Politik

Friedrich Merz bleibt Parteichef: CDU zur sofortigen Regierungsübernahme bereit

Lesezeit: 4 min
06.05.2024 15:52
Die CDU trifft sich zum dreitägigen Bundesparteitag in Berlin. Es geht um die Verabschiedung des neuen Parteiprogramms der Union und auch um die Wiederwahl des CDU-Bundesvorsitzenden. CDU-Chef Merz spart beim Parteitag nicht mit Kritik an der Ampel. Diese fällt moderat aus. Seine Rede enthält viel Problem-Beschreibung. Die Ansätze zur Problemlösung bleiben eher allgemein. Die Wiederwahl sicherte Merz sich mit 873 von 972 Delegiertenstimmen.
Friedrich Merz bleibt Parteichef: CDU zur sofortigen Regierungsübernahme bereit
Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender, spricht zur Eröffnung beim CDU-Bundesparteitag. Die Union wählt die Führungsspitze neu und ein neues Grundsatzprogramm. (Foto: dpa)
Foto: Michael Kappeler

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Die CDU hat ihren Vorsitzenden Friedrich Merz für zwei Jahre mit großer Mehrheit wiedergewählt. Beim Bundesparteitag in Berlin stimmten 873 Delegierte für den 68-Jährigen. Es wurden 972 gültige Stimmen abgegeben - das sind über 90 Prozent. Ein beachtliches Ergebnis.

Merz sieht die Union nach dem Desaster bei der Bundestagswahl 2021 und dem Sturz in die Opposition als erneuerte Kraft gut aufgestellt. „Die CDU geht voran. Die CDU ist wieder da", sagte Merz, der auch Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag ist, zur Eröffnung des dreitägigen CDU-Parteitags in Berlin. Er ergänzte: „Von diesem Parteitag soll ein kraftvolles Signal der Zuversicht ausgehen." Die Christdemokraten wollten den dreitägigen Konvent nutzen, um zu zeigen: „Die CDU hat eine Idee von der Zukunft. Die CDU hat einen Plan für die großen Aufgaben."

Der CDU-Vorsitzende hat seine Partei auf die Rückkehr an die Macht nach der Bundestagswahl eingeschworen. Mit ihrem neuen Grundsatzprogramm sei sie „sofort und spätestens im Herbst nächsten Jahres bereit, wieder Regierungsverantwortung für Deutschland zu übernehmen", sagte Merz in seiner Rede beim Bundesparteitag in Berlin. „Deutschland kann es besser, aber Deutschland muss auch endlich wieder gut regiert werden."

Maximal vier Jahre Ampel seien genug, sagte Merz unter dem Beifall der 1001 Delegierten. „Jeder Tag früher, den dieses Schauspiel ein Ende findet, ist ein guter Tag für Deutschland." Merz betonte, die CDU kämpfe bei den anstehenden Wahlen, vor allem den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im kommenden September um Platz eins.

Sicherung von Frieden und Freiheit

Merz erklärte die Sicherung von Frieden und Freiheit zur wichtigsten Aufgabe der kommenden Jahre. Dazu werde Deutschland wieder mehr in die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung investieren müssen. Die Freiheit sei heute von vielen Seiten so ernsthaft bedroht wie lange nicht. Der Oppositionsführer im Bundestag sprach von einer viele Jahre währenden Vernachlässigung unserer Streitkräfte - „und daran waren wir nicht unbeteiligt". Merz betonte: „Wir können dabei nicht einmal so eben 100 Milliarden Euro mehr Schulden machen, das ganze «Sondervermögen für die Bundeswehr» nennen, und dann in den gewohnten Gang der Dinge vor dem Krieg in der Ukraine zurückkehren. Es muss weitaus mehr geschehen als das." Konkrete Vorschläge machte der CDU-Chef allerdings nicht.

Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik

Merz verlangte eine verlässliche Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. „Wir brauchen eine Agenda für die Fleißigen in Deutschland." Der CDU-Chef verlangte auch eine „Agenda 2030 mit klaren Perspektiven für eine Volkswirtschaft, die Industriestandort bleiben soll und muss, um den Wohlstand unseres Landes zu erhalten". Dieser Wohlstand, das Leistungsniveau der Sozialversicherungen und das notwendige Sicherheitsversprechen des Staates seien nur zu halten und einzuhalten, wenn diejenigen, die etwas leisten oder gar mehr als andere leisten wollten, dazu ermutigt würden. Dafür müsse man diesen Menschen auch etwas anbieten - etwa die Steuerfreiheit von Überstunden oder einen Steuerfreibetrag in der Rente.

