Politik

Verdi legt Deutschland lahm

Kein Bus, keine U-Bahn, keine Straßenbahn: Pendler mussten sich am Freitag in rund 80 Städten einen alternativen Arbeitsweg suchen. Grund war der nächste Warnstreik der Gewerkschaft Verdi.
02.02.2024 14:29
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Verdi legt Deutschland lahm
Der ganztägige Warnstreik der Gewerkschaft Verdi hat Deutschland lahmgelegt (Foto: dpa). Foto: Jörn Hüneke

Leere U-Bahnhöfe, verwaiste Bushaltestellen, Streikposten mit Feuertonnen - mit einem ganztägigen Warnstreik hat die Gewerkschaft Verdi am Freitag in Dutzenden Städten weite Teile des öffentlichen Nahverkehrs lahmgelegt. Busse, U- und Straßenbahnen blieben in den Depots, Pendler und Schüler mussten anderweitig zur Arbeit beziehungsweise zur Schule gelangen. Es ist in Deutschland der dritte Arbeitskampf innerhalb von sieben Tagen, der Teile des Verkehrs betrifft.

Unterstützt wurde der Ausstand am Freitag von der Bewegung Fridays for Future (FFF). An zahlreichen Streikposten mischten sich junge Aktivistinnen und Aktivisten unter die Beschäftigten.

„Es gab eine sehr hohe Streikbeteiligung und wir hoffen, dass die Arbeitgeber dieses Signal verstanden haben“, teilte die stellvertretende Verdi-Bundesvorsitzende Christine Behle mit. „Dass uns auch so viele junge Leute von Fridays for Future mit unterstützt haben, hat uns sehr gefreut.“

Hohe Streikbeteiligung

Am stärksten betroffen war das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gut ein Drittel der bundesweit rund 90 000 zum Warnstreik aufgerufenen Beschäftigten arbeiten laut Verdi in NRW. Die Gewerkschaft meldete aber auch in zahlreichen anderen Bundesländern eine hohe Streikbeteiligung. Insgesamt waren der Gewerkschaft zufolge bundesweit mehr als 80 Städte und rund 40 Landkreise betroffen. In 15 Bundesländern kam es zu Ausständen. Lediglich Bayern war nicht betroffen, weil dort die Tarifverträge noch laufen.

Beim größten deutschen Nahverkehrsunternehmen, den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), endete der Arbeitskampf bereits am Vormittag. Verdi erkennt hier auf Arbeitgeberseite ein grundlegendes Verständnis für die Anliegen und Sorgen der Gewerkschaft an. In anderen Bundesländern sei die Tarifrunde deutlich konfliktträchtiger, sagte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt am Freitag bei einem Streikposten in Berlin.

Arbeitsbedingungen im Fokus

Die Gewerkschaft verhandelt derzeit parallel in 15 Bundesländern über neue Tarifverträge. In den meisten Runden geht es vor allem um die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Verdi fordert unter anderem kürzere Arbeitszeiten ohne finanzielle Einbußen, längere Ruhezeiten zwischen einzelnen Schichten, mehr Urlaubstage oder mehr Urlaubsgeld. Damit sollen die Beschäftigten entlastet und der Beruf attraktiver werden.

Sämtliche Verkehrsunternehmen leiden unter dem anhaltenden Personalmangel. Insbesondere Busfahrerinnen und Busfahrer sind schwer zu finden. In Berlin ist die BVG aus diesem Grund seit Monaten mit einem eingeschränkten Busfahrplan unterwegs.

In Brandenburg, im Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird auch über höhere Löhne und Gehälter verhandelt. Verdi fordert etwa in Bandenburg 20 Prozent - mindestens aber 650 Euro - mehr pro Monat für die Beschäftigten. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll laut Verdi ein Jahr betragen. In Hamburg wird über einen neuen Haustarifvertrag für die Verkehrsbetriebe verhandelt.

Unterstützung von Fridays for Future

Seit Jahren schon unterstützt die Klimabewegung Fridays for Future die Gewerkschaft bei ihren Tarifrunden im ÖPNV im Rahmen der Aktion „Wir fahren zusammen“. Zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten kamen am Freitagmorgen zu den Streikposten und solidarisierten sich mit den Beschäftigten. „Gerade in einer Zeit, in der ganz viele Menschen das Gefühl haben, es bricht in diesem Land so viel auseinander, man kann nicht miteinander sprechen, alle sind gegeneinander, die Politik ist komplett zerstritten und jeden Tag kommt eine Krise auf uns zu, ist dieses Bündnis der Moment, in dem wir zusammen zeigen: Nein, es geht anders“, sagte FFF-Aktivistin Luisa Neubauer am Freitag in Berlin.

