Immobilien

Gutes bauen, Gutes tun: Eine Stiftung geht mit einem Gesundheitshaus neue Wege

Architekten-Wettbewerb mit großer Ausstrahlung: Ein geplanter Umbau in Berlin-Moabit beherzigt vorbildlich das Thema Klimaschutz. Die Bauherrin zeigt so anderen Unternehmen in Deutschland neue Ansätze in der Immobilienwirtschaft auf. Das Gebäude versöhnt zugleich die Geschichte der Hauptstadt mit der Zukunft.
04.02.2024 16:08
Aktualisiert: 04.02.2024 16:08
Lesezeit: 5 min
Gutes bauen, Gutes tun: Eine Stiftung geht mit einem Gesundheitshaus neue Wege
Geplanter Umbau in Berlin-Moabit: Der blau-weiße Betonbau von Paul Schwebes bleibt erhalten, der Parkplatz wird in Holzkonstruktion neu bebaut. (ALAS/Alarcon Linde Architects)

Haus Königstadt prangt - schon von weitem sichtbar - in großen Lettern der Schriftzug an der Fassade des markanten Gebäudes am Kurfürstendamm/Ecke Grolmanstraße. Ein Stück altes Berlin, ein bemerkenswertes Kapitel deutscher Wirtschaftsgeschichte. Schicksale und auch Menschlichkeit schimmern hier mal durch.

Das mächtige Haus erinnert wie nur wenige andere Gebäude an den Wiederaufbau Berlins und die Brüche der deutschen Wirtschaftsgeschichte in Folge von Krieg und Vertreibung. Nur historisch wirklich versierte Kenner der Stadtgeschichte wissen noch, dass der Name Königstadt auf eine beliebte Brauerei im gleichnamigen Stadtteil am Übergang von Berlin-Mitte zum Prenzlauer Berg. Künstler und Kreative haben den alten Produktionsstandort an der Schönhauser Allee/Ecke Saarbrücker Straße in genossenschaftliche Nutzung überführt.

Früher standen auf dem einstigen Windmühlenberg mal Brauerei neben Brauerei. Insgesamt gut 100 Betriebe samt Schankstuben und Biergärten berlinweit versorgten die Bevölkerung früher mit Weissbier, Bock und Pils. Schultheiss trinken die Berliner immer noch gern. Die Königstadt macht seit dem Krieg in Immobilien, wie man so sagt.

Ein Architekten-Wettbewerb macht ein Kapitel Bau-Geschichte sichtbar

Mit einem Architekten-Wettbewerb macht die heute überwiegend als Hausverwaltung (ihres ganz erheblichen Immobilienbestands in Berlin und München) tätige Königstadt-Gruppe seit langer Zeit wieder mal auf sich und ihre beachtliche Historie aufmerksam.

Die im Jahre 1871 mit Gründung des Deutschen Kaiserreichs entstandene Brauerei hat sich mehrfach neu erfunden. Schon 1914 setzte sie erfolgreich auf Kintopp als Geschäftsidee und baute auf ihrem Brauereigelände eines der größten Uraufführungs-Kinos in Berlin - den Ufa-Palast Königstadt mit anfänglich 2000 Sitzplätzen.

Hinter der Gesellschaft stand wirtschaftlich eines der mächtigsten privaten Geldinstitute Deutschlands - das Bankhaus Gebrüder Arnold. Ihre Inhaber saßen einst in fast 50 Industrie-Betrieben im Aufsichtsrat und bestimmten die deutsche Wirtschaft mit.

Eine frühere Beteiligung des Bankhauses Gebr. Arnold Dresden

Die Zäsur kam mit der Machtergreifung Adolf Hitlers: Die Privatbank mit Sitz in Dresden und Berlin wurde 1935 auf Drängen der Nazis von der Dresdner Bank „arisiert", wie es euphemistisch heißt, weil die Inhaberfamilie als Juden aus dem Land gedrängt wurden. In New York gelang den Bankiers unter dem Namen Arnold und S. Bleichroeder der Neuanfang am wichtigsten Börsenplatz der Welt.