Sozialpolitik

Merz kündigte für den Fall einer Regierungsübernahme der Union eine Kehrtwende in der Sozialpolitik an. Das von der Ampel eingeführte Bürgergeld werde in seiner derzeitigen Form abgeschafft. Schon der Name klinge zu sehr nach einem bedingungslosen Grundeinkommen und werde von vielen so verstanden. „Wir wollen stattdessen eine neue Grundsicherung, die wirklich denen hilft, die Hilfe benötigen, die aber auch Anreize und Ermutigung schafft für diejenigen, die in den Arbeitsmarkt zurückkehren können."

Umwelt- und Klimaschutz

Der CDU-Vorsitzende betonte, dass Weichenstellungen in der Umwelt- und Klimapolitik vom Leistungsvermögen der Volkswirtschaft und der Zustimmung der Menschen abhängten. Er plädierte für Technologieoffenheit. Die CDU wolle nicht bevormunden und den Menschen von oben herab sagen, was sie zu tun hätten. „Wir wollen gute Rahmenbedingungen schaffen, Ziele formulieren, Grenzwerte festlegen, aber es dann bitte auch den Ingenieurinnen und Ingenieuren, den Erfindern, den Unternehmerinnen und den Unternehmen und den Forschungseinrichtungen in unserem Land überlassen, wie wir dieses gemeinsam formulierte Ziele erreichen."

Union und AfD

Es seien Parteien wie die AfD, die viele der demokratischen Werte und das gemeinsame Europa ablehnten, verspotteten und von innen zerstören wollten, sagte Merz. Dies machten sie offensichtlich auch mit Unterstützung durch Russland. „Wir sagen hiermit allen denen den Kampf an, die unsere Werte, die unsere Europäische Union, die unsere Demokratie beschädigen und zerstören wollen. Sie stoßen auf den erbitterten Widerstand dieser Partei und aller ihrer Mitglieder." Alle demokratische Parteien müssten sich fragen lassen, warum sie an Vertrauen verloren hätten. Dieser Vertrauensverlust sei der Nährboden extremistischer Parteien, der Nährboden der AfD. Die CDU werde mit Parteien des linken Populismus genauso wenig zusammenarbeiten wie mit denen des rechten Populismus.

Leitkultur

Der CDU-Vorsitzende verteidigte den Begriff der Leitkultur, der sich auch im neuen Grundsatzprogramm findet. „Der Begriff grenzt nicht aus, sondern er ist eine allumfassende Klammer um unsere Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfältigkeit, die einem beständigen Wandel unterworfen ist, ja natürlich, die aber auch eine Reihe von Konstanten enthält, für die wir nicht zur Verfügung stehen, sie zu verhandeln." Das gelte an erster Stelle für die Verantwortung, die sich aus der deutschen Geschichte gegenüber Jüdinnen und Juden in Deutschland und gegenüber dem Staat Israel ergebe.

Zu Beginn des Parteitages hatte Merz besonders den an Weihnachten gestorbenen früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) als überzeugten Demokraten, großen Staatsmann und leidenschaftlichen Europäer gewürdigt. Der Parteichef begrüßte unter anderem auch die ehemaligen Vorsitzenden Armin Laschet und Annegret Kramp-Karrenbauer. Die frühere Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel will nicht zum Parteitag kommen.

Bei der Wahl von Merz kommt es auf die Zahlen an

Im Mittelpunkt des ersten Tages des Delegiertentreffens stand am Nachmittag die erste Wiederwahl des 68 Jahre alten Sauerländers. Merz war 2022 erst im dritten Anlauf zum Nachfolger Angela Merkels gewählt worden, die die Partei bis 2018 geführt hatte. Zunächst scheiterte er gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und später gegen Armin Laschet.

Im Januar vor zwei Jahren statteten die Delegierten Merz dann bei einem wegen der Corona-Pandemie digital organisierten Parteitag mit einem großen Vertrauensvorschuss aus. Bei der Wahl zum Vorsitzenden erreichte er laut CDU-Zählung eine Zustimmung von 94,62 Prozent. Anders als andere Parteien rechnet die CDU Enthaltungen als ungültige Stimmen. Enthaltungen mitgerechnet, betrug das Ergebnis 93,08 Prozent. Bei einer aus rechtlichen Gründen folgenden Briefwahl kam Merz dann nach CDU-Rechnung sogar auf 95,33 Prozent.

Jetzt gewann Merz die Wahl mit über 90 Prozent - von einem Aufbegehren aus dem früheren Merkel-Lager war nichts zu verspüren. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ist mit großer Mehrheit im Amt bestätigt worden. 889 Delegierte stimmten für den 46-Jahre alten Bundestagsabgeordneten, der das Amt im Juli 2023 zunächst kommissarisch übernommen hatte. Mit Nein stimmten 84 Delegierte, es gab sieben Enthaltungen. Die CDU hat unter Merz damit personell die Wende zu einer deutlich konservativeren Partei vollzogen, wie es scheint.


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