuausrichtung beinhaltet auch, dass die Sparten von Thyssenkrupp künftig einzelnen Vorstandsmitgliedern zugeordnet werden.

Größte Einzelaktionärin von Thyssenkrupp ist die Krupp-Stiftung mit einem Anteil von 21 Prozent. Deren Kuratoriumsvorsitzende Ursula Gather ist Mitglied des 20-köpfigen Aufsichtsrats. Die Stiftung begrüßte die angekündigte Vorstandserweiterung am Donnerstag ausdrücklich. In der neuen Aufstellung könne das sich gut ergänzende Gremium optimal mit dem herausfordernden Umfeld umgehen, teilte die Stiftung in Essen mit. Das laufende Performanceprogramm könne damit zielgerichtet fortgesetzt werden.

Milliardenschwere Abschreibungen

Milliardenschwere Abschreibungen auf das Stahlgeschäft hatten Thyssenkrupp im vergangenen Geschäftsjahr tief in die roten Zahlen gedrückt. Unter dem Strich stand 2022/23 (per Ende September) ein Nettoverlust von rund zwei Milliarden Euro zu Buche, wie das Unternehmen am Mittwoch in Essen mitteilte.

Die Wertberichtigungen auf das Anlagevermögen der Tochter Steel Europe bezifferte Thyssenkrupp auf 2,1 Milliarden Euro. Die Abschreibungen seien wegen der konjunkturbedingt eingetrübten Umfelds sowie höherer Kapitalkosten nötig geworden, hieß es. Thyssenkrupp hatte ursprünglich einen "mindestens" ausgeglichenen Jahresüberschuss in Aussicht gestellt, nach einem Gewinn von 1,2 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Aktionäre sollen dank eines deutlich verbesserten Mittelzuflusses dennoch eine unveränderte Dividende von 0,15 Euro je Aktie erhalten.

Sinkende Stahlpreise und gleichzeitig gestiegene Rohstoff- und Energiekosten belasteten das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit), welches von knapp 2,1 Milliarden auf 703 Millionen Euro sank und damit in etwa die durchschnittlichen Erwartungen der Analysten erfüllte. Der Umsatz sank um neun Prozent auf 37,5 Milliarden Euro. Dabei verzeichnete Thyssenkrupp im Schlussquartal nochmal deutliche Rückgänge.

Im neuen Geschäftsjahr will Thyssenkrupp wieder in die Gewinnzone zurückkehren. So erwartet das Unternehmen einen Jahresüberschuss im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Dabei geht das Management um Konzernchef Miguel López von einem anhaltend schwierigen konjunkturellem Umfeld aus. Das bereinigte Ebit soll auf einen hohen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag steigen, den Umsatz sieht Thyssenkrupp leicht wachsen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik US-Angriff auf den Iran: Die Märkte bleiben erstaunlich ruhig
23.06.2025

Trotz der Angriffe auf iranische Atomanlagen bleiben die globalen Märkte ruhig. Doch die Straße von Hormus bleibt ein geopolitischer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Transferrepublik Deutschland: Wissen als Wirtschaftsfaktor
23.06.2025

Während US-Hochschulen unter politischem Druck stehen und Eliteforscher nach Kanada abwandern, funktioniert in Deutschland, was...

DWN
Politik
Politik Armenien kehrt Russland den Rücken – und öffnet sich dem Westen
23.06.2025

Armenien verabschiedet sich von Russland als Schutzmacht. Der Kreml sieht tatenlos zu – der Westen greift zu. Was das für Europa und...

DWN
Politik
Politik EU knickt ein: Russland darf weiter an Öl-Milliarden verdienen
23.06.2025

Die EU wollte Russland mit einer drastischen Senkung der Ölpreisobergrenze Milliarden entziehen. Doch angesichts wachsender Krisen rudert...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankgeschäfte im Wandel: Online-Banking auf dem Vormarsch – auch bei Älteren
23.06.2025

Digitale Bankgeschäfte sind längst keine Domäne der Jüngeren mehr. In Deutschland steigt die Nutzung von Online-Banking quer durch alle...

DWN
Finanzen
Finanzen Börse aktuell: DAX-Kurs zum Start unter Druck nach US-Angriff auf den Iran, Ölpreise steigen
23.06.2025

Die Börse steht unter Druck: Nach dem überraschenden US-Angriff auf iranische Atomanlagen herrscht Verunsicherung an den Aktienmärkten....

DWN
Panorama
Panorama Israel-Iran-Krieg: Trump signalisiert Unterstützung für Machtwechsel im Iran
23.06.2025

US-Präsident Donald Trump deutet nach den Bombardierungen der Atomanlagen im Iran durch das US-Militär Unterstützung für einen Wechsel...

DWN
Technologie
Technologie Mensch und Maschine: Die Zukunft der Cyberabwehr
23.06.2025

Cyberangriffe werden raffinierter, herkömmliche Schutzmechanismen reichen nicht mehr aus. Moderne Sicherheitszentren setzen daher auf eine...