Bemerkenswert ist, wie sich ihre alte Firma Königstadt als einer ersten Berliner Firmen nach dem verlorenen Krieg an der Wiederaufbau Berlins beteiligte. Mit dem besagten Haus Königstadt am Kurfürstendamm und einem Eckhaus in Moabit an der Turmstraße 32 - damals noch einer der beliebtesten Einkaufsstraßen der Stadt. Für beide Gebäude zeichneten die Architekten Paul Schwebes und Hans Schoszberger verantwortlich, die durch ihr berühmtes Bikini-Haus (für den Verband der Berliner Konfektionsindustrie) am Berliner Zoo deutsche Baugeschichte schrieben.

Fred und Carla Lottberg-Stiftung für spastisch gelähmte Kinder profitiert

Ihr während der Wirtschaftswunder-Jahre von einem distinguierten Herren-Ausstatter genutzte Eckhaus nahe dem Rathaus Tiergarten soll nun einer neuen Nutzung zugeführt werden - als Ärztehaus und Gesundheitszentrum. Über 50 Prozent der Fläche soll dabei als Wohnfläche Pflegern und Arbeitskräften aus der Gesundheitsbranche zur Verfügung gestellt werden. Für die Königstadt-Gruppe „eine programmatische Zielstellung", wie die neue Geschäftsführerin Heike Lemiss deutlich macht.

Die Erlöse aus der Geschäftstätigkeit der Königstadt fließen schon seit vielen Jahren umfänglich mildtätigen Zwecken der Fred und Carla Lottberg-Stiftung für spastisch gelähmte Kinder zu. „Wir haben die finanzielle Kraft und die Grundstücke", sagt Betriebswirtin Lemiss selbstbewusst, „um das gewinnbringend und sozial für die Stadt einzubringen."

Ein lange Zeit gut gehütetes Geheimnis der Finanzbranche

Tue Gutes, und rede drüber! Leider keine Selbstverständlichkeit. Nicht viele Stiftungen in Deutschland legen gerne in der Öffentlichkeit Zeugnis ab über ihre Stifter und deren Geschichte. Die Königstadt verfügt über Immobilien im geschätzten Wert von gut 300 Millionen Euro, so schätzen Experten. Der Buchwert muss bekanntlich um den im Stillen verborgenen Verkehrswert angepasst werden. Die Zuwendungen an die Stiftung können sich sehen lassen, es gibt bundesweit nicht viele vergleichbare Fälle.

Es war ein lange wohl gehütetes Geheimnis: Fred Lottberg fungierte in der Königstadt GmbH als ein loyaler Statthalter für das Bankhaus Arnold und sorgte dafür, dass die Firma die dunkle NS-Zeit überstand, obwohl Bankier Arnold emigrieren musste.

Nach dem Krieg einigten sich beide einvernehmlich über die Anteile. Fred Lottberg, dessen Sohn als Opfer des NS-Euthanasie-Programms umgekommen war , wies fortan die Richtung des später kinderlos gebliebenen Unternehmer-Ehepaars Lottberg.

Insofern ist das Moanova genannte Gesundheitshaus Fokus dieses Vermächtnisses. Die Lottbergs haben ihren Namen verewigt, sie sind längst verstorben. Die Nachfolger im Übernehmen stellen sich dieser Verantwortung - und zwar ausdrücklich auch in architektonischer und immobilienwirtschaftlicher Hinsicht.

„Graue Energie" zu nutzen zahlt ein auf die Klimaschutz-Ziele

Das ist auch das Credo von Prof. Matthias Sauerbruch, der als namhafter Architekt und Aufsichtsrat der Stiftung dem Wettbewerb vorsaß und die klimagerechte Sanierung des Schwebes-Baus in den Vordergrund des Auswahlverfahrens stellte. Weil es niemals unter Denkmalschutz gestellt wurde, wäre es im Normalfall von Investoren abgerissen worden.

