Politik

Ukraine-Krieg: Ohne jede Aussicht auf baldigen Frieden

Der Ukraine-Krieg geht jetzt schon ins dritte Jahr. Aus dem Westen reist wieder politische Prominenz zur Unterstützung in die Ukraine. Konkrete Hoffnung gibt es aber nicht.
25.02.2024 08:17
Lesezeit: 4 min
Ukraine-Krieg: Ohne jede Aussicht auf baldigen Frieden
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine. Ein Frieden oder ein Waffenstillstand in der Ukraine sind nicht in Sicht. (Foto: dpa) Foto: Andreea Alexandru

Angriffe auf beiden Seiten - Baerbock muss Schutzraum aufsuchen

In der Ukraine gibt es auch nach zwei Jahren Krieg mit vielen Zehntausend Toten keine Aussicht auf baldigen Frieden. Russland überzog das Nachbarland zum zweiten Jahrestag seines großangelegten Überfalls am Samstag weiter mit Angriffen. Ziel war abermals auch die Großstadt Odessa am Schwarzen Meer, wo nach ukrainischen Angaben ein Mann durch eine Drohne getötet und mehrere Menschen verletzt wurden. Am Samstag-Nachmittag traf dort Außenministerin Annalena Baerbock zu einem Besuch ein.

Nach einem Luftalarm musste sie einen Schutzraum aufsuchen. Der Alarm wurde am Samstagabend um 21.48 Uhr (Ortszeit) ausgelöst. In der Hafenstadt waren Luftschutzsirenen zu hören. Um 22.07 Uhr wurde der Alarm aufgehoben. Die Grünen-Politikerin hielt sich nach Angaben eines Reporters der Deutschen Presse-Agentur gemeinsam mit Mitgliedern ihrer Delegation und anderen Gästen im Schutzraum ihres Hotels auf.

Die Ukraine hatte auf russischem Gebiet ebenfalls Drohnen im Einsatz. Eines der Ziele war Russlands größtes Stahlwerk in der Stadt Lipezk, 400 Kilometer südöstlich von Moskau.

Regierungschefs aus dem Westen reisen zu Präsident Selenskyj

Die Gruppe sieben großer demokratischer Industrienationen (G7) machte mit einer Videoschalte ihrer Staats- und Regierungschefs deutlich, das angegriffene Land weiterhin unterstützen zu wollen - auch aus eigenem Interesse. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mahnte vorab in einer Videobotschaft: „Zusammen mit unseren Verbündeten müssen wir so stark sein, dass niemand es wagt, uns anzugreifen.“ In zahlreichen deutschen Städten gab es wieder Kundgebungen für die Ukraine, auch im europäischen Ausland, etwa in London, Paris und Stockholm.

Auf Befehl von Präsident Wladimir Putin hatte Russland in der Nacht zum 24. Februar 2022 den großflächigen Angriff auf den Nachbarn begonnen. Bereits seit 2014 hält es völkerrechtswidrig die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim besetzt. Nach UN-Schätzungen wurden bislang mindestens 10.000 Zivilisten getötet, darunter Hunderte Kinder. Die Zahl der getöteten Soldaten wird von beiden Seiten streng geheim gehalten. Experten gehen jedoch von vielen Zehntausenden aus - auf russischer Seite nochmals deutlich mehr als in den Reihen der ukrainischen Armee.

Derzeit stehen russische Truppen in einem Fünftel der Ukraine. Die Front verläuft auf etwa 1.000 Kilometern. Auch Kiew ist immer wieder Ziel von Angriffen. Trotzdem reisten für den G7-Videogipfel mehrere Regierungschefs aus dem Westen persönlich zu Präsident Wolodymyr Selenskyj, um ein Zeichen zu setzen. Die Schalte wurde von der amtierenden G7-Vorsitzenden, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, aus Kiew geleitet. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie Kanadas Premierminister Justin Trudeau waren persönlich dabei. Scholz nahm aus Berlin teil. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron ließ sich vertreten.

„Um der Ukraine zu helfen, stocken wir unsere sicherheitspolitische Unterstützung für das Land auf und bauen unsere Produktions- und Lieferkapazitäten aus“, erklärten die G7-Staaten im Anschluss an ihre Beratungen. Bei Fortdauer des Angriffskriegs gegen die Ukraine wolle die G7 demnach den Druck auf Russland erhöhen. „Wir sind unverändert entschlossen, unsere Sanktionen gegen Russland vollständig um- und durchzusetzen und bei Bedarf neue Maßnahmen zu beschließen“, hieß es. Zudem warnte die G7 Russlands Unterstützer: „Wir werden weiterhin gegen Akteure aus Drittstaaten vorgehen, die Russlands Krieg materiell unterstützen.“

Bilaterale Sicherheitsabkommen mit der Ukraine

Parallel zu den Beratungen unterzeichneten Italien und Kanada bilaterale Sicherheitsabkommen mit der Ukraine. Mit Deutschland und Frankreich hat die Ukraine solche Abkommen bereits.

