Politik

Stabilitäts- und Wachstumspakt: Kontroverse Schuldenregeln für EU-Staaten endgültig beschlossen

Lange wurde über Europas neue Regeln für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Letztendlich einigte man sich auf einen umstrittenen Kompromiss. Kritiker monieren, dass der Schuldenpakt die wirtschaftliche Entwicklung und grüne Transformation der EU behindert.
29.04.2024 10:29
Aktualisiert: 29.04.2024 10:51
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Stabilitäts- und Wachstumspakt: Kontroverse Schuldenregeln für EU-Staaten endgültig beschlossen
Das EU-Parlament hat sich auf neue Schuldenregeln für die Mitgliedsstaaten geeinigt - der Beschluss wird kontrovers diskutiert. (Foto: dpa)

Die neuen EU-Schuldenregeln sind endgültig beschlossen. Der Ministerrat nahm am Montag in Luxemburg Reformpläne für den sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakt abschließend an, wie EU-Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten.

Die Bestätigung durch den Rat der Europäischen Union war der letzte notwendige Schritt für die lang geplante Reform des Regelwerks. Es schreibt den Staaten unter anderem Obergrenzen für Schulden vor. Demnach sollen künftig etwa klare Mindestanforderungen dafür gelten, wie hoch verschuldete Länder ihre Staatsschuldenquoten senken. Gleichzeitig soll bei EU-Zielvorgaben die individuelle Lage von Ländern stärker berücksichtigt werden.

Vergangene Woche hatte bereits das Europaparlament in Straßburg die Reformpläne gebilligt. Nach der Bestätigung der EU-Länder müssen die neuen Vorschriften nun noch im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, damit sie in Kraft treten können. Das soll voraussichtlich Anfang Mai passieren.

Was ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt?

Das Regelwerk soll die Budgetdisziplin der Länder sichern und damit solide öffentliche Finanzen garantieren. Diese gelten als wichtige Voraussetzung für die Stabilität in der EU und im Euro-Raum. Bei Übertreten der Obergrenzen können Schulden-Strafverfahren, sogenannte Defizitverfahren, eingeleitet werden. Dann muss ein Land Gegenmaßnahmen einleiten, um Verschuldung und Defizit zu senken.

Die bisherigen Regeln aus den 1990er Jahren wurden von Kritikern seit langem als zu kompliziert und zu streng angesehen. Zuletzt waren die Strafverfahren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine ganz ausgesetzt. Vor allem 2020 lagen die Defizite in fast allen EU-Ländern deutlich über der Drei-Prozent-Marke.

Welche EU-Schuldenregeln künftig gelten sollen

Grundsätzlich soll in der EU unter den neuen Vorschriften auch weiterhin gelten, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Zudem soll das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit - also die vor allem durch Kredite zu deckende Lücke zwischen den Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushalts - unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehalten werden.

In Zukunft soll den Plänen nach aber unter anderem die individuelle Lage von Ländern stärker berücksichtigt werden. Die für die Aufsicht zuständige EU-Kommission soll etwa in einem Übergangszeitraum bei der Berechnung der Anpassungsanstrengungen den Anstieg der Zinszahlungen berücksichtigen können. Wenn Mitgliedstaaten glaubhafte Reform- und Investitionspläne vorlegen, die Widerstandsfähigkeit und Wachstumspotenzial verbessern, soll auch der Zeitraum zur Schuldenverringerung verlängert werden können.

Darüber hinaus sind unter anderem Schutzmaßnahmen geplant: Hoch verschuldete Länder (Schuldenstand von über 90 Prozent) sollen ihre Schuldenquote jährlich um einen Prozentpunkt senken müssen, Länder mit Schuldenständen zwischen 60 und 90 Prozent um 0,5 Prozentpunkte.

