Weltwirtschaft

Der Internationale Seegerichtshof sieht Klimaschutz als Meeresschutz

Lesezeit: 2 min
24.05.2024 01:58  Aktualisiert: 24.05.2024 08:58
Durch den steigenden Meeresspiegel sind Inselstaaten und deren Bewohner in ihrer Existenz bedroht. Vom Seegerichtshof in Hamburg wollen sie wissen, ob die Verursacher des Klimawandels mehr tun müssen. Das Gericht hat nun ein wegweisendes Gutachten vorgelegt. Die Justiz übernimmt zusehends die Rolle der Politik und korrigiert Fehlentwicklungen - in Deutschland und nun auch auf internationalem Parkett.
Der Internationale Seegerichtshof sieht Klimaschutz als Meeresschutz
Entscheidung für ein Gutachten hat Signalwirkung: Klägerin eines kleinen pazifischen Inselstaates vor dem Seegerichtshof in Hamburg. (Foto: dpa)
Foto: Christian Charisius

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Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg hat in einem wegweisenden Rechtsgutachten den weltweiten Klimaschutz gestärkt. In dem in diser Woche verlesenen Gutachten kommen die Richter zu dem Schluss, dass der menschengemachte Ausstoß von Treibhausgasen zur Erd- und Meereserwärmung beiträgt und deshalb eine Verschmutzung der Meeresumwelt im Sinne des UN-Seerechtsübereinkommens darstellt.

Die 169 Unterzeichner des Übereinkommens - darunter Deutschland und die EU - hätten deshalb „die konkrete Verpflichtung, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Meeresverschmutzung durch menschengemachte Treibhausgasemissionen zu verhindern, zu verringern und zu kontrollieren, und sich in diesem Zusammenhang um eine Harmonisierung ihrer Politik zu bemühen“, heißt es in dem Gutachten, das zwar nicht bindend ist, aber großen Einfluss auf künftige Entscheidungen internationaler Gerichte in Klimafragen haben dürfte.

Demnach sollten die Klima-Maßnahmen unter Berücksichtigung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse festgelegt werden und insbesondere das Ziel verfolgen, den globalen Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, so die Richter.

Ausdrücklich wurde dabei auf Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes verwiesen: Die Unterzeichnerstaaten müssten „direkt oder über kompetente internationale Organisationen kontinuierlich, sinnvoll und nach Treu und Glauben zusammenarbeiten, um Meeresverschmutzung durch menschengemachte Treibhausgasemissionen zu verhindern, zu reduzieren und zu kontrollieren".

Von diesen Verpflichtungen sind die Staaten laut Gutachten auch nicht durch andere Abkommen wie das Pariser Klimaschutzabkommen entbunden. Im Pariser Abkommen ist eine Begrenzung der Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf „deutlich unter“ zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter vorgesehen - angestrebt werden 1,5 Grad.

Zudem könne sich aus dem Seerechtsübereinkommen die Pflicht ableiten, bereits geschädigte maritime Lebensräume und Ökosysteme wiederherzustellen. Entwicklungsländer - speziell solche, die besonders vom Klimawandel betroffen sind - müssten in ihrem Kampf gegen die Klimafolgen finanziell und technologisch unterstützt werden.

Angestrengt hat das Gutachten eine Gruppe von neun kleinen Inselstaaten im Pazifik und der Karibik, die sich durch den aufgrund der Erderwärmung steigenden Meeresspiegel in ihrer Existenz bedroht sehen. Gegründet von Tuvalu sowie Antigua und Barbuda, gehören der Kommission der kleinen Inselstaaten für Klimawandel und Völkerrecht (COSIS) auch die Bahamas, Niue, Palau, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen sowie Vanuatu an.

COSIS-Vertreter werteten das Gutachten als wichtigen Erfolg. Der Klimawandel sei die größte existenzielle Bedrohung für Länder wie ihres, sagte die tuvaluische Diplomatin Eselealofa Apinelu nach der Verlesung in dem UN-Gericht in Hamburg-Nienstedten. „Wir sind dankbar für dieses Gutachten.“ Der Ausstoß von Treibhausgasen sei nicht nur für den Anstieg des Meeresspiegels und das Korallensterben verantwortlich. Durch den Klimawandel steige auch die Gefahr schwerer Unwetter, durch die das Leben viele Menschen in den Inselstaaten bedroht sei.

„Der heutige Tag markiert einen historischen Meilenstein auf unserem gemeinsamen Weg zu Umweltgerechtigkeit und Klimaregulierung“, sagte der Rechtsvertreter der Inselstaaten vor dem UN-Gericht, Payam Akhavan. Mit dem Gutachten werde deutlich, dass es nicht ausreichend sei, wenn Staaten zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels nur unzureichende Klimapläne vorlegten.

Auch Umweltorganisationen begrüßten das Gutachten. Es ziehe Länder, „die Meeresschutz vernachlässigen, endlich zur Rechenschaft“, sagte die Greenpeace-Meeresbiologin Franziska Saalmann. „Damit hat der Internationale Seegerichtshof die klare Aussage getroffen: Meeresschutz ist Klimaschutz.“ Die 169 Unterzeichner des Seerechtsübereinkommens müssten nun „ins Handeln kommen und einen effektiven Meeresschutz priorisieren“.

Zur Bewältigung der Klimakrise sei die Welt auf die Meere angewiesen, sagte Julika Tribukait, Meeresschutzexpertin beim WWF Deutschland. „Sie puffern einen Großteil des Temperaturanstiegs ab, doch die Meere leiden dabei massiv: Mit der Erwärmung der Ozeane beginnt eine Kaskade aus schmelzendem Meereis, steigendem Meeresspiegel, marinen Hitzewellen, Versauerung und Sauerstoffentzug der Meere, deren Anzeichen bereits überall sichtbar sind.“

Das Gutachten des Internationalen Seegerichtshofs ist das erste dieser Art. Auch beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag ist auf Antrag der UN-Vollversammlung ein entsprechendes Gutachten anhängig, ebenso beim interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte.


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