Finanzen

Rentenpaket: 200 Milliarden Euro Aktienkapital für die Rente - wird unser Geld verzockt?

Aktienrente - so lautet ein Prestigeprojekt der FDP seit dem Wahlkampf 2021. Doch inzwischen ist wenig passiert, seit Monaten kündigt die Regierung lediglich ein Rentenpaket an. Am Dienstag soll zumindest das Rentenpaket endlich vorgestellt werden, mit dem Milliarden für die Rente in den Aktienmarkt fließen. Wird unser Geld verzockt?
04.03.2024 17:37
Lesezeit: 3 min
Rentenpaket: 200 Milliarden Euro Aktienkapital für die Rente - wird unser Geld verzockt?
Aktienrente: 200 Milliarden Euro Aktienkapital für die Rente - wird unser Geld verzockt? (Foto: dpa) Foto: Jan Woitas

Nach monatelangen Vorbereitungen will die Bundesregierung ihr Rentenpaket auf den Weg bringen: Mit der Einführung eines Aktienkapitals soll erstmals eine neue Finanzquelle für die gesetzliche Rentenversicherung geschaffen werden. Langfristig soll dies Beitragszahler und Bundeshaushalt entlasten. Hierfür soll bis Mitte der 2030er Jahre ein Kapitalstock von mindestens 200 Milliarden Euro aufgebaut werden, wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Regierungskreisen erfuhr. Aus den Erträgen sollen Zuschüsse an die Rentenversicherung fließen. Ein zweites großes Ziel des Rentenpakets ist die dauerhafte Absicherung des Rentenniveaus. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Warum schnürt die Regierung überhaupt ein Rentenpaket?

Millionen Babyboomer mit Geburtsjahren in den 1950er und 1960er Jahren wechseln in den Ruhestand. Sie werden von Einzahlenden zu Rentnerinnen und Rentnern. Deswegen dürfte das Absicherungsniveau der Rente in den kommenden Jahren sinken, und der Beitragssatz dürfte steigen. Nun gehe es darum, das Rentenniveau, das das Verhältnis von Rentenhöhe zum Lohn angibt, „dauerhaft zu sichern“, wie Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in einem Interview sagte. Auf dem Kapitalmarkt soll zudem Geld angelegt werden, dessen Erträge für die Stabilisierung der Beiträge genutzt werden. Aus dem Finanzministerium hieß es am Montag, ab Mitte der 2030er Jahre könnten so jährlich im Schnitt zehn Milliarden Euro zusätzlich an die gesetzliche Rentenversicherung fließen.

Wie würden sich Rentenniveau und Beitragssatz ohne Reform entwickeln?

Das Rentenniveau - aktuell rund 48,2 Prozent - soll laut geltender Gesetzeslage bis 2025 nicht unter 48 Prozent sinken. Laut aktuellem Rentenversicherungsbericht dürfte das Sicherungsniveau bis 2037 auf 45,0 Prozent sinken. Es sagt konkret aus, wie viel Prozent des aktuellen Durchschnittslohns jemand als Rente erhält, der exakt 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet und Beiträge gezahlt hat. Bei einem sinkenden Rentenniveau steigen die Renten weniger stark an als die Löhne. Der Beitragssatz - heute 18,7 Prozent - dürfte ohne ein Eingreifen der Politik bis 2037 auf 21,1 Prozent steigen.

Werden Rentnerinnen und Rentner mit den neuen Plänen automatisch zu Aktienbesitzern?

Nein, es geht bei den Plänen der Koalition für das sogenannte Generationenkapital nur um Geld des Staates. Das soll aus unterschiedlichen Quellen kommen: Zum einen will die Regierung in diesem Jahr erst einmal 12 Milliarden Euro aus öffentlichen Darlehen auf dem Kapitalmarkt anlegen. Das Geld kann aufgenommen werden, ohne dass es auf die Schuldenbremse angerechnet werden muss. In den kommenden Jahren soll es dann jeweils noch etwas mehr werden. Genauer: Die Zuführungen sollen jährlich um drei Prozent anwachsen. Außerdem sollen bis 2028 noch Vermögenswerte des Bundes in Höhe von 15 Milliarden Euro übertragen werden. Insgesamt sollen bis Mitte der 2030er Jahre 200 Milliarden Euro zusammenkommen. Ausdrücklich nicht geplant ist, dass Rentenbeiträge in Aktienfonds fließen.

Wie sicher ist das Geld an der Börse?

