Politik

Scholz verspricht Hilfe - Überschwemmungen im Saarland zeigen Naturgewalt

Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte Kleinblittersdorf im Saarland, um nach den heftigen Regenfällen und Überschwemmungen Hilfe zu versprechen. Tausende Rettungseinsätze und enorme Schäden zeigten die Gewalt der Natur.
19.05.2024 03:21
Aktualisiert: 19.05.2024 03:21
Lesezeit: 4 min

Eigentlich wollte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ganz woanders sein – nun aber steht er in blauen Jeans und mit Gummistiefeln in der Elsässer Straße von Kleinblittersdorf im Saarland, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. Inmitten von Häusern, in denen Keller und Erdgeschosse vollgelaufen sind, verspricht der Kanzler Hilfe: „Leider ist das ja hier nicht das erste Mal, dass wir eine große Naturkatastrophe zu bewältigen haben und deshalb werden wir natürlich schauen, was hier jetzt zu tun ist und was notwendig ist“, sagt Scholz. „Alle können sich darauf verlassen, dass das im besten Sinne geschieht.“

Enorme Regenmengen haben im Saarland am Freitag und in der Nacht zu Samstag für Überflutungen, Erdrutsche und voraussichtlich hohe Schäden gesorgt. In der Landeshauptstadt Saarbrücken stand die Stadtautobahn unter Wasser und musste gesperrt werden. Mehrere Menschen wurden im ganzen Land evakuiert. In Rußhütte, einem Stadtteil Saarbrückens, wurden sie etwa mit Amphibienfahrzeugen und Booten in Sicherheit gebracht. Die Behörden befürchteten zudem, dass die historische Altstadt von Blieskastel überflutet werden könnte. Mehrere Einsatzkräfte versuchten dies zu verhindern.

Auch im benachbarten Rheinland-Pfalz kam es zu Hochwasser – in beiden Ländern liefen Keller und Straßen voll. Viele kleinere Bäche und Flüsse traten über die Ufer. In der benachbarten französischen Region Moselle in Lothringen herrschte am Samstag weiterhin die höchste Alarmstufe Rot für Überschwemmungen. Die gute Nachricht: An allen betroffenen Orten gab es bislang kaum Verletzte oder gar Tote zu beklagen.

Nach dem Dauerregen in der Nacht zu Samstag hob der Deutsche Wetterdienst (DWD) am frühen Samstagmorgen zudem alle Unwetterwarnungen in Deutschland auf. Inzwischen hat die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken als Untere Katastrophenschutzbehörde die Großschadenslage aufgehoben. Die akuten Rettungs- und Sicherungsmaßnahmen seien abgeschlossen und die Gewässerpegelstände weiterhin rückläufig, teilte die Pressestelle der Stadt mit.

Demnach stehen derzeit Aufräumarbeiten im Fokus. Die Einsatzkräfte, Behörden und kommunalen Dienststellen werden ihre Arbeiten den Angaben zufolge in den nächsten Tagen fortführen, um die durch das Hochwasser entstandenen Schäden abzuarbeiten. In den betroffenen Bereichen müsse auch in den kommenden Tagen und Wochen mit Einschränkungen gerechnet werden.

Erinnerungen an schweres Hochwasser im Jahr 1993

„Diejenigen, die an finanzielle Grenzen geraten, wenn es um Schaden bei Hab und Gut geht, sollen Unterstützung finden“, sagte die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD), die Scholz begleitete, unter Verweis auf einen noch in der vorherigen Nacht gefassten Beschluss der Landesregierung. Und sie formulierte: „Es soll niemand im Regen stehen bei dieser schwierigen Lage.“

Das Land befinde sich „seit 36 Stunden im Ausnahmezustand“, sagte sie. „Wir müssen feststellen, dass dies die schwierigste Lage ist seit dem Jahrhunderthochwasser vor 30 Jahren.“ Damals, am vierten Advent im Jahr 1993, hatte das Saarland ein besonders schlimmes Hochwasser erlebt: Straßen mussten gesperrt werden, Keller wurden überschwemmt, Strom- und Telefonnetze kamen teilweise für Tage zum Erliegen. Zudem wurde schon vor 30 Jahren die historische Altstadt von Blieskastel überschwemmt und war nur noch per Schlauchboot erreichbar, wie der Saarländische Rundfunk berichtete.

Während die Glocken der Kirche der Gemeinde läuteten, ging Scholz zur Freiwilligen Feuerwehr von Kleinblittersdorf und ließ sich berichten, wie man inmitten der Wassermassen zu helfen versucht hat. „1993 war schlimmer“, sagte eine Frau auf dem Bürgersteig. „Da war hier alles unter Wasser.“ Heute sind die meisten Straßen begehbar, aber das Wasser steht hoch und bedrohlich in der Saar. Auf der anderen Seite des Flusses liegt Grosbliederstroff: Das ist schon Frankreich. „Ich fand 2018 schlimmer“, sagte eine andere Frau. Damals wurden nach heftigem Starkregen Schlammmassen in den Ort gedrückt: „Das war furchtbar, hier war alles kaputt.“ Hochwasser ist in Kleinblittersdorf nicht Alltag, aber nichts Ungewöhnliches.

Rund 3000 Polizei- und Rettungseinsätze seien im Bundesland seit Freitagmorgen erfolgreich verlaufen, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums. Allein die Polizei im Saarland verzeichnete bis Samstagmorgen (7.00 Uhr) rund 1000 Einsätze. Hinzu kommen nach Angaben des Saar-Innenministeriums mehr als 2400 Einsätze von Feuerwehren und anderen Hilfsorganisationen.