Sauerbruch verweist auf den „Riesen-Vorteil", die Beton-Konstruktion weiter zu verwenden. „Aus Sicht der Co2-Belastung ist dieser Nachkriegsbau voll grauer Energie" , betont Sauerbruch. Die Umwelt wurde beim Bau 1953-1956 also bereits mit Kohlendioxid-Ausstoß belastet.

Dadurch, dass es stehenbleibt und nun um einen der grünen Lehre entsprechend nachhaltigen Holzbau ergänzt wird, zahlt dies auf das erklärte Klimaziel ein. „Es war gewissermaßen eine Denksportaufgabe, die wir den am Wettbewerb beteiligten Architekten mit auf den Wege gegeben haben", so Sauerbruch. Der vorbildliche Umbau eines normalerweise abrissreifen Hauses war damit vorgezeichnet und letztlich in der Jury mehrheitsfähig, wenn auch nicht unumstritten. Vor fünf Jahren wäre der Entscheid für Platz 1 womöglich „anders ausgefallen", gibt Prof. Sauerbruch unumwunden zu.

Sauerbruch selbst hat schon 1995 bis 1999 mit Partnerin Louisa Hutton im Berliner Zeitungsviertel den mittlerweile so benannten Rocket-Tower (früher das GSW-Hochhaus) entworfen und samt der knallbunten Pillbox an der Rudi-Dutschke-Straße (gleichfalls neben einem alten Schwebes/Schoszberger-Bau der 50er-Jahre) das zukunftsweisende Weiterbauen beherzigt. Das war in den Sturm-und-Drang-Jahren nach Mauerfall und Wiedervereinigung beileibe keine Selbstverständlichkeit in der damals erst noch designierten Hauptstadt.

Berüchtigt als Knast, erlebt Moabit als Kiez gerade seine Wiedergeburt

In Berlin-Moabit, einem Stadtteil, der sich dank brandneuem Tramanschluss an die Innenstadt gerade im Umbruch befindet, haben diesmal die Architekten Axel Linde (in Gelsenkirchen geboren) und sein Partner Carlos Alarcon Allen aus Madrid das Ziel mit Bravur erreicht. Sie setzen auf die Zukunft des wegen des Knasts berühmt-berüchtigt und drum herum stark von Zuwanderung geprägten Stadtteils, ohne ihn mit dem Charlottenburger Chic gentrifizieren zu wollen. „Wir haben als Büro schon seit 2016 Erfahrungen beim Dachgeschossbau gesammelt", bekennen die beiden jungen Baumeister. „Das kommt uns jetzt beim ökologischen Bauen zugute."

Für eine „bessere Ökobilanz in diesen postfossilen Zeiten"

Die Architekten haben sich durch den „Optimismus von Paul Schwebes anstecken lassen", wie sie sagen, „vom Aufbauwillen und der Freude an Demokratie". Das passt sehr gut in die Zeit.

Das zuletzt etwas in Vergessenheit geratene Geschäftshaus habe sie beim Dialog mit dem bestehenden Altbau bestärkt und das Finden neuer Lösungen befeuert. Alarcon nennt den Entwurf stolz „eine Assemblage" und „ein gebautes Manifest".

Die Parkplatz-Flächen werden entsiegelt und ein grüner Innenhof angelegt - alles für eine „bessere Ökobilanz in diesen postfossilen Zeiten", so Alarcon schnippisch. Auch die Wohnungen sollen mit der Zeit gehen. Cluster-Wohnungen schweben den Architekten vor. Also größenoptimierte Apartments für Singles und Pärchen, die Gemeinschaftsflächen kommunikativ fortschrittlich in der Community nutzen können. Die Königstadt will sie künftig - entsprechend der mildtätigen Ziele der Lottberg-Stiftung - an Dienstleister im Gesundheitsbereich vermieten, die es sonst eher schwer haben Wohnraum zu bezahlbaren Mieten zu finden. Von Tür zu Tür der Flats führt im Hof künftig ein Laubengang.

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Peter Schubert

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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