Finanzmärkte sind immer volatil und spekulativ - deshalb sahen vor allem die Grünen die Pläne zunächst skeptisch. Der Grünen-Rentenexperte Markus Kurth brachte im vergangenen Sommer das Beispiel des bereits existierenden Staatsfonds zur Finanzierung der Atommüll-Entsorgung (Kenfo). Dieser Fonds habe 2022 einen Verlust von 12,2 Prozent eingefahren. Aus Sicht vieler Sozialverbände kann man so etwas beim Thema Rente nicht riskieren. „Die gesetzliche Rentenversicherung ist denkbar ungeeignet, um damit an der Börse zu spekulieren», warnt zum Beispiel Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Richtig ist aber auch, dass sich die internationalen Kapitalmärkte in den vergangenen Jahrzehnten unter dem Strich sehr positiv entwickelt haben. Wichtig ist dabei, nicht kurzfristig von Jahr zu Jahr, sondern über viele Jahre zu planen. „Je länger der Anlagehorizont, desto geringer die Gefahr, mit Aktien Verluste zu erleiden“, erklärt das Deutsche Aktieninstitut. Demnach wurde zuletzt bei einem Anlagezeitraum von 20 Jahren eine durchschnittliche Rendite von mehr als 8,5 Prozent erwirtschaftet.

Darauf verweist auch das Finanzministerium. Das Geld solle langfristig, breit diversifiziert und global angelegt werden. „Historische Betrachtungen und Untersuchungen zeigen: Mit einer solchen Anlagestrategie konnten in der Vergangenheit zuverlässig positive Renditen erzielt werden“, argumentiert das Lindner-Haus. Außerdem gilt: Sollten die Aktienkurse sinken und die Anlagen weniger Rendite abwerfen, soll dies vom Bund kompensiert werden.

Ist das jetzt die von der FDP im Wahlkampf beworbene Aktienrente?

Nein. Die FDP hatte im Wahlkampf 2021 dafür geworben, dass zwei Prozent des Einkommens in eine kapitalgedeckte Vorsorge gesteckt werden. Um privates Geld geht es jetzt erst einmal nicht. Doch die FDP hat ihre Idee noch nicht aufgegeben. Die Rentenreform könne nur ein erster Schritt sein, heißt es im Ministerium des FDP-Chefs Lindner. Das Modell könne zum Beispiel so erweitert werden, dass die Menschen zusätzlich individuell auch ihre Beiträge in den Kapitalstock einzahlen könnten. „Eine solche Lösung war innerhalb der Koalition nicht durchsetzbar, sie könnte aber in einem nächsten Schritt realisiert werden“, heißt es im Finanzministerium.

Was kostet es zusätzlich, das Rentenniveau zu stützen?

Unabhängig von dem geplanten Aktienkapital kosten auch die Pläne zur Abstützung des Rentenniveaus in Zukunft hohe Summen. Nach einer Faustformel entspricht eine Erhöhung des Rentenniveaus um einen Prozentpunkt dem Finanzvolumen von knapp einem halben Beitragssatzpunkt. Ein halber Beitragssatzpunkt entspricht etwa gut 8 Milliarden Euro. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Iran-Investments: Risiko, Isolation – und gewaltige Renditen?
25.06.2025

Öl, Gas, Pistazien – doch der Iran hat weit mehr zu bieten. Trotz Isolation, Sanktionen und politischer Unsicherheit entwickelt sich...

DWN
Technologie
Technologie Tesla übergibt erste Robotaxis in den Einsatz
24.06.2025

Elon Musk schickt die ersten selbstfahrenden Robotaxis auf die Straße – ohne Fahrer, aber mit vielen Fragezeichen. Warum das Experiment...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lieferkettengesetz: EU-Staaten streben deutliche Abschwächung an
24.06.2025

Die EU-Staaten streben eine erhebliche Abschwächung der geplanten europäischen Lieferkettenrichtlinie an. Unternehmen sollen künftig nur...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krieg als Börsengeschäft: So profitieren Konzerne vom Iran-Angriff
24.06.2025

Die USA greifen Irans Atomanlagen an – mit Waffen von börsennotierten Giganten wie Boeing und Northrop Grumman. Hinter dem Angriff...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Nintendo-Aktie im Höhenflug: Trumps Zölle befeuern Switch-Hype
24.06.2025

Die neue Nintendo Switch 2 verkauft sich schneller als jede Konsole zuvor. Doch hinter dem Rekord-Launch steckt mehr als Nostalgie: Die...

DWN
Politik
Politik Bundeshaushalt beschlossen: Kabinett billigt Etat - hohe Schulden und steigenden Militärausgaben
24.06.2025

Der Haushaltsentwurf von Finanzminister Klingbeil hat die Zustimmung des Kabinetts erhalten. Die neue Bundesregierung plant umfangreiche...

DWN
Politik
Politik Waffenruhe zwischen Iran und Israel brüchig – neue Angriffe trotz Abkommen
24.06.2025

Trotz einer offiziell vereinbarten Waffenruhe haben sich Israel und der Iran gegenseitig militärischer Angriffe beschuldigt. Bereits kurz...

DWN
Politik
Politik EU will Greenwashing-Kontrollen kippen – auf Druck der Rechten?
24.06.2025

In Brüssel tobt ein erbitterter Machtkampf: Das geplante Gesetz gegen Greenwashing droht am Widerstand konservativer und rechter Kräfte...