Die Verwalterin einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hatte im November 2020 die Eigentümer zu einer Versammlung geladen. Wegen der Corona-Pandemie kam es zu Beschränkungen, so dass nur die Verwalterin anwesend war, um Beschlüsse zur Immobilie zu treffen. Die Eigentümer waren zuvor aufgefordert worden, Vollmachten und Weisungen für die Stimmabgabe zu erteilen.
Nur fünf er insgesamt 24 Wohnungseigentümer bevollmächtigten die Verwalterin. Diese war in der Versammlung jedenfalls allein anwesend und fasste mittels ihrer fünf Vollmachten mehrere Beschlüsse. Eine womöglich anders geartete Mehrheitsmeinung konnte so nicht zustande kommen. Die in der Versammlung gefassten Beschlüsse wurden protokolliert und an alle Eigentümer versandt.
Später haben mehrere Eigentümer, die keine Vollmachten erteilt hatten, vor Gericht sogenannte Beschlussmängelklagen erhoben - wenn auch erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist. Auf Ebene des Landgerichtes hielten die Richter die gefassten Beschlüsse zunächst erfolgreich für nichtig.
Besser Vertreterversammlung als keine Versammlung
Der Bundesgerichtshof (BGH) indessen hat das Urteil des Landgerichts nun aufgehoben und die Klage abgeschmettert. Wegen der nicht gewahrten Anfechtungsfrist des § 45 Satz 1 im Wohneigentumsgesetz (WEG) von einem Monat, konnte es juristisch nur um die Frage möglicher Nichtigkeitsgründe gehen. Die sind nach Meinung des Gerichts nicht gegeben - die Beschlüsse deshalb keinesfalls nichtig. Juristisch zu beanstanden ist etwas anderes.
So rügt der BGH, dass Einberufung und Durchführung der Eigentümerversammlung überhaupt nicht den Vorgaben des WEG entsprochen haben. Grundsätzlich ist für derlei Eigentümer-Versammlungen ein physisches Zusammentreffen der Wohnungseigentümer Voraussetzung. Denn trotz gegenteiliger Überlegungen des Gesetzebers, über die in der Presse berichtet wurde, ist es in Deutschland noch nicht zulässig, Eigentümerversammlungen lediglich virtuell abzuhalten.
Eine sogenannte Vertreterversammlung, in der nur die Verwalterin, die neben der Versammlungsleitung auch die Vertretung für die abwesenden Eigentümer übernommen hat, gilt zwar gleichfalls als Versammlung, in der Beschlüsse gefasst werden dürfen. Sie ist jedoch nur zulässig, wenn sämtliche Wohnungseigentümer dem zugestimmt und das Vorgehen bewilligt hätten. Die Bevollmächtigung der Verwalterin sowohl zu Teilnahme als auch Stimmabgabe sind somit von zentraler Bedeutung und juristisch erforderlich. Das war im konkreten Fall so nicht gegeben. Gemäß Wohnungseigentumsrecht hätte die Versammlung zwingend in Präsenz der Eigentümer stattfinden müssen. Dass dem wegen der Corona-Pandemie infektionsschutzrechtliche Bestimmungen entgegen standen, ändert nichts an den rechtlichen Vorgaben des WEG für ordnungsgemäße Eigentümerversammlungen.
Verwalter von WEG-Immobilien im Dilemma
Zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führt dies alles trotzdem nicht. Denn wegen der damals anhaltenden Corona-Pandemie befanden sich WEG-Verwaltungen ganz generell in einer widersprüchlichen und nicht auflösbaren Konfliktsituation. Das Dilemma bestand darin, entweder das Wohnungseigentumsrecht oder den von Behörden geforderten Infektionsschutz zu missachten.
Die Rechtslage sieht vor, mindestens einmal im Jahr eine Versammlung der Eigentümerschaft einzuberufen. Davon seien Verwaltungen im Lande auch nicht durch die Sonderregelungen in Sachen Pandemie befreit gewesen. Im übrigen sind wohlweislich auch während des Lockdowns Entscheidungen erforderlich geworden, so dass die Verwaltung die Eigentümerversammlung in Sachen gemeinschaftlicher Angelegenheiten einzubestellen gezwungen war. Bei Durchführung einer ordentlichen Eigentümersammlung wären die Verwalter in Gefahr gewesen, gegen bußgeldbewehrte Schutz-Bestimmungen zu verstoßen.
Eine Ausnahme-Lage, weshalb in der Praxis und wegen der Praktikabilität bundesweit Vertreterversammlungen allein durch die Verwaltung durchgeführt wurden - was selbstverständlich auch im Interesse der Wohnungseigentümer war. Die schlechtere Alternative hatte allein darin bestanden, unter Missachtung des Wohnungseigentumsrechts gar keine Versammlung abzuhalten, was teilweise auch zu entsprechenden Konsequenzen und Folgeproblemen geführt hat. Durch die stattgefundenen Vertreterversammlungen wurden faktisch Beschlüssen gefasst und ermöglicht, die folglich auch der gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden konnten. Immerhin bestand ja die Möglichkeit, sich bei der Stimmabgabe durch die Verwaltung vertreten zu lassen und dem Verantwortlichen Weisung zu erteilen, wie er abstimmen sollte.
Die Frage der Anfechtbarkeit bleibt offen
Der BGH ließ die weitergehende Frage, ob die Beschränkungen der Wohnungseigentümer an der Eigentümerversammlung ein etwaiger Beschlussanfechtungsgrund ergibt, ließen die Richter offen. Die Anfechtungsfrist war überschritten und damit versäumt worden. (BGH, Urteil v. 8.3.2024, V ZR 80/23)