Weltwirtschaft

Flixbus-Unfall: In Zukunft doch lieber Bahnfahren?

Lesezeit: 5 min
07.04.2024 08:02
Der tragische Flixbus-Unfall auf der A9 bei Leipzig hat viele Menschen erschüttert – auch unseren Autor Jakob Schmidt, der regelmäßig mit einer Busverbindung auf genau dieser Autobahn unterwegs ist. Nun überlegt er, ob er in Zukunft nicht öfter mit der Bahn fahren soll, und ist damit bestimmt nicht alleine. Wird der Unfall zu einem wirtschaftlichen Problem für Flixbus? Und ist Bahnfahren überhaupt sicherer?
Flixbus-Unfall: In Zukunft doch lieber Bahnfahren?
Blick auf den verunglückten Flixbus an der Unfallstelle auf der A9 nahe Leipzig - bei dem Unfall sind vier Menschen ums Leben gekommen. (Foto: dpa)

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Am Morgen des 27. März verunfallte ein Flixbus auf dem Weg von Berlin nach Zürich auf der A9 Nähe Leipzig. An Bord waren zwei Fahrer und 53 Fahrgäste. Vier Fahrgäste starben, 40 Menschen wurden teils schwer verletzt - ein tragischer Unfall.

Der Buskonzern hat sich noch nicht genauer zu den Umständen des Unfalls geäußert, gegen den Fahrer wird aktuell polizeilich ermittelt. Auf der Firmenwebsite ist folgende Stellungnahme zu lesen: „Die Sicherheit unserer Fahrgäste und Fahrer steht für Flix zu jeder Zeit an erster Stelle. Wir arbeiten selbstverständlich weiterhin eng mit den örtlichen Behörden zusammen und werden alles daransetzen, die Unfallursache schnell und lückenlos aufzuklären.“

Unsicherheitsgefühl

Noch vor einigen Wochen zählte der marktbeherrschende Fernbus-Konzern zu den großen Profiteuren des Bahnstreiks mit einer temporär mehr als verdoppelten Nachfrage. Nun ist der GDL-Streik bis auf Weiteres beendet und das Busunternehmen mit einem potentiellen Imageschaden konfrontiert. Kunden könnten sich vermehrten die Frage stellen, ob und wie oft man in Zukunft sich noch dem Risiko von Fernbusfahrten aussetzen möchte.

Nur 14 Kilometer vom aktuellen Unfallort ist 2019 ein Flixbus verunglückt. Erst letztes Jahr war es im September auf der namensgleichen A9 in Österreich zu einem verheerenden Busunfall mit einer Toten und fünf Schwerverletzten gekommen und wieder war es ein Flixbus von Berlin aus. Solche Muster können abergläubisch machen, aber letztlich ist der Glaube an etwas anderes als Zufall unangebracht. Unfälle passieren nun mal und werden sich auch in Zukunft nicht völlig vermeiden lassen.

Der Autor dieser Zeilen war in der Vergangenheit häufig mit Flixbus unterwegs – bislang ohne negative Erlebnisse. Die jüngsten Entwicklungen haben allerdings zum Nachdenken angeregt und vielen Pendlern dürfte es ähnlich ergehen.

Statistisch gesehen ist ein solches Ereignisse jedoch nur eine Frage der Zeit. Bus, Assistenzsysteme, Fahrer, Straßenverhältnisse, andere Verkehrsteilnehmer et cetera – nichts und niemand ist perfekt und Fehler passieren. Ein Pressesprecher von Flix sagte in diesem Kontext auf Anfrage der DWN: „Jeder Unfall, der sich ereignet hat, und jeder einzelne Verletzte ist einer zu viel. Trotz strenger Sicherheitsmaßnahmen können wir Unfälle aber leider nicht komplett verhindern.“

2023 habe es globalen Netz von Flix insgesamt neun tödliche Unfälle bei über 81 Millionen Passagieren gegeben.

„Die Sicherheit unserer Fahrgäste und Fahrer hat für Flix allerhöchste Priorität“, erklärte uns der Flix-Sprecher. „Dafür arbeiten wir Tag und Nacht, investieren in Personal, Prozesse, neueste technische Ausstattungen und Trainings. Wir haben viele verschiedene Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, wie zum Beispiel Sicherheitstrainings für Mitarbeiter und Fahrer, zwei Fahrer auf jeder Nachtfahrt innerhalb Europas und eine moderne Busflotte mit Fahrassistenten wie Spurhalte- und Bremsassistenten.“ Auch würden etwa die Vorgaben zu Ruhezeiten streng kontrolliert. „Hiermit gehen wir über die gesetzlichen Vorgaben hinaus.“

Sicherheitsvergleich: Bahnfahren vs. Fernbus

Die neueste Unfallstatistik des Statistischen Bundesamts scheint auf den ersten Blick eine überlegene Sicherheit des Bahnfahrens gegenüber Fernbussen aufzuzeigen. 2022 gab es demnach 8816 Betroffene von Verkehrsunfällen mit Busbeteiligung. Die Zahl der Toten (47) und Schwerverletzten (853) war im Vergleich der letzten zehn Jahre unterdurchschnittlich. In der Vergangenheit waren grob 40 Prozent der Unfälle mit Busbeteiligung auf Fehlverhalten des Busfahrers zurückzuführen, andere Gründe sind zum Beispiel schlechte Straßenverhältnisse.

