Politik

Lauschangriff aus Russland: Deutschlands Spionageabwehr unzureichend - sind wir zu naiv?

Die Bundeswehr soll Gefahren von außen abwehren. Doch das Gespräch zweier Offiziere ist zu einem Sicherheitsrisiko geworden. Läuft ein Informationskrieg gegen Deutschland? Klar scheint: Die Bundeswehr erweist sich als schlecht vorbereitet auf Abhöraktionen wie die aus Russland. Die Regierung muss nun weiteren Schaden verhindern. Kann das überhaupt gelingen?
04.03.2024 15:50
Aktualisiert: 04.03.2024 15:50
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

In der Debatte um eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ist der russische Lauschangriff auf Offiziere der deutschen Luftwaffe wie eine Bombe geplatzt. Die Abhöraktion ist ein Stresstest für die Berliner Politik, das Militär und vielleicht auch für Kontakte zu wichtigen Verbündeten - ohne dass ein Erfolg Moskaus schon ausgemachte Sache wäre. Im Gegenteil: Am Montag betonten alle Ressorts der Bundesregierung demonstrative Einigkeit. „Dieser hybride Angriff zielt darauf ab, Unsicherheit zu erzeugen und auseinanderzudividieren“, warnte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Unter Hochdruck wird im Militärischen Abschirmdienst (MAD) an Schlüssen aus der für die Bundeswehr durchaus blamablen Panne gearbeitet. Auf dem Prüfstand sind die Kommunikationstechnik und das Verhalten der Beteiligten, um mögliche Lücken zu schließen, die den Angriff möglich gemacht haben.

Der Militärgeheimdienst selbst hat die Spionageabwehr erst jüngst wieder gestärkt und in seinem letzten Jahresbericht eingeräumt, eine frühere Entscheidung - die Zusammenlegung der Spionage- und Extremismusabwehr in einer Abteilung - habe sich als „nicht zielführend“ erwiesen. Logische Folge sei wieder eine Trennung in zwei eigenständige Abteilungen. Und mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sei „die Stärkung der Spionageabwehr und Bekämpfung von Spionage und möglicher Sabotage dringlicher als je zuvor“.

Erst im Januar deckte das Auswärtige Amt eine prorussische Desinformationskampagne auf der Plattform X, ehemals Twitter, auf. Mit 50.000 gefälschten Nutzerkonten in deutscher Sprache wurden Unmut über die Bundesregierung und Zweifel an der Ukraine-Hilfe geschürt. Binnen eines Monats wurden über den Jahreswechsel mehr als eine Million deutschsprachige Tweets abgesetzt.

Schon im vergangenen Jahr haben die deutschen Geheimdienste Warnungen vor russischer Spionage und vor sogenannten „hybriden Angriffen“ verstärkt, bei denen Fakten mit Desinformation gemischt werden, um die öffentliche Meinung gezielt zu beeinflussen. Geraten wird zu mehr Vorsicht. Verbreitete Arbeitsweisen gehen allerdings in eine andere Richtung und für die Nutzung moderner und allgemein verbreiteter Telekommunikation war die Corona-Pandemie ein Tempomacher.

Die Luftwaffen-Offiziere nutzten für ihre Webkonferenz die auch in vielen Unternehmen verbreitete Plattform WebEx. Das WebEx der Bundeswehr ist dabei frei für die unterste Geheimhaltungsstufe bis VS-NfD („Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch“). Nicht nur die Bundeswehr setzt auf Webex, sondern auch der Bundestag und alle Bundesbehörden.

Militärinsider beklagen, die Verschlüsselungstechnik („Kryptomodernisierung“) der Bundeswehr sei in einigen Feldern leider unzureichend. Im Alltag und wenn es schnell gehen soll, gibt es ein Stückwerk und mitunter auch gefährliche Schnittstellen hin zu privaten Endgeräten mit Messengerdiensten und Social-Media-Apps. Als wasserdicht gelten dagegen die militärische Kommunikation zwischen den Nato-Gefechtsständen und Kommandostellen sowie Gespräche in abhörsicheren Räumen. Die sichere Behördenkommunikation liegt dabei grundsätzlich in der Federführung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und des Bundesinnenministeriums.

