Selbst bei recht kleinen Renten wird inzwischen Einkommenssteuer fällig. Wer zum Beispiel 2023 in den Ruhestand ging und 1300 Euro im Monat netto ausgezahlt bekommt, führt jährlich 127 Euro an den Fiskus ab. Bei einem Zahlbetrag von 1500 Euro im Monat sind es jährlich 463 Euro Steuern, bei 1800 Euro im Monat bereits 1098 Euro. Die Zahlen gehen aus einer Antwort des Finanzministeriums an die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die Besteuerung der Renten wurde mit einer Reform 2004 umgestellt. Schrittweise wird ein immer größerer Teil der Rente steuerpflichtig, während die Beiträge in der Berufsphase steuerfrei gestellt werden. Das bedeutet: Ältere Rentner trifft die Besteuerung nicht oder nicht so stark. Wer zum Beispiel bis 2015 in Rente ging und heute 1300 Euro netto im Monat ausgezahlt bekommt, zahlt keine Einkommenssteuer - anders als die Neurentner des Jahres 2023. Für künftige Rentner wächst die Steuerlast schrittweise weiter.
Sahra Wagenknecht: "Renten bis 2000 Euro sollten steuerfrei sein"
"Die Rentenbesteuerung sollte für Renten bis 2000 Euro abgeschafft werden", fordert Wagenknecht. "Wenn Neurentner bei gleicher Rentenhöhe mehrere hundert Euro mehr Steuern zahlen müssen als ältere Jahrgänge, obwohl sie in der Regel weniger Rente bekommen, dann zeigt das, dass sich das Problem immer weiter verschärft." Das treffe selbst Renten, von denen man kaum auskömmlich leben könne. "Es ist absurd, das ohnehin viel zu niedrige Rentenniveau noch weiter runter zu besteuern", meint Wagenknecht.
Die Vorsitzende der neuen BSW-Partei hatte jüngst bereits die Gesamtsumme der Steuern und Sozialabgaben für Rentnerinnen und Rentner abgefragt: Sie ist in den vergangenen Jahren gestiegen und erreicht 2024 voraussichtlich gut 124 Milliarden Euro. Darauf entfallen 54,3 Milliarden Euro an Beiträgen für die gesetzliche Krankenversicherung und 11,5 Milliarden Euro für die Pflegeversicherung. Die Antwort des Ministeriums zeigt, dass die Sozialabgaben nicht nur in der Summe, sondern auch für die einzelnen Rentnerinnen und Rentner gewachsen sind. 2005 hatten die Senioren einen Eigenanteil von 8,85 Prozent der Bezüge; seit Juli 2023 sind es 11,5 Prozent.
Bei den Angaben zur Besteuerung ist zu beachten: Das Ministerium gab die Zahlbeträge netto an, also die Summe nach Abzug von Steuern und Abgaben. 1300 Euro netto entsprechen den Angaben zufolge 1470 Euro brutto. Bei 1200 Euro netto oder weniger wird derzeit keine Einkommenssteuer fällig. Nicht wenige Rentner liegen leicht über dieser Schwelle oder sogar darunter. 42,3 Prozent aller Rentner müssen mit einem Netto-Einkommen von weniger als 1.250 Euro im Monat auskommen, das ergaben Berechnungen des Statistischen Bundesamts. (mehr dazu hier)
Sozialverband fordert Renten-Anhebung auf 53 Prozent
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollen am Dienstag das Rentenpaket II vorstellen. Darin soll das Rentenniveau auch für die Zeit nach 2025 bis zum Jahr 2029 auf 48 Prozent festgeschrieben werden. Darüber hinaus werden in naher Zukunft die Renten an die Inflation angepasst. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rechnet hier mit einer Rentenerhöhung zum 1. Juli. Die genauen Zahlen dürften sich im Mai ergeben, sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in der ARD. Rentenerhöhungen folgten den guten Tariferhöhungen am Arbeitsmarkt. "Und weil die ganz ordentlich waren, rechne ich damit, dass wir auch Rentenerhöhungen endlich wieder über der Inflationsrate haben." Wenn die Tarif- und Lohnabschlüsse gut seien, sei das immer ein Jahr später die Grundlage für die Rentenerhöhung. Die 22 Millionen Rentnerinnen und Rentner hätten sich das auch verdient.