Warum die neuen Vorschriften umstritten sind

Kritiker betonen stets, dass die Regeln nötigen Investitionen etwa in Klimaschutz oder in den sozialen Bereich die Luft abschnürten. Eine Analyse vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und der New Economics Foundation (NEF) war Anfang April zu dem Ergebnis gekommen, dass bei Einhaltung der geplanten Regeln ab 2027 nur noch Dänemark, Schweden und Irland in der Lage seien, sich notwendige Ausgaben zu leisten. Auch in Deutschland würden demnach Investitionen stark gehemmt, hieß es. Auch etwa die Grünen im Europaparlament sehen die Reform daher sehr kritisch. Sie werde den Bedürfnissen der Zeit nicht gerecht, sagte die Europaabgeordnete Henrike Hahn.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hingegen ist zufrieden. Deutschlands zentrales Anliegen - „finanzpolitische Stabilität“ - finde sich in den Gesetzestexten wieder, sagte der FDP-Politiker jüngst. „Wir bekommen klare Regeln für den Schuldenabbau, die dann auch mit einer realistischen Perspektive durchgesetzt werden können.“ Auch die christdemokratische EVP-Fraktion im Europaparlament sprach sie für die Reform aus. Das neue Regelwerk schaffe mehr Klarheit und stelle die Wirtschafts- und Währungsunion auf ein solides Fundament, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher und CSU-Abgeordnete Markus Ferber.

Wie es jetzt weitergeht

Nach der Bestätigung der EU-Länder müssen die neuen Vorschriften noch im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, damit sie in Kraft treten können. Das soll voraussichtlich Anfang Mai passieren. Ab diesem Frühjahr sollen die Defizitverfahren wieder eröffnet werden können - aller Voraussicht nach sollen dann bereits die neuen Regeln gelten. Nach jüngsten Daten des EU-Statistikamtes Eurostat brachen mehrere Länder im vergangenen Jahr die Obergrenzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen COME Mining App Officially Launches: Supports BTC, USDC, and XRP, Start a Bitcoin Miner for Free, and Easily Earn $11,700 Daily

New York, October 2025—With the global cryptocurrency bull market in full swing, investor demand for stable and sustainable passive...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ehrliche Narren scheitern: Warum Moral ohne Macht im Management untergeht
09.10.2025

Unternehmen lieben die Rhetorik von Ethik und Empathie – doch wer in Führungspositionen nur auf Redlichkeit setzt, geht unter....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Exporte in die USA sinken im fünften Monat in Folge
09.10.2025

Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor Deutschlands wichtigster Handelspartner. Doch die Geschäfte erodieren seit Monaten. Auch in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Porsche-Absatz weiter im Sinkflug – China bleibt Sorgenkind
09.10.2025

Die Verkaufszahlen bei Porsche sehen weiter mau aus. Insbesondere das China-Geschäft läuft nicht rund. Und auch in anderen Märkten...

DWN
Finanzen
Finanzen Starker Ottobock-Börsengang: Ottobock-Aktie legt bei IPO deutlich über Ausgabepreis los
09.10.2025

Der weltweite Marktführer für Prothesen, Orthesen und Mobilitätshilfen ist erfolgreich an die Börse gegangen. Die Ottobock-Aktie...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Experten warnen vor russischer Eskalation in Europa
09.10.2025

In Europa wächst die Besorgnis über die Dynamik des Ukraine-Kriegs. Analysten sehen eine zunehmende Gefahr, dass Russland seine...

DWN
Politik
Politik Was Ursula von der Leyen am liebsten vergessen machen würde
09.10.2025

Ein Misstrauensvotum jagt das nächste: Ursula von der Leyen steht wegen Ideologie, Intransparenz und alter Skandale unter Druck. Sie...

DWN
Politik
Politik Bürgergeld: Koalition einigt sich auf Verschärfung
09.10.2025

Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich die Spitzen von Union und SPD auf Verschärfungen beim Bürgergeld geeinigt. Die rund 5,5...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoff aus Solaranlage: Effiziente Energiegewinnung dank neuer Technologie
09.10.2025

Das belgische Startup Solhyd arbeitet an einer neuartigen Technologie zur Wasserstoffproduktion mit Potenzial für die Energiewende. Das...