„Wir wissen seit Jahren, dass wir russischen hybriden Angriffen ausgesetzt sind“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Offensichtlich gebe es immer noch Institutionen, die sich darauf nicht eingestellt haben, technisch wie mental. „Entscheidende Stellen scheinen immer noch nicht im Krisenmodus zu sein. Insofern ist dieser hybride Angriff ein deutliches Signal - auch für diejenigen, die immer noch träumen, dass dies alles nicht wahr sein kann - sich endlich damit zu beschäftigen“, sagte Strack-Zimmermann. Sie forderte, sich nun mit Souveränität und innerhalb der Demokraten geschlossen Putin entgegenzustellen – „und nicht über sein Stöckchen springen und nun parlamentarisch alle übereinander herfallen“.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte den russischen Lauschangriff am Wochenende als „hybriden Angriff zur Desinformation“ bewertet. Der sei „Teil eines Informationskriegs, den Putin führt“. Nachdem aus der Opposition ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ins Spiel gebracht wurde, warnte Pistorius vor öffentlichem Streit. „Es geht darum, unsere Innenpolitik auseinanderzutreiben“, sagte Pistorius, der dazu aufrief, „Putin nicht auf den Leim zu gehen.“ (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen US-Investoren strömen zu EARN Mining Cloud Mining und erzielen über 1.000 XRP pro Tag

Onchain-Daten zeigen, dass große Investoren bei einem XRP-Anstieg auf 3,10 US-Dollar Gewinne mitgenommen haben. Adressen mit Beständen...

DWN
Politik
Politik KI ersetzt Minister? Albanien ernennt KI zur Ministerin um Korruption zu bekämpfen
19.09.2025

KI-Chatbot Diella soll Kabinettsposten in Albanien übernehmen, um die Vergabe öffentlicher Aufträge zu kontrollieren. Die ungewöhnliche...

DWN
Politik
Politik Finanzloch im Verkehrsetat: Länder warnen vor Baustopp
18.09.2025

Milliarden für Straßen und Schienen sind zwar eingeplant, doch sie reichen nicht aus. Länder und Bauindustrie schlagen Alarm, weil...

DWN
Politik
Politik Suwalki-Korridor: Europas Achillesferse zwischen NATO und Russland
18.09.2025

Der Suwalki-Korridor gilt als Achillesferse der NATO. Moskau und Minsk üben die Einnahme des Gebiets – Polen warnt, Deutschland blickt...

DWN
Finanzen
Finanzen SAP-Aktie: Milliarden gegen US-Dominanz
18.09.2025

SAP-Vorstand Thomas Saueressig gibt den Ton an: Mit einer Milliardenoffensive will er Europas digitale Selbstständigkeit sichern – von...

DWN
Politik
Politik Frankreich-Proteste: Hunderttausende gegen Sparpläne und Regierung
18.09.2025

Hunderttausende Menschen ziehen durch Frankreichs Straßen, Schulen und Bahnen stehen still. Die Wut über Macrons Personalentscheidungen...

DWN
Politik
Politik Draghi warnt: EU verliert geopolitische Bedeutung – welcher Reformplan für Europa dringend nötig ist
18.09.2025

Mario Draghi rechnet ab: Die EU habe ihre geopolitische Bedeutung überschätzt und sei heute schlecht gerüstet für die globalen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Amazon fährt Investitionen in Deutschland hoch
18.09.2025

Amazon baut seine Dominanz in Deutschland massiv aus. Milliarden fließen in neue Standorte, Cloud-Infrastruktur und Künstliche...

DWN
Politik
Politik USA liefern wieder Waffen mit europäischem Geld
18.09.2025

Die USA nehmen Waffenlieferungen an die Ukraine wieder auf – doch diesmal zahlt Europa. Für Deutschland könnte das teuer und politisch...