„Natürlich können wir als Klimabewegung dafür kämpfen, dass Klimaziele im Verkehr eingehalten werden können und die Emissionen endlich sinken“, betonte Neubauer. „Aber das geht am Ende nicht auf, wenn wir ignorieren, unter welchen Bedingungen die Menschen arbeiten.“ Sie verwies auf das Ziel der Bundesregierung, die Zahl der Fahrgäste auf der Schiene und auch im ÖPNV bis 2030 zu verdoppeln. „Wer soll das alles fahren, wenn die Menschen sich diese Arbeitsbedingungen nicht geben wollen?“, fragte die Aktivistin.

Dritter Verkehrsstreik in sieben Tagen

Für Fahrgäste bedeutete der Warnstreik gleichwohl eine weitere Belastung im Verkehr. Am vergangenen Wochenende hatte die Lokführergewerkschaft GDL den Fern-, Regional- und Güterverkehr der Deutschen Bahn bestreikt. Am Donnerstag führte ein weiterer Verdi-Warnstreik zu zahlreichen Flugausfällen an elf deutschen Flughäfen. Tausende Passagiere waren betroffen. Hintergrund sind die Tarifverhandlungen für das Luftsicherheitspersonal. Am Hamburger Flughafen ging der Ausstand am Freitag gleich weiter, weil Verdi dort auch für die Bodendienstleister neue Tarife erstreiten will.

Die nächsten Verhandlungsrunden im ÖPNV sind etwa in NRW und Berlin für Mitte Februar angesetzt. In Nordrhein-Westfalen will die Gewerkschaft den Druck vorher noch einmal erhöhen, wie der dortige Verhandlungsführer Peter Büddicker am Freitag sagte. Ob es noch einmal zu einer Warnstreikaktion in allen 15 Bundesländern kommt, blieb aber zunächst offen (dpa).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen US-Investoren strömen zu EARN Mining Cloud Mining und erzielen über 1.000 XRP pro Tag

Onchain-Daten zeigen, dass große Investoren bei einem XRP-Anstieg auf 3,10 US-Dollar Gewinne mitgenommen haben. Adressen mit Beständen...

DWN
Politik
Politik Finanzloch im Verkehrsetat: Länder warnen vor Baustopp
18.09.2025

Milliarden für Straßen und Schienen sind zwar eingeplant, doch sie reichen nicht aus. Länder und Bauindustrie schlagen Alarm, weil...

DWN
Politik
Politik Suwalki-Korridor: Europas Achillesferse zwischen NATO und Russland
18.09.2025

Der Suwalki-Korridor gilt als Achillesferse der NATO. Moskau und Minsk üben die Einnahme des Gebiets – Polen warnt, Deutschland blickt...

DWN
Finanzen
Finanzen SAP-Aktie: Milliarden gegen US-Dominanz
18.09.2025

SAP-Vorstand Thomas Saueressig gibt den Ton an: Mit einer Milliardenoffensive will er Europas digitale Selbstständigkeit sichern – von...

DWN
Politik
Politik Frankreich-Proteste: Hunderttausende gegen Sparpläne und Regierung
18.09.2025

Hunderttausende Menschen ziehen durch Frankreichs Straßen, Schulen und Bahnen stehen still. Die Wut über Macrons Personalentscheidungen...

DWN
Politik
Politik Draghi warnt: EU verliert geopolitische Bedeutung – welcher Reformplan für Europa dringend nötig ist
18.09.2025

Mario Draghi rechnet ab: Die EU habe ihre geopolitische Bedeutung überschätzt und sei heute schlecht gerüstet für die globalen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Amazon fährt Investitionen in Deutschland hoch
18.09.2025

Amazon baut seine Dominanz in Deutschland massiv aus. Milliarden fließen in neue Standorte, Cloud-Infrastruktur und Künstliche...

DWN
Politik
Politik USA liefern wieder Waffen mit europäischem Geld
18.09.2025

Die USA nehmen Waffenlieferungen an die Ukraine wieder auf – doch diesmal zahlt Europa. Für Deutschland könnte das teuer und politisch...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt Deutschland: Käufer kehren zurück, Zinsen steigen
18.09.2025

Der deutsche Immobilienmarkt lebt wieder auf. Mehr Käufer greifen zu, doch steigende Bauzinsen bremsen die Euphorie. Während die...