Selenskyj machte zum Jahrestag deutlich, dass sich sein Land niemals geschlagen geben werde. „Jeder normale Mensch will, dass der Krieg endet. Aber niemand von uns erlaubt, dass unsere Ukraine endet.“ Von der Leyen und Meloni würdigten Mut und Verteidigungswillen der ukrainischen Bevölkerung. Die deutsche Kommissionspräsidentin sagte: „Das tapfere Volk der Ukraine erstaunt die Welt immer wieder.“ Zugleich kündigte sie an, dass im nächsten Monat eine erste Tranche von 4,5 Milliarden Euro aus einem EU-Hilfsfonds über insgesamt 50 Milliarden an die Ukraine gezahlt werde. Meloni versicherte: „Ihr seid nicht allein. Die Sicherheit der Ukraine ist die Sicherheit Europas und umgekehrt.“

Die Kämpfe an der Front und die gegenseitigen Angriffe mit Drohnen dauerten auch am zweiten Jahrestag an. Die Hafenstadt Odessa war Ziel eine zweite Nacht in Folge. Ein von einer Drohne getroffenes Wohnhaus liegt praktisch völlig in Trümmern. Auch Nachbarhäuser wurden beschädigt. Wenige Stunden später traf Baerbock zusammen mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba in Odessa ein. Für die Grünen-Politikerin ist dies bereits der sechste Besuch in der Ukraine seit Kriegsbeginn.

In der russischen Stadt Lipezk stand nach einem Drohnenangriff in der Nacht zum Samstag das Stahlwerk in Flammen. Später versicherte Gouverneur Igor Artamonow, der Brand sei gelöscht. „Es gibt keine Gefahr des Austretens gefährlicher Stoffe.“ Die ukrainischen Streitkräfte greifen in ihrem Verteidigungskampf immer wieder militärische Ziele und die für die Kriegswirtschaft genutzten Industrieanlagen in Russland an.

Zuvor schon hatte das Verteidigungsministerium in Moskau den Abschuss mehrerer Drohnen in verschiedenen Regionen gemeldet, ohne dass sich Kiew dazu äußerte. Die ukrainische Flugabwehr holte nach eigenen Angaben am Freitag über dem russisch kontrollierten Asowschen Meer ein russisches Aufklärungsflugzeug des Typs A-50 vom Himmel. Eine offizielle Bestätigung von russischer Seite gab es nicht. Die Angaben der beiden Kriegsparteien sind von unabhängiger Seite in vielen Fällen nicht zu überprüfen.

Selenskyj erklärte am Samstag, der Abschuss Aufklärungsflugzeugs vom Typ Berijew A-50 sei das Ergebnis der „Zusammenarbeit mit Partnern“ gewesen. Gleichzeitig wies er Spekulationen zurück, wonach für den Abschuss von westlichen Partnern überlassene Waffensysteme, möglicherweise Patriot-Raketen, eingesetzt worden seien.

Unterstützung der westlichen Militärallianz

Im Namen der Nato versicherte Generalsekretär Jens Stoltenberg der Ukraine abermals die Unterstützung der westlichen Militärallianz. „Die Ukraine wird der Nato beitreten. Die Frage ist nicht ob, sondern wann“, sagte der Norweger in einer Videobotschaft zum Jahrestag. Putin habe den Krieg begonnen, weil er der Ukraine die Tür zum Bündnis verschließen wolle. Erreicht habe er genau das Gegenteil. Russland begründet den Überfall unter anderem damit, dass ein Nato-Beitritt der Ukraine seine Sicherheit bedrohe.

Nach Einschätzung des deutschen Militärexperten Carlo Masala wird der russische Angriffskrieg in der Ukraine noch längere Zeit dauern. „Für das Jahr 2024 sehe ich kein Ende für diesen Krieg, da gibt es nichts, was uns Hoffnung geben könnte“, sagte der Professor der Bundeswehr-Universität München der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag). „Die Ukraine findet keinen Frieden, weil Russland noch immer glaubt, diesen Krieg gewinnen zu können.“ (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Finanzen
Finanzen Zehn S&P 500‑Aktien mit Aufholpotenzial: So bewerten Analysten Chancen und Risiken
01.11.2025

Zehn S&P 500‑Aktien, die Analysten trotz schwächerer Jahresperformance als chancenreich einstufen, werden auf Wachstum, Bewertung und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lithium und die Energiewende: Wie der Rohstoff Elektronik und E-Mobilität vorantreibt
01.11.2025

Lithium gilt als das Metall unserer Zeit. Smartphones, Laptops und Elektroautos kommen ohne es nicht aus. Die Nachfrage steigt rapide,...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersrente berechnen: So hoch ist die Maximalrente in Deutschland
01.11.2025

Im Alter gilt, je mehr Rente, desto besser. Doch selbst mit extra Schichten oder einem hohen Einkommen ist der maximale Betrag an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Winzer unter Druck: Wie sich eine Branche neu erfinden muss
01.11.2025

Der deutsche Weinbau steckt in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Sinkender Konsum, steigende Kosten und eine zunehmende...

DWN
Technologie
Technologie Wärmepumpen als Zeichen moderner Energieeffizienz: Wie KI ihre Leistung steigern wird
01.11.2025

Das Heizen wird künftig noch effizienter, kostengünstiger und komfortabler. Dank künstlicher Intelligenz werden Wärmepumpen in der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrradverleih in Europa: Wie nachhaltige Mobilität jährlich 305 Millionen Euro bringt
01.11.2025

Fahrräder sind in vielen europäischen Städten längst Teil der urbanen Mobilität. Bikesharing bietet Vorteile über den reinen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chip-Markt: Neues Öl oder neue Bombe?
01.11.2025

Chips sind das Rückgrat der KI-Revolution. Doch hinter Rekorden und Milliardendeals wächst das Risiko. Ein Blick in die...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Bäder für Kreuzfahrtschiffe: Wie Stengel mit Serienfertigung Maßstäbe setzt
31.10.2025

Ob für Disney Cruise Line oder Carnival Cruises: Mit Nasszellen für Kreuzfahrtschiffe zeigt die Stengel GmbH aus Ellwangen, wie ein...