Den 8816 Opfern von Busunglücken standen „nur“ 927 Opfer durch insgesamt 490 Eisenbahn-Unfälle gegenüber. Es gab erstaunlich viele Tote bei Bahnunglücken (170), was vor allem Menschen in der peripheren Umgebung betraf. In den Zügen selbst kamen acht Menschen ums Leben und 50 wurden schwer verletzt.

Auch Fahrer und Mitfahrer von Bussen kommen bei einem Unfall meist mit dem Leben davon. 2020 gab es 6573 Opfer bei insgesamt 4490 Bus-Unfällen. Davon waren 742 Schwerverletzte. 61 Menschen starben, 10 waren Bus-Insassen. Für 2022 liegen keine vollständigen Statistiken vor. Aus dem Datenblatt „Getötete - nach Art der Verkehrsbeteiligung und Ortslage“ geht aber hervor, dass acht Fahrer oder Mitreisende bei einem Bus-Unfall starben – also exakt genauso viele „direkte“ Tote wie bei Bahnunfällen.

Nur ein Bruchteil der Bus-Unfälle passiert mit Fernbussen, den Großteil machen lokale Linienbusse aus. 2020 starben bei Unfällen mit einem Busfahrer als Hauptverursacher insgesamt 15 Menschen in Linienbussen und nur ein Mensch in einem Fernbus. Das ist durchaus logisch, da es sich um absolute Zahlen handelt und bundesweit deutlich mehr Linienbusse als Reisebusse unterwegs sind. Relativ betrachtet - bezogen auf die Unfallrate mit Todesfolge oder Schwerverletzten - dürften Fernbusse aufgrund der höheren Fahrgeschwindigkeit aber gefährlicher als Linienbusse sein.

Gemäß Zahlen des ADAC von 2019 ist das Todesrisiko bei Busfahrten mit durchschnittlich 0,12 Getöteten Insassen pro einer Milliarde Personenkilometer rund doppelt so hoch wie im Schienenverkehr (0,05), aber beides liegt auf einem sehr niedrigen Niveau, sodass man dies nicht überinterpretieren sollte.

Wenn man die Zahlen genauer analysiert, gibt es also keine eindeutig überlegene Sicherheit der Bahn gegenüber dem Fernbus. Tatsächlich sind Fernbusse laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes eines der sichersten Transportmittel. Das Risiko, in einen Unfall verwickelt zu werden, ist sehr gering und selbst in diesem Fall, ist man - etwas zynisch betrachtet – häufig durch die große Masse des Busses besser dran als andere vom Unfall betroffene Verkehrsteilnehmer.

Laut dem Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo), der sich auf TÜV-Daten beruft, steigt die Quote an mängelfreien Bussen stetig an und erreichte 2020 einen Wert von 75,4 Prozent. Wenn Flixbus nun noch mehr auf die Sicherheit achtet, könnte es sogar irrational sein, aus Angst vor einem ähnlichen Unfall in Zukunft keine Fahrten mehr zu buchen.

Trotzdem ist es eine verständliche Entscheidung, Flixbus und andere Fernbus-Betreiber zu meiden und stattdessen ICE zu fahren, um so dem insgesamt sehr gefährlichen Straßenverkehr auf den Autobahnen komplett aus dem Weg zu gehen.

Gute Zahlen bei Flixbus – auch in Zukunft?

Flixbus ist mit einem Marktanteil von rund 70 Prozent in Deutschland klarer Marktführer im Fernbus-Segment. Das könnte dem Konzern jetzt zugute kommen, denn obwohl das Image durch den Unfall gelitten haben dürfte, mangelt es an Alternativen. Abgesehen von der Deutschen Bahn gibt es kaum Wettbewerb. Die Bahn kostet aber deutlich mehr und hat durch die Dauer-Streiks an Kundenvertrauen eingebüßt.

Flix ist gar kein klassisches Transportunternehmen, sondern eher eine Digital-Plattform. Flixbus betreibt die Busse nicht selbst, sondern überlässt dies Subunternehmen, welche auch das Fahrpersonal stellen. In diesem Fall handelt es sich um die tschechische Firma „Umbrella Mobility“, die laut Recherchen der Hamburger Morgenpost und des Focus in der Vergangenheit schon häufiger negativ aufgefallen war. Umbrella-Chef Pavel Steiner betonte gegenüber der Bild-Zeitung, dass der Bus mit modernsten Systemen ausgestattet war und nichts darauf hindeute, dass der Fahrer übermüdet gewesen sein könnte. Er wies zudem darauf hin, dass die verstorbenen Fahrgäste nicht angeschnallt gewesen seien.

Im Geschäftsjahr 2023 erreichte der Umsatz von Flix erstmals die Marke von zwei Milliarden Euro und 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon blieb ein operativer Gewinn (EBITDA) von 104 Millionen Euro übrig. Insgesamt 81 Millionen Kunden nutzten das globale Netz von Flix (Flixbus, Flixtrain, Greyhound, Kamil Koc).

„Diese starken Zahlen zeigen, dass wir die richtige Strategie gewählt haben und diese seit elf Jahren zielstrebig verfolgen“, sagt André Schwämmlein, Co-Gründer und CEO von Flix. „Das Ergebnis bestätigt die Erfolgsgeschichte von Flix als führendes globales Travel Tech Unternehmen. Basierend auf unserer innovativen Technologie wollen wir unsere Position als globaler Vorreiter für nachhaltiges und erschwingliches Reisen für alle weiter stärken.“

Der Unfall hat sich laut Angaben des Konzerns bisher nicht negativ auf das Geschäft ausgewirkt: „Wir stellen keine steigende Anzahl von Stornierungen fest“, so der Flix-Sprecher gegenüber den DWN.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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