Immobilien

DWN-Interview: „Wir haben weiterhin die höchste Alarmstufe im Wohnungsbau“

Der Wohnungsbau bleibt auch 2024 das Sorgenkind der deutschen Baubranche. Entsprechend fordert Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe (ZDB), die Bundesregierung im DWN-Interview auf, jetzt zu handeln. Seine Forderung an die Ampel: „Endlich Bürokratie abbauen“.
13.02.2024 13:09
Aktualisiert: 13.02.2024 13:09
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

DWN: Herr Pakleppa, nach den Konjunkturzahlen Ihres Verbandes wird sich der Nachfrageeinbruch in der Bauwirtschaft in diesem Jahr fortsetzen. 30.000 Beschäftigten droht der Verlust des Arbeitsplatzes. Gleichzeitig gibt es einen Fachkräftemangel im Hoch- und Tiefbau. Wie würden Sie den Zustand der Branche im Jahr 2024 beschreiben?

Felix Pakleppa: Der deutliche Nachfrageeinbruch im Wohnungsbau und die daraus resultierende Unterauslastung der Kapazitäten bleiben per Saldo auch für die Beschäftigung nicht ohne Folgen. Nach einem Jahrzehnt des Beschäftigungsaufbaus von plus 220.000 Beschäftigten auf 926.700 (2022), rechnen wir 2023 mit einem leichten Rückgang auf 920.000 Beschäftigte.

Für 2024 erwarten wir einem deutlichen Rückgang um 30.000 Beschäftigte, bei weiterem Abwärtspotenzial. Anders ist die Situation in den Ausbaubereichen und im Ingenieur- und Tiefbau, wo weiter Fachkräfte gesucht werden. Es ist ein echtes Dilemma: Das Bauhauptgewerbe bewegt sich zwischen Fachkräftesuche einerseits und drohender Kurzarbeit und Kündigungen andererseits. Dabei mangelt es nicht an Aufgaben, sondern an Aufträgen.

DWN: Im Jahr 2018 wollte die damalige Bundesregierung im Rahmen der sogenannten "Wohnraumoffensive" 400.000 Wohnungen pro Jahr bauen. Seitdem wurde das Ziel - wie von vielen Experten vorhergesagt - jedes Jahr verfehlt. Wie sieht Ihre Prognose für das laufende Jahr aus?

Felix Pakleppa: Der Giftmix aus stark gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten hat wie erwartet vor allem im Wohnungsbau seine Spuren hinterlassen. Für 2023 rechnen wir mit einer Fertigstellung von 271.000 Wohneinheiten (WE). In diesem Jahr werden sich die Zahlen deutlich verschlechtern. Wir erwarten nur noch die Fertigstellungen von 235.000 WE. Damit rückt das unstrittige Ziel der Ampel von 400.000 WE pro Jahr in weite Ferne.

DWN: Angesichts des prognostizierten Rückgangs der Baukonjunktur und des Umsatzrückgangs im Wohnungsbau: Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht unnötige Vorschriften, die die Bauwirtschaft belasten

Felix Pakleppa: Viele Vorschriften sind wahre Bürokratiemonster, die die Wirtschaft lähmen. Darunter leiden auch unsere Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer tagtäglich. Von der Tachographenpflicht über diverse Dokumentations- und Informationspflichten bis hin zu 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen - es muss hier endlich entrümpelt und harmonisiert werden! Gerade die Wohnungsbauunternehmen kämpfen derzeit um jeden Auftrag und haben keine Zeit für sinnlose Bürokratie. Daher unsere Empfehlung für das neue Jahr: Endlich Bürokratie abspecken!

DWN: Die ZDB-Herbstumfrage zeigt, dass fehlende Aufträge für viele Unternehmen das größte Hemmnis sind. Welche Veränderungen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um die Auftragslage zu verbessern?

Felix Pakleppa: Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Es mangelt nicht an Aufgaben, es mangelt an Aufträgen – insbesondere im Wohnungsbau. Dass bei der Haushaltsplanung 2024 auf den letzten Metern noch zusätzlich Fördermittel offensichtlich für den Mehrfamilienhausbau eingestellt wurden, ist ein Lichtblick. Für potenzielle Eigenheimbauer, deren Umsatzanteil den Wohnungsneubau dominiert, bleiben die Impulse allerdings zu schwach.

DWN: Was fordern Sie vor diesem Hintergrund von der Ampelregierung?

