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DWN-Kommentar - Party auf Sylt: Was geschieht, wenn „Ausländer raus“-Rufe wahr werden?

Lesezeit: 3 min
28.05.2024 13:50  Aktualisiert: 28.05.2024 15:00
Die Debatte über Migration und Ausländer in Deutschland ist aufgrund des rassistischen Videos einer Party im „Pony Club“ in Kampen auf Sylt wieder aktuell. Dieser Beitrag will beleuchten, was die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Idee „Ausländer raus“ wären. Welche Konsequenzen hätte ein solcher Schritt für Deutschland? Ein Kommentar aus aktuellem Anlass.
DWN-Kommentar - Party auf Sylt: Was geschieht, wenn „Ausländer raus“-Rufe wahr werden?
Strönwai in Kampen (Archivbild): Wo sich auch der Pony-Club befindet, kamen neulich Menschen anlässlich des um Rassismus-Eklats um ein Partyvideo auf Sylt zusammen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen (Foto: dpa).

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Er ist wieder da: Der „Ausländer“, der die Debatte um Migration in Deutschland nie wirklich verlassen hat. Auch mediale Abschiebungen bringen nichts, solange das Thema ein Teil der Kultur bleibt. Die Ausländerdebatte ist gekommen, um zu bleiben.

Es ist noch nicht einmal ein halbes Jahr her, dass bekannt wurde, dass das Hauptthema eines Geheimtreffens bei Potsdam mit Martin Sellner, der österreichischen Figur der „Identitären Bewegung“, die Remigration war. Mit anderen Worten: die Rückführung von Menschen, basierend auf ihrer Herkunft.

Nun taucht dieses Thema in einer bekannten Form mit Parolen auf einer Party auf Sylt auf: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ Diejenigen, die diese Rufe ausstoßen, dürfen weiterhin in ihren Wunschvorstellungen und Träumen die Realitäten des Arbeitsmarktes ignorieren.

Man wird sofort wieder an diesen Martin Sellner erinert, der sich stark für dieses Konzept einsetzt und die Idee propagiert, dass Europa seine kulturelle und ethnische Identität bewahren müsse, indem Migranten in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Die Vorstellung, dass alle Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund Deutschland verlassen, mag in manchen Kreisen romantisch klingen. Das würde jedoch voraussetzen, dass alle ausländischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund das Land verlassen. Um die Konsequenzen aufzuzeigen, wird hier versucht, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Idee „Ausländer raus“ zu beleuchten.

Wirtschaftliche Bedeutung ausländischer Arbeitskräfte

Die deutsche Wirtschaft ist stark auf die Arbeit und das Fachwissen von ausländischen Arbeitskräften angewiesen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gibt es rund 4,55 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigte Ausländer in Deutschland. Diese Zahl zeigt nicht nur die Abhängigkeit der Wirtschaft von ihnen, sondern auch die internationale Anziehungskraft Deutschlands und die zahlreichen zu besetzenden Stellen.

Diese ausländischen Arbeitnehmer sind Teil der insgesamt 11,5 Millionen Beschäftigten mit Migrationshintergrund. Sie bilden einen wesentlichen Bestandteil des deutschen Arbeitsmarktes und nutzen verschiedene gesetzliche Möglichkeiten, um weiterzuarbeiten. Qualifizierte Arbeitskräfte, vor allem aus Indien, Russland und der Türkei, sind essenziell für die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Auch Arbeitnehmer aus den westlichen Balkanländern bilden eine weitere Gruppe, die sich um 22 Prozent vergrößert hat, wobei vor allem Kosovo eine wichtige Rolle spielt.

Soziale und kulturelle Beiträge

Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 beschäftigen mehr als die Hälfte aller deutschen Unternehmen (57 Prozent) Menschen mit Migrationshintergrund oder ausländische Mitarbeiter.

Die soziale Struktur Deutschlands würde massiv beeinträchtigt, wenn sie das Land verlassen müssten. Der Verlust von 11,5 Millionen Arbeitnehmern würde zu einem drastischen Rückgang der Bevölkerungszahl und zu enormen verheerenden Lücken in zahlreichen Branchen führen. Besonders betroffen wären die Gesundheitsversorgung, das Bauwesen, die Gastronomie und viele weitere Sektoren. Ohne die ausländischen Fachkräfte oder Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund würde Deutschland einen erheblichen Fachkräftemangel erleben, was die Produktivität und Innovationskraft stark beeinträchtigen würde.

Steuerliche und wirtschaftliche Auswirkungen

Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund tragen signifikant zur deutschen Wirtschaft bei. Sie zahlen Einkommensteuern, Sozialabgaben und indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer. Konservative Schätzungen zeigen, dass diese Gruppe mindestens 161 Milliarden Euro an Steuern und Sozialabgaben zahlt und zusätzlich rund 43,7 Milliarden Euro durch die Mehrwertsteuer einbringt.

Basierend auf einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 40.000 Euro und einer Steuer- und Abgabenquote von 35 Prozent tragen die 11,5 Millionen Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund erheblich zum Steueraufkommen bei. Der Konsum dieser Arbeitnehmer generiert zusätzliche Steuereinnahmen durch die Mehrwertsteuer, was die wirtschaftliche Stabilität weiter unterstützt.

Rund 24 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben in Deutschland. Die Idee, das Land von ausländischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund zu befreien, würde es wirtschaftlich und sozial destabilisieren. Die deutsche Wirtschaft ist auf diese Arbeitskräfte angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zu erfüllen und eine Deindustrialisierung des Landes zu verhindern. Zudem sind sie ein integraler Bestandteil der deutschen Gesellschaft, deren Beitrag nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell und sozial von unschätzbarem Wert ist.

Das ist nicht allein ein deutsches Thema - oder gar Problem. Die Debatten über Migration und Ausländer sind derzeit in vielen Ländern weltweit intensiv. Dies gilt in den USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien. Die Frage bleibt: Wie schaffen wir es, die uneinsichtigen Teile unserer Gesellschaft zur Vernunft zu bringen? Appelle scheinen nicht zu fruchten.

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.


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