Politik

Weiße Flagge hissen? Selenskyj weist Appell des Papstes zurück

Worte des Papstes über Friedensverhandlungen und das Hissen der «weiße Flagge» sorgen nicht nur in Kiew für Empörung. Ein Überblick über die aktuellen Ereignisse und ein Ausblick.
11.03.2024 10:06
Aktualisiert: 11.03.2024 10:06
Lesezeit: 3 min
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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen umstrittenen Appell von Papst Franziskus zu Friedensverhandlungen mit Russland scharf zurückgewiesen. Die Kirche sei bei den Menschen, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache. «Und nicht zweieinhalbtausend Kilometer entfernt, irgendwo, um virtuell zu vermitteln zwischen jemandem, der leben will, und jemandem, der dich vernichten will.»

Selenskyj fuhr fort: «Als das russische Böse am 24. Februar 2022 diesen Krieg begann, standen alle Ukrainer auf, um sich zu verteidigen. Christen, Muslime, Juden - alle.» Und er danke jedem ukrainischen Geistlichen, der in der Armee, in den Verteidigungsstreitkräften ist. Sie stünden an der vordersten Front, sie schützten das Leben und die Menschlichkeit, sie unterstützten mit Gebeten, Gesprächen und Taten. «Das ist es, was die Kirche ist - bei den Menschen.»

Der Pontifex hatte mit einem missverständlichen Appell zu Friedensverhandlungen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine massiven Widerspruch ausgelöst. Die Äußerungen des katholischen Kirchen-Oberhaupts wurden in der Ukraine und bei vielen ihrer Unterstützer als einseitiger Appell allein an Kiew verstanden - von manchen gar als Aufruf zur Kapitulation. Der 87-Jährige gebrauchte in einem am Wochenende veröffentlichten Interview des Schweizer Fernsehens mit Blick auf Schwierigkeiten der ukrainischen Armee auch die Formulierung von der «weißen Fahne» - in Kriegszeiten seit Jahrhunderten das Zeichen der Kapitulation, also der kampflosen Aufgabe gegen die feindlichen Truppen.

«Unsere Flagge ist blau-gelb, das ist die Fahne, mit der wir leben, sterben und durchhalten», entgegnete der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Auch die Bundesregierung und Polen kritisierten den Pontifex.

«Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben zu verhandeln», sagte Franziskus in dem Interview, das bereits Anfang Februar geführt, aber erst jetzt bekannt wurde. Ohne eine der Konfliktparteien Russland oder Ukraine beim Namen zu nennen, fügte er hinzu: «Schämen Sie sich nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird.» Trotzdem wurde dies vielfach als Hinweis vor allem an die Ukraine verstanden.

Baerbock zum Papst-Zitat: «Versteh's nicht»

Außenministerin Annalena Baerbock reagierte entgeistert auf den Appell des Papstes. «Ich frage mich wirklich, was er sich dabei gedacht hat», sagte die Grünen-Politikerin in der ARD-Sendung «Caren Miosga». «Ich versteh's nicht.»

Man müsse den Mut haben, an der Seite der Menschen in der Ukraine zu stehen und alles für die Ukraine zu tun, dass sie sich verteidigen könne, verlangte Baerbock. Wenn es eine minimale Chance gebe, dass die russische Seite Gesprächsbereitschaft zeige, «dann wäre die ganze Welt da und würde reden. Nur leider sehen wir jeden Tag das Gegenteil.»

Selenskyj lobt Flugabwehr

Selenskyj lobte die Soldaten der Flugabwehr, «die Tag und Nacht unseren Himmel verteidigen». Allein in der Nacht zum Sonntag sei es ihnen gelungen, 35 sogenannte Kamikaze-Drohnen vom Typ Shahed abzuschießen. «Insgesamt haben die russischen Terroristen seit Anfang März bereits 175 dieser Killerdrohnen gegen die Ukraine eingesetzt, glücklicherweise wurden 151 von ihnen von unseren Soldaten abgeschossen.» Dennoch gebe es Opfer in der Zivilbevölkerung.

Zugleich kündigte Selenskyj den weiteren Ausbau der Feuerkraft und der ukrainischen Luftverteidigung an. «Mehr Luftabwehrsysteme und andere Mittel zur Abwehr russischer Flugzeuge bedeuten mehr Frieden», sagte er.

Baerbock offen für Ringtausch

Baerbock zeigte sich auch offen für den Vorschlag ihres britischen Kollegen David Cameron, der Ukraine über einen Ringtausch neue Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen. «Das wäre eine Option», sagte sie bei «Caren Miosga». Sie verwies darauf, dass es einen solchen Ringtausch bereits bei anderem Material gegeben habe.

Bei einem Ringtausch könnte Deutschland Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien abgeben - und London seinerseits weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine liefern.

Russland hat Übergewicht mit Flugzeugbomben

Russlands Armee hat sich nach einem US-Medienbericht mit dem verstärkten Einsatz gesteuerter Flugzeugbomben an den Fronten in der Ukraine taktische Vorteile verschafft. Wie der Nachrichtensender CNN am Sonntag berichtete, habe die Ukraine kaum Abwehrmöglichkeiten gegen die Gleitbombe vom Typ FAB-1500. Die knapp 1,5 Tonnen schwere Bombe könne von Flugzeugen aus einer Entfernung von 60 bis 70 Kilometern, außerhalb der Reichweite der ukrainischen Flugabwehr, auf ihre Ziele abgeworfen werden. Durch kleine Flügel könne die Bombe relativ genau ihr Ziel treffen. Beim Einschlag entstehe ein 15 Meter breiter Krater.

Im Gespräch mit CNN bestätigte der ukrainische Luftwaffensprecher Juri Ihnat, dass der verstärkte Einsatz dieser Gleitbomben zuletzt in den Kämpfen um die ostukrainische Stadt Awdijiwka aufgefallen sei. «Innerhalb von 24 Stunden wurden 250 von ihnen eingesetzt», sagte er. Russland rüste seine alten Bomben auf den neuen, gesteuerten Typ in einer Fabrik bei Moskau um. «Das ist zwar keine billige oder schnelle Umrüstung, aber es kostet immer noch weniger als die Millionen für eine Rakete», sagte Ihnat.

Bericht: Russischer Marinechef entlassen

Der Kommandeur der russischen Kriegsmarine, Admiral Nikolaj Jewmenow, ist nach einem offiziell unbestätigten Bericht in den Ruhestand versetzt worden. Das berichtete am Sonntag die Zeitung «Iswestija» unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen. Jewmenow sei durch Admiral Alexander Moisejew ersetzt worden, den bisherigen Befehlshaber der Nordmeerflotte. Auf der Webseite des russischen Verteidigungsministeriums gab es dazu zunächst keine Mitteilung.

Ein Grund für den Personalwechsel wurde von der «Iswestija» nicht genannt. Zuletzt hatte die russische Schwarzmeerflotte erhebliche Verluste an Kampfschiffen und Soldaten durch Angriffe ukrainischer Raketen und sogenannter Seedrohnen erlitten - also mit Sprengstoff beladene, unbemannte Boote. Wegen der Bedrohung durch die ukrainischen Streitkräfte haben sich die russischen Marine-Kampfeinheiten weitgehend von der besetzten Halbinsel Krim zurückgezogen. (dpa)

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