Felix Pakleppa: Vor allem brauchen wir dringend eine temporäre Entlastung für den privaten Wohnungsbau. Hier sollte der Bund mit Förderkonzepten auf dem Niveau der Effizienzhausstufe 55 helfen. Die Länder bleiben gefordert, die Grunderwerbsteuer abzusenken. Nur wenn wir die Beschäftigten in der Branche halten können, werden wir perspektivisch die benötigten mindestens 400.000 Wohnungen pro Jahr auch bauen.

DWN: Wie bewerten Sie die vom Statistischen Bundesamt kürzlich veröffentlichten Baugenehmigungszahlen?

Felix Pakleppa: Die neuen Baugenehmigungszahlen läuten erneut keine Trendwende ein, auch wenn die Veränderungsraten zum Vorjahr nicht mehr so hoch ausfallen. Das Genehmigungsverlangen ist nach 18 Monaten im Rückgang auf einem sehr niedrigen Niveau angekommen. Von Januar bis November 2023 wurden 238.500 Wohnungen genehmigt. Das waren 83.200 Wohnungen weniger genehmigt als im Vorjahr. Bei den Mehrfamilienhäusern sank die Genehmigungsquote um 23,8 Prozent. Bei den Einfamilienhäusern waren es minus 38,6 Prozent. Die Trendwende fehlt nach wie vor und das bei größter Wohnungsnot in Deutschland.

DWN: Was heißt das für den Wohnungsbau?

Felix Pakleppa: Dass weiterhin die höchste Alarmstufe im Wohnungsbau gilt. Für die Wohnungsbauunternehmen wird es immer schwieriger, ihre Beschäftigten zu halten. Die Bundesregierung muss dem Wohnungsbau Priorität einräumen, um die Wohnungsnot in den Griff zu bekommen! Politisches Hick-Hack können wir uns in dieser Situation nicht mehr leisten. Handeln statt Reden muss die Devise im neuen Jahr lauten. Wir brauchen die degressive Afa und eine temporäre EH-55-Förderung im privaten Wohnungsbau.

DWN: Herr Pakleppa, vielen Dank für das Interview.

Zur Person: Felix Pakleppa, Jahrgang 1966, ist seit 2011 Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe e.V., des größten und ältesten Bauverbandes in Deutschland. Gleichzeitig ist er Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Bauwirtschaft und ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU). Darüber hinaus ist er Vorstandsmitglied des Vereins für die Präqualifikation in der Bauwirtschaft e.V. und des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses e.V. (DVA).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Elektromobilität stärken: Bundesregierung plant Verlängerung der Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge
08.10.2025

Die deutsche Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Steigende Anforderungen an Klimaschutz, die Transformation hin zur...

DWN
Politik
Politik Von der Leyen wirft Russland hybriden Krieg gegen EU vor
08.10.2025

Plant Russland einen Angriff auf die EU? Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht schon jetzt Zeichen für einen Krieg – und...

DWN
Politik
Politik Kranken- und Rentenversicherung wird für Gutverdiener teurer
08.10.2025

Erwerbstätige mit höheren Einkommen müssen sich darauf einstellen, im kommenden Jahr mehr für die Renten- und Krankenversicherung zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrieproduktion sinkt erneut deutlich - Einbruch in der Autobranche
08.10.2025

Die deutschen Unternehmen drosseln ihre Produktion stärker als erwartet. Vor allem eine Branche verbucht ein sattes Minus. Hat das...

DWN
Panorama
Panorama Deutschlandticket: Boom vorbei - weniger Fahrgäste im Nahverkehr als vor Corona
08.10.2025

Das Deutschlandticket hat viele in Busse und Bahnen gelockt, doch der Boom ist vorbei. Fahrgastverbände und Verbraucherschützer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Vom Pflichttermin zum Strategiewerkzeug: Jahresgespräche im Wandel
08.10.2025

Was lange als lästige Pflicht galt, entwickelt sich zum strategischen Machtfaktor: Jahresgespräche sollen nicht mehr nur Protokoll...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU kämpft mit Umweltabgaben und Wettbewerbsdruck in der Düngemittelindustrie
08.10.2025

Die europäische Düngemittelindustrie steht unter erheblichem Druck. Hohe Produktionskosten, steigende Emissionsabgaben und der wachsende...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis klettert über 3.450 Euro: Zahl neuer Goldkäufer in Deutschland vervierfacht sich
08.10.2025

Der Goldpreis erreicht ein Rekordhoch nach dem anderen, auch in Euro, trotz ruhiger Märkte. Auch immer mehr Anleger in Deutschland...