Rentenexperten und Verbände sind gespaltener Meinung, was Rentenniveau und -eintrittsalter angeht. Der Sozialverband VdK pocht beispielsweise auf ein höheres Rentenniveau. Deren Präsidentin Verena Bentele forderte die Bundesregierung auf, das Rentenniveau im Rentenpaket II auf 53 statt auf 48 Prozent des durchschnittlichen Arbeitnehmer-Einkommens bis Ende der 2030-er Jahre festzuschreiben. "Das entspricht einer einmaligen Rentenerhöhung von zehn Prozent", sagte die VdK-Chefin im Gespräche mit der Rheinischen Post.
"Jede fünfte Frau in Deutschland ist außerdem von Altersarmut bedroht. Und ein Fünftel aller Rentner haben überhaupt keine Ersparnisse.", beklagt Bentele. Immer mehr seien auf die Grundsicherung im Alter angewiesen. Die Inflation lasse zwar nach, aber bei Lebensmitteln bleibe die Teuerungsrate hoch. "Es ist für eine ausgewogene Ernährung wichtig, dass sich auch Rentnerinnen und Rentner gesundes Essen leisten können."
"Es wurden zu viele Rentengeschenke verteilt"
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm spricht sich hingegen dafür aus, die "Rente mit 63" nur noch Menschen mit gefährdeter Gesundheit zu ermöglichen. "Ein frühzeitiger Renteneintritt ohne Abschläge sollte dann möglich sein, wenn es gesundheitliche Gründe gibt", sagte die Ökonomin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die jetzige Regelung schaffe für viele einen Anreiz, früher in den Ruhestand zu gehen, ob mit oder ohne Abschläge. "Vor allem Gutverdiener machen davon Gebrauch. Das verschärft den Fachkräftemangel", beklagte Grimm.
Die damalige Koalition von Union und SPD hatte die vorgezogene Altersrente ohne Abschläge ab 45 Jahren Versicherungszeit 2014 eingeführt. Bei der Einführung hatte die Regierung jährlich rund 200 000 Antragsteller prognostiziert - die Prognosen werden Jahr für Jahr deutlich übertroffen. Arbeitgeber, die Union, aber auch Politiker von Grünen und FDP hatten sich für eine Abkehr von der "Rente mit 63" ausgesprochen. Arbeitsminister Heil wies solche Forderungen aber zurück.
Grimm kritisiert, dass in den vergangenen Jahren so viele "Rentengeschenke" verteilt wurden. Der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung sei nicht zuletzt deshalb zwischen 2003 und 2021 von 77 auf 112 Milliarden Euro jährlich angestiegen. Jetzt stehe der Renteneintritt der Babyboomer-Generation bevor. Das Renteneintrittsalter sollte an die Lebenserwartung angepasst werden, fordert Grimm.
Die Rente ist nicht gesichert
Die unterschiedlichen Expertenmeinungen in Rentenfragen kommen nicht von ungefähr. Einerseits leben zu viele Rentner am Existenzminimum - es liegt nahe, höhere Renten und/oder niedrigere Steuern und Abgaben auf die Renten zu fordern. Andererseits ist die gesetzliche Rente (DRV) schon heute faktisch pleite und muss wie oben erwähnt mit jährlich rund 110 Milliarden Euro an Bundesmitteln quersubventioniert werden, um überhaupt noch halbwegs zu funktionieren. Das entspricht circa 30 Prozent der Gesamtausgaben der DRV und 20 Prozent des Bundeshaushalts. Die demografische Schieflage macht dieses Problem von Jahr zu Jahr schlimmer.
(mit Material von dpa und Reuters)