Finanzen

Jim Grant: Zinsen bleiben dauerhaft hoch

Lesezeit: 3 min
14.12.2023 13:42  Aktualisiert: 14.12.2023 13:42
Die Märkte erwarten nach der Fed-Entscheidung vom Mittwoch, dass die Zinsen bald wieder fallen. Daher hat auch der Dax ein neues Rekordhoch erreicht. Doch aus historischer Sicht kommt jetzt eine ganz andere Entwicklung, sagt Jim Grant.
Jim Grant: Zinsen bleiben dauerhaft hoch
Fed-Chef Jerome Powell deutete am Mittwoch niedrigere Zinsen an. Doch der Wirtschaftshistoriker erwartet etwas anderes. (Foto: dpa)
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Seit über 40 Jahren analysiert und kommentiert der Wirtschaftshistoriker Jim Grant die Politik der Federal Reserve. Weithin bekannt wurde er, nachdem er die Immobilienkrise in den USA im Jahr 2007 vorhersagte. Und nun warnt Grant erneut vor einer Katastrophe für die US-Wirtschaft, die sich ebenso auf Europa und Deutschland übertragen lässt.

Nach rund einem Jahrzehnt mit Zinssätzen nahe Null habe sich ein Schuldenproblem entwickelt, das nun wahrscheinlich ein böses Ende nehmen wird, warnt Grant im Interview mit Fortune. Denn die Zinsen werden seiner Ansicht nach noch über einen längeren Zeitraum hoch bleiben. Derzeit könne man die unvermeidlichen Folgen dieser Entwicklung noch „nicht vollständig spüren“.

Um die Wirtschaft nach der Weltfinanzkrise im Jahr 2008 wieder anzukurbeln, hielt die Federal Reserve die Zinssätze nahe Null und startete eine Quantitative Lockerung (QE) ein, bei der sie im Umfang von Billionen Dollar Staatsanleihen und hypothekarisch gesicherte Wertpapiere aufkaufte, was die Kreditvergabe und Investitionen anzukurbeln sollte.

Grant vertritt seit langem die Ansicht, dass diese Geldpolitik eine Blase bei Aktien, Immobilien und allem anderen erzeugt hat. Und selbst nach dem schwierigen Jahr 2022 für Aktien, dem zweijährigen Abschwung im Immobiliensektor und einer US-Bankenkrise im März dieses Jahres glaubt der Analyst, dass diese Blase nur teilweise geplatzt ist.

Größte Sorge sind die Kreditmärkte

Nach mehr als zehn Jahren, in denen Unternehmen (wie auch Verbraucher und Staaten) ihre Schuldenlast rapide erhöhten, befürchtet Grant, dass viele von ihnen bald nicht mehr in der Lage sein werden, diese Schulden zu tragen. Bei den nun hohen Zinssätzen wird die Refinanzierung eine Herausforderung darstellen, insbesondere wenn sich die Wirtschaft abschwächt.

Grant verweist auf die so genannten „Zombie-Unternehmen“, die eigentlich unproduktiv sind und in den letzten Jahren nur mithilfe extrem billiger Schulden überleben konnten. Viele dieser Unternehmen stehen nun unter Druck, da sich die Wirtschaft verlangsamt und die Kreditkosten steigen. Möglicherweise können sie ihre Kreditgeber nicht mehr bezahlen.

Die Zahl der Insolvenzen ist bereits im Steigen begriffen. Laut S&P Global gab es dieses Jahr in den USA bis September bereits 516 Unternehmensinsolvenzen. Das waren mehr als in jedem entsprechenden Zeitraum seit 2010 sowie fast 30 Prozent mehr als im gesamten letzten Jahr, wie Daten von Bundesgerichten zeigen.

Zinsen bleiben höher für viel, viel länger

Die Märkte wetten längst auf ein Ende der hohen Zinsen, sowohl in den USA als auch in Europa. Diese Erwartungen wurden am Mittwoch noch befeuert, als die Federal Reserve den geldpolitischen Schlüsselsatz in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent beließ und nun im Mittel davon ausgeht, dass der Leitzins nächstes Jahr wieder um 0,75 Prozentpunkte sinken wird.

Doch wie im Jahr 2007, als er als einer von ganz wenige Analysten die Immobilienkrise in den USA korrekt vorhersagte, so wettet Jim Grant auch heute wieder gegen die Märkte und gegen die Federal Reserve. Er sagt eine Ära höherer Zinsen voraus, die noch eine ganze Generation andauern könnte. Denn er betrachtet die Geldpolitik aus historischer Sicht.

Grant weist darauf hin, dass die Zinssätze in den Jahren 1981 bis 2023, abgesehen von ein paar kurzen Zwischenphase, kontinuierlich immer weiter nach unten tendierten. Und in den vierzig Jahren davor hatten sie sich - wiederum mit wenigen Ausnahmen - im Wesentlichen in die entgegengesetzte Richtung entwickelt.

„Es ist die historische Aufzeichnung, es ist das Muster, dass die Zinssätze eine Tendenz haben, sich über Generationen hinweg zu entwickeln“, so Grant. Daher dürfte die Phase hoher Zinsen seiner Ansicht nach 40 Jahre andauern. Allerdings könnte es vorübergehend auch zu einem „erheblichen“ Rückgang der Zinssätze kommen, wenn die USA in die Rezession rutschen.

Wenn Grant Recht hat, würde das bedeuten, dass eine Ära mit geringem Wirtschaftswachstum, relativ hoher Inflation und hohen Zinsen bevorsteht, was als Stagflation bezeichnet wird. Und das ist nicht gerade ein Rezept für den Anlageerfolg. Es könnte sogar ein Umfeld sein, in dem die Zahlungsausfälle von Unternehmen zunehmen und die Kreditmärkte einbrechen.

Rettung durch technologischen Fortschritt?

Ein Gegenargument zu Grants Überzeugung, dass die Zinssätze in den nächsten Jahrzehnten tendenziell steigen werden, ist der technologische Fortschritt. Wall-Street-Bullen argumentieren, dass die Produktivität durch Künstliche Intelligenz und Robotik dramatisch steigen wird, was die Preise senken und den Staatshaushalt ausgleichen werde.

Grant räumt ein, dass technologischer Fortschritt deflationär sein kann, ist jedoch nicht überzeugt, dass das derzeitige Tempo des Fortschritts schnell genug ist, um die Preise wesentlich zu senken. Mit Blick auf die Geschichte sagt er, dass Innovation und Deflation eben nicht immer gleichzeitig auftreten, sondern dass die Preise trotz technologischem Fortschritt steigen können.

„Ich weiß nicht, wie man die Intensität des technischen Fortschritts in den 1930er Jahren mit der in den 1970er Jahren vergleichen kann“, so Grant, „aber beide waren durch enorme Verbesserungen in der Produktionstechnologie gekennzeichnet, und in der einen gab es Deflation, in der anderen mächtige Inflation.“


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