Wirtschaft

Wochenmärkte in der Krise: Geschäfte der Händler brechen stark ein

Steigende Preise in Deutschland und die Sparsamkeit der Bürger in Krisenzeiten sorgen dafür, dass nun auch die Wochenmärkte in den Städten zu kämpfen haben. Händler klagen über stark eingebrochene Umsätze.
11.03.2024 09:20
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Wochenmärkte in der Krise: Geschäfte der Händler brechen stark ein
Obst und Gemüse wird auf dem Wochenmarkt an einem Stand angeboten. Personalmangel macht auch vor den Wochenmärkten nicht halt. (Foto:dpa) Foto: Arne Dedert

Die Händler auf den deutschen Wochenmärkten haben schon bessere Zeiten gesehen. Vor allem die Corona-Zeit sorgte für viele neue Besucher, die auf den Marktplätzen eingekauft haben statt im Supermarkt.

Momentan sieht es eher mau aus mit den Zahlen: Die Umsätze gingen 2023 bundesweit im Vergleich zum Vorjahr inflationsbereinigt um 6,5 Prozent zurück, in einigen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen sogar um mehr als 10 Prozent. Das geht aus amtlichen Statistiken hervor. Die Erlöse der Branche sanken damit deutlich stärker als die des Einzelhandels insgesamt, der real 3,3 Prozent weniger umgesetzt hat.

"An Verkaufsständen und auf Märkten werden vorwiegend Lebensmittel verkauft, die 2023 besonders hohe Preissteigerungen zu verbuchen hatten", sagte Handelsexperte Marcel Schorsch vom Statistischen Bundesamt. Die Produkte seien in der Regel teurer, "so dass die Kunden bei steigenden Preisen nach kostengünstigeren Alternativen gesucht haben." Vor allem Discounter profitierten zuletzt davon, dass viele Verbraucher auf günstige Alternativen ausgewichen sind. Sie verzeichneten unter anderem ein deutliches Plus bei Bio-Produkten.

Preise steigen, Mengenumsatz geht zurück

Laut Hans-Christoph Behr von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft verdanken die Wochenmärkte ihre Umsätze vor allem den steigenden Preisen. Der Mengenumsatz und die Zahl der Haushalte, die dort einkaufen, sei deutlich rückläufig. Laut Daten der Marktforscher von GfK entfielen in Deutschland nur 1,1 Prozent der Verbraucherausgaben bei frischen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Kartoffeln, Fleisch, Fleischwaren, Geflügel, Eier, Käse, Brot und Gebäck auf Wochenmärkte. "Die Branche hat in den vergangenen 30 bis 40 Jahren insgesamt stark an Bedeutung verloren. In der Bevölkerung sind die Märkte beliebt, aber viele Menschen gehen gar nicht hin. Die Kundschaft ist auch stark überaltert", so Behr.

Umsatzschub in der Corona-Zeit

Der Bundesverband Schausteller und Marktkaufleute (BSM) sieht einen weiteren Grund für den Einbruch beim Geschäft, nämlich eine Normalisierung nach der Corona-Zeit. In den Jahren 2020 bis 2022 hätten die Märkte ein außergewöhnliches Umsatzplus verzeichnet, sagte BSM-Sprecher Olaf Lenz. "Viele Kunden haben es vorgezogen, ihre Einkäufe unter freiem Himmel zu tätigen, um das Risiko einer Infektion zu reduzieren." Nach der Pandemie änderten die Verbraucher ihre Einkaufsgewohnheiten jedoch wieder. Lenz zufolge habe man inzwischen wieder das Niveau vor Corona erreicht.

Weniger aktive Marktleute

Eine grundsätzliche Existenzkrise der Wochenmärkte sieht der Verband nicht. Die Nachfrage und das Konsumverhalten seien langfristig stabil. Auf der Angebotsseite gibt es dennoch Probleme. Laut BSM sinkt die Zahl der aktiven Marktkaufleute. "Immer weniger junge Menschen wollen diesen Beruf ergreifen. Er bedeutet lange Arbeitszeiten unter freiem Himmel, auch unter ungünstigen Witterungsbedingungen muss der Marktstand geöffnet sein", sagte Lenz. Weil Personal fehlt, sei es oft nicht möglich, Betriebe weiterzuführen, wenn jemand in den Ruhestand gehe. Bundesweit gibt es laut dem BSM etwa 40.000 Marktkaufleute. Die Zahl der Märkte sei relativ konstant, viele seien in den vergangenen Jahren jedoch geschrumpft. Zahlen nannte der Verband nicht.

Wettbewerb mit Supermärkten und Discountern

Sven Schulte von den Industrie- und Handelskammern NRW ist überzeugt, dass Wochenmärkte eine Zukunft haben. "Die Menschen gehen nicht nur dorthin, um sich zu versorgen. Ein Markt ist immer auch ein Treffpunkt und hat eine soziale Funktion", sagte der fachpolitische Sprecher. Auch die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln sei hoch. Dennoch sieht Schulte einen stärkeren Wettbewerb. "Supermärkte und Discountern bieten inzwischen auch viele regionale und nachhaltig erzeugte Produkte an." Die Wochenmärkte dürften nicht zu sehr ausdünnen. "Wenn es irgendwann nicht mehr 30 oder 40, sondern nur noch 15 Stände sind, trägt das nicht mehr."

Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov vom 5. März gehen 15 Prozent der Menschen in Deutschland mindestens einmal in der Woche auf einem Wochenmarkt einkaufen, 14 Prozent zumindest einmal im Monat, 38 Prozent seltener und 30 Prozent nie. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Österreichs Maßnahmen gegen die Inflation – und die Bedeutung für Deutschland
07.09.2025

Österreich steckt in der Krise: Die Regierung verspricht Milliardenhilfen, doch bei genauerem Hinsehen bleiben nur kleine Reformen übrig....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Turbojet-Drohne: Polen präsentiert universelle Technologieplattform
06.09.2025

Polen präsentiert die Turbojet-Drohne – eine universelle Technologieplattform für Militär und Zivil. Für Deutschland stellt sich die...

DWN
Panorama
Panorama Boot kaufen: Was Sie dabei unbedingt beachten sollten
06.09.2025

Mit einer frischen Meeresbrise im Gesicht das eigene Boot über die Wellen zu steuern, ist für viele Menschen ein Traum – doch dieser...

DWN
Immobilien
Immobilien Indexmiete: Eine gute Wahl?
06.09.2025

Wenn Mieter einen neuen Vertrag unterschreiben, fällt ihnen vielleicht ein ganz spezielles Wort im der Vertragsüberschrift auf: der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Grönländischer Schlamm: Vom Zufallsfund zum Milliardenprojekt
06.09.2025

Grönländischer Schlamm soll Ernten steigern und CO2 binden. Investoren wittern Milliardenpotenzial – und Deutschland könnte davon...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verarbeitete Lebensmittel: Wie Konzerne Gesundheitsrisiken herunterspielen
06.09.2025

Coca-Cola, Kraft und Mondelez gewinnen einen Prozess zu verarbeiteten Lebensmitteln. Doch Studien zeigen deutliche Gesundheitsgefahren –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland und China üben Druck aus – NASA plant Mond-Reaktor bis 2030
06.09.2025

Die NASA will bis 2030 einen Mond-Reaktor bauen – im Wettlauf mit China und Russland. Hinter der Technik stehen geopolitische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Strengere Homeoffice-Regeln: Eine Bank geht den entgegengesetzten Weg
06.09.2025

Während viele Banken strengere Homeoffice-Regeln einführen, setzt eine Bank auf maximale Flexibilität – ein Modell, das auch für...