Trotz der enormen Wassermassen - der Wetterdienst verzeichnete stellenweise mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter in nicht einmal 24 Stunden - ging es mit Blick auf mögliche Verletzte oder Tote vorerst glimpflich aus. „Aktuell liegen Meldungen über eine verletzte Person vor“, hieß es vom Sprecher. Der Mensch war demnach bei einem Rettungseinsatz verunglückt und musste wiederbelebt werden. „Die Person ist in stationärer Behandlung, Meldungen zum Gesundheitszustand sind derzeit nicht bekannt.“

Scholz: „Wir sehen hier, welche Gewalt die Natur hat“

Eigentlich hatte Scholz an diesem Samstag in Saarbrücken bei einer Wahlkampfveranstaltung rund 400 Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort stehen wollen. Am Vorabend wurde klar, dass das nicht mehr denkbar war: „Wir sehen hier, welche Gewalt die Natur hat, welche Zerstörung sie anrichten kann und wie sehr wir uns immer wieder auf solche Ereignisse vorbereiten müssen.“ Und ebenso wie die Ministerpräsidentin lobte auch er die Hilfe von offiziellen und ehrenamtlichen Helfern.

Klimaaktivistin Luisa Neubauer kritisierte Scholz: „Und ja, natürlich kann man als Kanzler an einem Tag das Klimagesetz abschwächen & am nächsten hochbesorgt in #Hochwasser-Gebiete fahren. Es ist mittelfristig bloß eine maximal fragile Strategie in der Klimakrise“, schrieb Neubauer am Samstag auf X. Scholz’ Job wäre es, Alarm zu schlagen. „Das wäre kein 'Alarmismus', das wäre im Jahr 2024 schlicht verantwortungsbewusst. Menschen müssen Bescheid wissen, wie bedrohlich die Lage ist, um sich vorbereiten und Schlimmeres verhindern zu können.“

Der Klimawandel macht Extremwetterereignisse wahrscheinlicher. Vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach hieß es, ob die aktuelle Wetterlage Folge des Klimawandels ist, sei nur durch aufwendige Berechnungen zu analysieren.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) versprach derweil Hilfe für die betroffenen Gebiete: „Der Bund unterstützt insbesondere das Saarland mit starken Kräften, um nach den schweren Überflutungen Menschenleben zu schützen und die Zerstörung durch die Wassermassen so weit wie möglich zu begrenzen“, sagte sie.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach seinen Dank den Helferinnen und Helfern vor Ort aus. „Solche Katastrophen zeigen auch immer, wie wichtig der Zusammenhalt in der Gesellschaft ist“, sagte er.

Auch Scholz betonte später am Tag die Gemeinschaft im Saarland: „Was ich dort empfunden habe, ist ein großes Gefühl der Solidarität. Wir können nur solche Herausforderungen bewältigen, wenn wir zusammenhalten und wenn wir solidarisch sind“, sagte er bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Karlsruhe.

Scholz versicherte zudem noch im Saarland: „Wenn wir den Schaden besser besichtigen können und die unmittelbare Not- und Gefahrenlage zurückgegangen ist, dann wird es auch darum gehen, dass man miteinander verabredet, was zu tun ist, um denjenigen, die in Not geraten sind, zu helfen.“ Michael Burkert, Präsident des saarländischen Landesverbandes des Deutschen Roten Kreuzes, erzählte dem Kanzler, dass man „aus dem Stand heraus“ 400 freiwillige Helfer mobilisiert habe, auch aus Hessen und Rheinland-Pfalz.

Als der Kanzler in seine schwarze Limousine steigt, scheint die Sonne über Kleinblittersdorf, die Straßen sind wieder trocken. Die Saar fließt allerdings immer noch schneller als sonst.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik TAURUS für die Ukraine? Hoher Aufwand, fraglicher Nutzen
27.04.2025

Die Lieferung des TAURUS-Lenkflugkörpers an die Ukraine ist technisch derzeit problematisch, da ukrainische Flugzeuge das System weder...

DWN
Politik
Politik Waffenruhe Ukrainekrieg: Bringt der Tod von Papst Franziskus Frieden?
26.04.2025

Historisches Treffen bietet Chance für Durchbruch bei Friedensverhandlungen: Neben dem US-Präsidenten hat sich auch Frankreichs...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
26.04.2025

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise....

DWN
Technologie
Technologie Mit KI zum Durchbruch: Wie die Wellenkraft zur nächsten Energie-Revolution werden soll
26.04.2025

Europa steht vor der nächsten Energie-Revolution: Mit Hilfe künstlicher Intelligenz könnte die bislang unterschätzte Wellenkraft zur...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mobiles Geld: Afrika revolutioniert die Finanzwelt – und überholt den Westen
26.04.2025

Während Europa und die USA noch über die Zukunft digitaler Bezahlsysteme diskutieren, hat Afrika längst Fakten geschaffen. Der Kontinent...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Habecks katastrophale Wirtschaftsbilanz: Wirtschaft stagniert langfristig - drittes Jahr in Folge kein Wachstum
26.04.2025

Ein drittes Jahr ohne Wachstum, eine düstere Prognose und ein scheidender Wirtschaftsminister, der für das desaströse Ergebnis...

DWN
Panorama
Panorama Können Tierversuche durch neue Technologien ersetzt werden?
26.04.2025

Mehr als eine Million Mäuse, Fische, Kaninchen oder auch Affen werden jedes Jahr in Versuchen eingesetzt. Ob es um Medikamente gegen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datenstrategie 2025: Warum KI-Erfolg in Unternehmen ein neues Mindset braucht
26.04.2025

Viele KMU lassen bei Daten und KI ihr Innovationspotenzial ungenutzt. Wiebke Reuter, Fachanwältin für Informations- und Technologierecht...